Das große Ä – Z über Die Ärzte
Von Ärztivals bis „zwei fickende Hunde“: Linus Volkmann hat für Euch das Ä-Z der Die Ärzte zusammengestellt – und auf den neuesten Stand gebracht. Hell yes!
Ä
Ärztivals
Eine eigene Festivaltour? Nun ja, wenn man gern reist … Im Jahre 2013 jedenfalls taten sich Die Ärzte diesen logistischen Aufwand an. Als ihre Gäste waren unter anderem mit dabei: Kraftklub, The Damned, Donots und LaBrassBanda.
B
„Bombenhagel“
Mit dem ersten Stück auf Deutsch begründet die Thrash-Metal-Band Sodom eine lange Tradition. Seitdem mogeln sich immer mal wieder deutsche Texte ins Werk von Tom Angelripper. Für „Ausgebombt“, die erste Fortsetzung zu „Bombenhagel“, steuert Bela B 1989 Background-Vocals bei – und adelt damit das Ruhrpott-Trio, das damals selbst in der Metal-Szene oft unter dem abschätzigen Namen „Saudumm“ geführt wurde.
C
Charts
Bevor das erste Ärzte-Studioalbum die Spitzenposition der Charts einnimmt, müssen 16 Jahre Bandgeschichte vergehen. 1998 erreicht Platte 13 Platz 1. Von nun an wird dies mit jedem Studioalbum erneut gelingen.
D
Doppelalbum
Mit GERÄUSCH hatten sie 2003 ihr erstes Doppelalbum vorgelegt – und 15 Jahre zuvor das Livealbum NACH UNS DIE SINTFLUT im vogelwilden Dreifach-12’’-Vinyl-Format (plus Bonus-7’’). Das keine elf Monate nach ihrer Comeback-Platte HELL im September 2021 erschienene DUNKEL komplettiert den Vorgänger zwar nicht zum Doppelalbum im klassischen Sinne, schließlich gibt es auch inhaltlich keinerlei Bezüge zueinander. Doch eine ebenfalls im Handel angebotene DUNKEL-Fassung mit Schuber ließ dort auch Platz für HELL. Und ja, die beiden Namen legen ja auch eine gewisse Zusammengehörigkeit nahe.
E
Ein Song namens Schunder
„Immer mitten in die Fresse rein“: Diese Zeile hat jeder im Ohr, doch wer oder was ist eigentlich Schunder? Ein Tourbegleiter der Ärzte, in den 90er-Jahren gehört er zum Tross. Seine mit diesem Song für alle Pop-Zeiten verewigte Legende besagt, dass er sich in der Konfrontation mit Nazis nicht unbedingt aufs Reden beschränkte.
F
Frauen
Hannelore, Erna, Gwendoline, Anneliese, Elke, Gabi, Claudia, Jutta, Teresa, Grace Kelly, Madonnas Dickdarm und das Mädchen mit den Latzhosen: Frauen spielen im Werk der Berliner Jungsclique von jeher eine wichtige Rolle, meist fungieren sie als Adressatinnen der punk-poppigen Minne. Doch es geht auch anders: Das Farin Urlaub Racing Team, also die Backingband für die Soloausflüge des Gitarristen, besteht ausschließlich aus Musikerinnen.
G
Gagmaschine
„Das Beste am ganzen Tag, das sind die Pausen“, postulierte schon Roy Black – und das weiß auch der erfahrene Besucher von Ärzte-Konzerten. Die Pausen zwischen den Liedern werden je nach Laune mit kurzen bis hin zu epischen Anekdoten gefüllt. Auf dem Triple-LP-Abschieds-Live-Album NACH UNS DIE SINTFLUT (1988) gönnt die Band ihren Sprüchen eine ganze Plattenseite. Teilweise Comedy-Gold!
H
Hörbücher
Es gibt zwar keine Filme von Pixar, in denen Die Ärzte wie Die Fantastischen Vier tierische Sidekicks synchronisieren, doch tauchen die Stimmen der Berliner immer mal wieder überraschend in Low- bis No-Budget-Indie-Produktionen auf. Farin Urlaub ist beispielsweise Sprecher bei der Hörbuchversion von „Wo die wilden Maden graben“, dem Indieverlag-Debüt von Ex-Muff-Potter-Sänger Nagel. Bela B hört man unter anderem auf einer noch weit kleineren Produktion: Abel Gebhardts „Ein Goldfisch in der Grube“. Für die ausgesprochen unkommerzielle Haltung genießt die Band immer noch den Respekt einer Punkszene, die ansonsten mit der poppigen Musik schon lange nichts mehr anfangen kann.
I
„I Hate Hitler“
Die Ärzte sind Meister der Verkürzung: Auf ihrer EP „1, 2, 3, 4 – Bullenstaat!“ (1995) befindet sich dieser Song, der abzüglich des Gitarrenstimmens und der Ansage auf eine Nettospielzeit von acht Sekunden kommt. Damit unterbietet „I Hate Hitler“ beinahe die sieben Sekunden von „Claudia Teil 95“ auf DIE BESTIE IN MENSCHENGESTALT (1993).
J
Joe
Zum letzten Album AUCH gibt es im Ärzte-Thinktank folgende Idee: Die Platte unter anderem Namen rausbringen! Als Laternen-Joe. Vor dieser ultimativen Verwirrung, die vermutlich auch viele verkaufte Einheiten gekostet hätte, schreckt man dann aber doch zurück. Die Nummer wird auf eine EP („Die Ärzte vs. Laternen-Joe“) und etliche Geheimkonzerte unter dem Namen eingedampft.
K
Konzeptalbum
Konzeptalben bleiben meist dem Metal vorbehalten und scheitern gern am selbst verschuldeten Pathos. LE FRISUR (1996) beweist dagegen, dass das Prinzip an sich doch funktionieren kann. Eine ganze Platte über Haare? Dass sie mit dieser Unsinnsidee nicht baden geht, ist in den 90ern eine echte Machtdemonstration der „besten Band der Welt“.
L
Lügenpresse
Der Ärzte-Song „Lasse redn“ pointiert und demontiert 2008 das Prinzip „Bild“-Zeitung auf folgenden Vierklang: „Angst, Hass, Titten, Wetterbericht“. Doch das Imperium schlägt zurück. Es geschieht, als die schwarz- braune Schlager-Cartoonfigur Heino fünf Jahre später MIT FREUNDLICHEN GRÜSSEN veröffentlicht. Dort covert Heino Schlagerfernes, so auch „Junge“ von den Ärzten. Doch erst der via „Bild“ befeuerte Skandal, diese wären darüber empört, wollten gar dagegen vorgehen, lässt die Platte größere Wahrnehmung erzielen. Dass die Band nichts dergleichen im Sinn hat, spielt in der hämisch geführten Diskussion danach keine Rolle mehr.
M
Metal
Das Genre wird immer wieder veralbert, zum Beispiel in „Captain Metal“. Dennoch bewegen sich die Soloprojekte nach dem Ärzte-Split, also S.U.M.P., King Køng und Depp Jones, sehr nah und unironisch am harten Gitarrensound. Von Zuschauererfolgen wurden diese größtenteils englischsprachigen Heavy-Exkurse nicht gekrönt.
N
Nichtraucher
Die Ärzte zu Besuch in einem Vorort von Köln, sie geben Interviews zum Album AUCH. Hier wird auch die Sendung „Roche & Böhmermann“ aufgezeichnet. Farin Urlaub ist als Gesprächsgast eingeladen, entscheidet vor Ort allerdings, nicht mitzumachen. Begründung des Abstinenzlers: In der Sendung darf geraucht werden.
Ö
Öde
In dem Stück „Langweilig“ von PLANET PUNK (1995) verewigt Farin Urlaub seine Aversion gegen das TV-Programm. „Will nicht fernsehen, das ist öde.“ Seine Erfahrungen mit dem Thema an sich dürften allerdings überschaubar sein, schließlich hat er nie einen Fernseher besessen.
P
Paul
Das üppige Ärzte-Universum befeuert auch immer wieder seine eigenen Insider-Gags. So erreicht man die Website der Ärzte bis heute unter der URL www.bademeister.com, was auf den Song „Paul (Der Bademeister)“ vom Album DEBIL (1984) zurückgeht.
Q
Quark
Auf der B-Seite von „Quark“ geben sich Die Ärzte besonders viel Mühe, auch solchen zu produzieren, und gönnen ihrem Uralt-Hit „Anneliese Schmidt“ eine sehr wörtlich übersetzte englische Version. Sie trägt den Titel „Analyzer Smith“.
R
„Richy Guitar“
Dass der Film von 1985 mit den Ärzten als Darstellern Kult ist, spricht sich auch bei der Filmfirma rum. Die Folge: „Richy Guitar“ ist bis heute Grabbeltischware. Das Ankaufportal „Momox“ bietet dem stolzen Besitzer 15 Cent für die Übersendung der DVD. Wertsteigerung geht anders …
S
Schallfolie
Der Oktoberausgabe 1986 des „Musikexpress“, damals noch mit dem Zusatz „Sounds“, lag eine Schallfolie mit einem zehnsekündigen Intro, gefolgt von drei Exzerpten des damals neuen Albums DIE ÄRZTE bei, darunter auch vom Skandalsong „Geschwisterliebe“, der Ende Januar 1987 indiziert wurde. Exakt 35 Jahre später setzte die Band diese hübsche Tradition fort und reichte uns zum Oktoberheft 2021 eine Flexi-Disc mit dem Song „Abends Billy“, einer exklusiv neu eingespielten Rockabilly-Version ihres Hits „Morgens Pauken“. Die Zeitschrift „Visions“ erschien parallel dazu mit der Fassung „Abends Skanken“.
T
Treue Freunde
Peter Baumann von den Beatsteaks bekommt im Auto ein Stück vorgespielt. Farin Urlaub präsentiert ihm „Unrockbar“ (2003), darin wird Baumanns Band namentlich gehuldigt. Seine Reaktion im Wagen: „Ach du Scheiße! Kneif mich mal jemand!“
Ü
Ümlaut
Nicht nur das Ä hat es den Ärzten angetan, immer wieder spielen Vokale mit zwei oder gar drei Pünktchen eine Rolle in ihren Titeln. Auch solo will Farin 1989 nicht vom Prinzip des Alphabet-Sonderlings lassen: Das skandinavische Ø verziert den Namen seiner Soloband King Køng.
V
Verpisst Euch!
„Besucher, die als Nazis bekannt sind oder sich durch das Tragen von Nazi-Emblemen oder Fascho-Bands unbeliebt machen möchten, werden umgehend des Saales verwiesen und erhalten Hausverbot.“ So deutlich positionieren sich Die Ärzte bereits 1994 auf ihren Konzerttickets gegen rechts.
W
„Wir warten auf die Lindenstraße“
Der im Herbst 2016 verstorbene Mietbassist Hagen Liebing huldigt 1989 mit dieser Compilation seiner Lieblingssendung. Bei seinem eigenen Beitrag zum Album unterstützen ihn seine Exkollegen. Das „Featuring The Incredible Hagen“ der Ärzte-Platten wird hier umgedreht. „Featuring Jan Vetter und Bela B“, heißt es daher beim Stück „Requiem für Nossek“.
X
X-mal dasselbe
Rockband sein heißt: wiederholen! Die Ärzte versuchen immer wieder diesem Imperativ ein Schnippchen zu schlagen – und variieren live gern auch mal Textzeilen. Den Gipfel der Variationslaune stellt allerdings die „Economy“- Version ihres Albums JAZZ IST ANDERS (2007) dar. Aus „Löcher in der Hose“ des Hits „Junge“ werden in einem improvisiert wirkenden Textvortrag „Löcher in der Wand“. Urlaub kann dabei selbst vor Lachen kaum an sich halten. Es gilt: Amüsiert sich der Künstler, freut sich der Fan.
Y
Yoko Ono
Für die Künstlerin hat man wenig übrig. Sie fungiert bei den Ärzten bloß als sinnbildlicher Störer der Jungsblase. „Du nervst noch mehr als Yoko Ono“, heißt es folgerichtig in dem Stück von 2000, das ihren Namen trägt. In einem Interview zum Rausschmiss von Bassist Sahnie beklagt sich Bela übrigens bereits zehn Jahre zuvor, jener habe durch eine eigene Yoko Ono das Bandgefüge strapaziert.
Z
Zwei fickende Hunde
Das Leben der Ärzte ist mit Nebenprojekten gepflastert, die sich oft mit absurden Namen schmücken. Rod und Bela taten sich unter anderem als Zwei fickende Hunde zusammen. Na dann: Wuff, wuff!
Diese Liste erschien erstmals in der Musikexpress-Ausgabe 12/2017 und wurde nun aktualisiert.