Southside Festival In Neu-Hausen Ob Eck


Verstörende Zeitgenossen, Charity-Becher, Noise-Kellen und Steh-Elektroniker. War wieder einiges geboten auf der Südseite.

Heiße Diskussionen auf den Campingwiesen: Werden Faith No More total fadisieren (wie der Österreicher sagt) oder komplett die Green Stage zerlegen? Unnötige Streitereien, man weiß doch: Mike Patton ain’t in itfor the money. Die reformierten Crossover-Veteranen müssen also einfach eine tighte Show abliefern. Der Auftakt ist jedoch entspannt-jazzig: Auf der abgedunkelten Bühne weben Billy Gould, Mike Bordin, Roddy Bottum und Jon Hudson einen Easy-Listening-Teppich, auf dem sich ein Mann mit Krückstock langsam ans Mikro schleppt. Die aufflammenden Scheinwerfer enthüllen Patton – im silbernen Anzug mit Rose im Knopfloch, Zuhältersonnenbrille und -goldkettchen. Dann: die Axt. Eine gewaltige Bass/Gitarren/Schlagzeugbreitseitc jagt die nächste, „Last Cup Of Sorrow“ folgt auf „The Real Thing“, die zweite Hälfte der Show gehört ganz den Crowd-Pleasern: „Easy“, „Ashes To Ashes“, „Midlife Crisis“, „Be Aggressive“, „Epic“, „We Care A Lot“. Zwischendurch immer wieder Pattons Aufrufe zum Beischlaf imZelt: „Gibt’s einen besseren Weg, sich nach einem verregneten Konzert aufzuwärmen f Los!Flippt aus! Verbreitet Krankheiten .'“ Gut, die verslörenden Zeitgenossen wieder unter uns zu haben. Hoffentlich bleiben sie uns ein wenig erhalten.

Um Die Ärzte braucht man sich diesbezüglich wohl keine Sorgen zu machen. Der Freitags-Headliner ist zu Scherzen (und solchen, die es werden wollen) aufgelegt und setzt sich zudem lür eine gute Sache ein: Die Hamburger Initiative „Vivacon Aqua“ sammelt auf „Southside“ und „Hurricane“ Getränkebecher, deren ausgelöstes Pfand sie für eine bessere Trinkwasserversorgung in Entwicklungsländern einsetzt. Dafür bittet „die beste Band der Welt“ um Becher. Während Fsrin, Bela und Rod provozierend „Ist das alles?“ intonieren, fliegen die Chanty-Gefäße massenweise in Richtung Bühne und malen pittoreske Flugbahnen in den Abcndhimmcl. Die Kings Of Leon sind nicht hundertprozentig vom Wetter gesegnet. Es regnet zwar nicht, aber während „Molly’s Chambers“ zieht ein fieser, Frösteln machender Nebel auf und will sich nicht wieder verziehen. Immerhin gibt sich der oft ja recht wortkarge Caleb Followill redselig und rockt die Chose nicht ganz so routiniert und abgeklärt herunter wie zuvor Franz Ferdinand. Alex Kapranos‘ Ansagen in breitem Schottisch versteht noch dazu kein Mensch.

Da hätte er sich mal ein Beispiel an den glasklar trällernden Fleet Foxes nehmen sollen. „Sun Giant“ singen die Bärtigen um Robin Pecknold so perfekt und deutlich, dass sich sogar die Verheißung im Songtext („What a life I lead when the sun breaksfree as a giant tornjrom the clouds“) erfüllt. Beängstigend umwerfend – ganz im Gegensatz zu den Steh-Elektronikern von Kraftwerk. An den hinter ihren Laptops verschanzten Audio/Video-Operatoren sowie den SOer-Visuals hat man sich – Sensation hin oder her – schnell sattgesehen und -gehört. Ein am Sonntag um 12 Uhr mittags auflärmender Geheimtipp hätte dagegen ruhig mehr Spielzeit bekommen können: The Horrors mit ihrem irren Frontstarrer und Adrian-Brody-Lookahke Fans Badwan teilen so mächtig mit der Noise-Kelle aus, dass die rund 500 aus den Schlafsäcken gewälzten Zeugen bereits früh am Tag vollends bedient waren.