The Dears


Die von Blur und The Smiths beeinflussten Indierocker galten als drittbeste und dritt- prätentiöseste Band Kanadas.

Die Musik: Ein erster Durchlauf von The Dears‘ NO cities left ist wie ein erster Tag in London oder Berlin: So sehr man auch versucht, alles aufzunehmen und alles zu entdecken, so offen und ausgeruht man sich mit allen Eindrücken in dem Bestreben befasst, etwas über die Seele und den Charakter hinter den komplexen Strukturen zu erkennen- man ist doch verloren. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass es für den, der verweilt, unglaublich viel zu entdecken gibt. Das Deutschlanddebüt der kanadischen Band enthält kunstvollen Indierock mit ungewöhnlichen Drum-Patterns, Streichern, Bläsern, Mittelteilen im g/8tel-Takt und plötzlichen bombastischen Ausbrüchen. Ihr afrokanadischer Sänger Murray Lightburn ist so Smiths-infiziert, dass er sich erlaubt, wie Morrissey selbst die Texte mit melancholischen „La-la-la“-Passagen zu unterbrechen und langgezogene Wortenden triste Tontreppen hinauf- und wieder heran terzuzerren. All diese Eigenschaften haben der Band in einer Zeitung aus Montreal bereits zwei Bronzemedallien eingebracht: Im gleichen Jahr wurden sie zur drittbesten und – hinter The Stills und Godspeed You Black Emperor-auch zur drittprätentiösesten Band Kanadas gewählt. Die Künstler: Murray Lightburn kann in einem einzigen Satz über Revolution, über Liebe, Gehirnwäsche, geheimdienstgesteuerte Massen-Manipulation und ein „ewiges, allumfassendes Licht“ sprechen, mit dem sich „alle Leute vereinigen “ sollten. Er ist Rebell, Hippie, Verschwörungstheoretiker und Esoteriker in einer Person. „Religion ist Volksverdummung“, sagt er trotz allem trocken, denn die weltanschaulichen Überzeugungen seines Prediger-Vaters mochte er schon als Kind nicht. Da er ebensowenig dessen Vorliebe für Soulsänger wie Isaac Hayes teilte (damals! heute schwingt natürlich Nostalgie mit), machte er sich früh daran, seine eigene Musik zu entdecken und gründete 1995 in Montreal The Dears. „Mich haben viele britische Bands beeinflusst“, gibt er zu. So groß war etwa seine Bewunderung für Blur, dass er als junger Erwachsener mit einer Tasche voller Demos nach London flog, um Graham Coxon zu suchen. Er fand den Blur-Gitarristen in der Kneipe The Good Mixer, und doch konnte er in diesem frühen Stadium noch kein Kapital aus dieser Begegnung schlagen. Mit der Erkenntnis, dass The Dears kein Vitamin B sondern nur harte Arbeit benötigten, tourte er nach dem unausgereiften Debüt von 2000 fast vier Jahre lang durch Kanada. Und siehe da: Bei Amerikas wichtigster Musikmesse SXSW galten The DearS 2004 als beste Band.