Kritik

„The Crown” (Staffel 4) bei Netflix: Ein fesselndes Aufeinandertreffen von mächtigen Frauen


Netflix lädt wieder zur Audienz im britischen Königshaus und läuft dabei zu neuer Höchstform auf: Die Queen und ihre royale Sippschaft taumeln in der neuen Staffel zwischen Protokoll und familiären Differenzen durch die Regierungszeit der Eisernen Lady Margaret Thatcher.

Das Ende der 70er-Jahre bildet für Queen Elizabeth II. (Olivia Colman) den Auftakt in eine ungewohnte Zeit. Nachdem Premierminister Harold Wilson abgedankt hat und der Kampf gegen die Monarchie abzuebben scheint, übernimmt nun die erste weibliche Premierministerin Margaret Thatcher (Gillian Anderson) das Ruder. Eine neue Situation für das Land und die Königin selbst, die mit der eigenwilligen Art Thatchers sowohl persönlich als auch auf politischer Ebene hadert. Während das Land in eine wirtschaftliche Krise rutscht, ziehen auch über dem Buckingham Palace dunkle Wolken auf. Auf der Suche nach einer geeigneten Frau für Thronfolger Charles (Josh O’Connor) rückt die unscheinbare Diana Spencer (Emma Corrin) in den Fokus der Medien. Unter den Zwängen des Königshauses droht die zierliche Frau jedoch schon bald zu zerbrechen.

Gerangel um das Rampenlicht

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Hierarchie und Rangfolge bestimmen das Leben im Königshaus. Dass dieses Leben unter der Glaskuppel nicht immer mit der weltlichen Realität harmoniert, bekommt Queen Elizabeth II. in der vierten Staffel von „The Crown“ deutlicher als je zuvor zu spüren. Durch den Antritt von Margaret Thatcher bekommt die zurückhaltende Königin eine Sparringspartnerin an die Seite, die das Land in einen Abgrund stürzt und auf die wohlgemeinten Ratschläge des königlichen Oberhauses pfeift. Ein Kampf zweier mächtiger Frauen, der sich allein durch Worte geführt, zum beeindruckenden Serien-Kunststück entwickelt.

Oscar-Preisträgerin Olivia Colman brilliert bereits zum zweiten Mal als Queen Elizabeth II. in Peter Morgans Erfolgsserie. Mit Gillian Anderson, die nach dem Ende von „Akte X“ ihre Rollen sorgfältig wählte und zuletzt in „The Fall: Tod in Belfast“ und „Sex Education“ zu sehen war, bekommt Colman eine Gegenspielerin an die Seite, deren gemeinsamer Konflikt die gesamte Staffel über in Atem hält. Die gediegenen Schlagabtausche während der wöchentlichen Audienz brodeln unter dem Mantel der Höflichkeit. Neben rhetorischen Seitenhieben sind es die minimalen Gesten und subtilen Gesichtsregungen, die das Zusammenspiel von Anderson und Colman so fesselnd machen.

Drama mit dem Neuzugang

Neben dem Themenkomplex „Eiserne Lady“, die erst am Ende ihrer Regierungszeit von 1977 bis 1990 ein offenes Lob von Queen Elizabeth II. erhielt, stoßen die Serienverantwortlichen eine weitere verhängnisvolle Episode aus den Chroniken des Königshauses an. Die von Beginn an zum Scheitern verurteilte Ehe zwischen Prinz Charles und Diana Spencer, die später als „Königin der Herzen“ in die Geschichte eingehen soll, bestimmt den zweiten Erzählstrang der Staffel und punktet zielsicher auf der emotionalen Ebene. Nicht nur, dass die Newcomerin Emma Corrin ein wahrer Glücksgriff ist, sondern auch der stille Zerfall einer einst lebenshungrigen Frau ist besonders in den letzten Episoden der 10 Folgen umfassenden Staffel nur schwer ertragbar.

Netflix schaltet Warntafeln vor „The Crown“-Folgen

Obwohl die eigentliche Glanzzeit Prinzessin Dianas (noch) ausgespart wird, ist die wabernde Abneigung zwischen königlichem Oberhaupt und familiärem Neuzugang nicht mehr aufzuhalten. Auf die Unterstützung von ihrem Ehemann Charles braucht Diana nicht zu hoffen: Wenn Ignoranz, offener Betrug und Hass das Grundgerüst einer eingefädelten Ehe bilden, bleibt die Frage, wie unmenschlich die Regularien der Krone wirklich sind.

Menschlicher Makel auf dem Silbertablett

Dass die royale Familiengeschichte ein Schlachtfeld aus verletzten Egos und zerstörten Träumen ist, daran lässt Serienschöpfer Peter Morgan keinen Zweifel. Zwischen Unfassbarkeit und Mitleid bewegt sich das Gefühl der Zuschauer*innen, die an dem Potpourri menschlicher Makel schwer zu kauen haben. Selbst die absurde Episode, in der der „besorgte Bürger“ Michael Flanagan mehrfach in den Palast einbricht und die Queen zu einer Unterredung in ihrem Schlafzimmer aufsucht, spiegelt den Graben zwischen Krone und Volk in beachtlicher Weise wieder. Genau diese Tatsache, dass die krampfhafte Aufrechterhaltung von Etikette und Regeln scheinbar nur innerhalb der Palastmauern gelebt wird, macht den polarisierenden Eindruck der Figuren aus.

Netflix‘ Flaggschiff „The Crown“ macht mit der neuen Staffel alles richtig. Dem Auszug an Skandalen und zwischenmenschlichen Entgleisungen gelingt die Gratwanderung zwischen emotionalem Drama und historischem Rückblick. Fast schon melancholisch blickt man daher in die Zukunft, in der die fünfte Staffel mit einem Personalwechsel aufwartet. Gern hätte man Olivia Coleman, Josh O’Connor und Helena Bonham Carter in ihren Rollen noch länger begleitet. Denn irgendwie fühlt man sich trotz all dem Streit und Zank am Ende als Teil der Familie.

Staffel 4 von „The Crown“ ist ab 15. November 2020 bei Netflix verfügbar. Zwei weitere Staffeln wurden bereits bestätigt und befinden sich in Produktion.

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