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Das sind die 100 besten Songs aller Zeiten


Spoiler: Die Beatles haben es nicht auf den ersten Platz geschafft!

Es ist Jubiläumszeit! Vor genau zehn Jahren, 2014, wählte unsere prominente zigköpfige Jury aus Musiker:innen wie etwa Lana Del Rey, Mark Lanegan, Danger Mouse, Marteria, Thees Uhlmann und Judith Holofernes sowie aus Autor:innen, Journalist:innen und Fachleuten von anderen Magazinen, Tageszeitungen, Radiosendern und Plattenlabels die besten 100 Lieblingssongs aller Zeiten. Vorhang auf für diese zeitlosen Klassiker!

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Wir haben gewählt: Das hier sind die 100 besten Songs aller Zeiten

100. Hot Chip – „Over And Over“

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Vom zurückgelehnten Electro-Soul der Vorgängerplatte blieb wenig übrig. Es möge getanzt werden! Grund genug, in „Over And Over“ mit den Erwartungen zu spielen. „Laid back? / I’ll give you laid back!“, heißt es da, während ein repetitiver Groove, schrille Gitarren und ein sich ins Gehör verankernder Refrain dafür sorgen, dass im (hier den Namen deines Heimatclubs einsetzen) auch heute noch die DJs nach der Platte greifen. Und für den nächsten Buchstabierwettbewerb ist besonders das Ende ein gutes Training: k-i-s-s-i-n-g-s-e-x-i-n-g-c-a-s-i-o-p-o-k-e-y-o-u-m-e-i.

99. The Byrds – „Eight Miles High“

Tatsächlich handelt der Song vom Flug über den Atlantik und der Ankunft im verregneten London, doch US-Sender vermuteten Drogenpropaganda und boykottierten das Stück. Die stilprägende Gleichung lautet: Folkrock plus fernöstliches Flair plus solistische Jazz-Fragmente = „Eight Miles High“.

98. The Beatles – „Helter Skelter“

Die Musik der Beatles galt 1968 als poppig, kunstvoll und innovativ, für die härtere Gangart waren andere zuständig. Bis ausgerechnet McCartney, gerne als Balladenschreiber belächelt, mit diesem Stück Proto-Heavy-Rock um die Ecke bog. Klassischer Rock & Roll ist die Basis, doch Pauls Gesang an der Schreigrenze, die sägenden Gitarrenfragmente, druckvollen Läufe und der archaisch rollende Beat klingen wie eine Steilvorlage für Led Zeppelin.

97. The Supremes – „You Can’t ­Hurry Love“

Irgendwie beruhigend, dass die echte, die große, die erfüllende Liebe manchmal auch bei einem so zauberhaften Geschöpf auf sich warten lässt. Oder? Sehr viel runder jedenfalls ist die riesengroße Täuschungs- und Hoffnungmachmaschine Pop nicht mehr gelaufen. Das perfekt gespielte Seufzen der damals schon mit Berry Gordy verheirateten Diana Ross. Der markante Tamburin-Beat (siehe auch Iggy Pops „Lust For Life“) der Hit-Garanten Holland/Dozier/Holland. Diese unfassbar catchy Hook. Wer da nicht tröstend den Arm umlegen mag, tritt bestimmt auch Katzenbabys.

96. Simon & Garfunkel – „The Sound Of Silence“

Die ursprüngliche Albumversion – und für echte Fans zählt natürlich nur die ursprüngliche Albumversion – ist der Inbegriff von Paul Simons Kunst, große Themen mit kleiner Geste zu riesengroßen Songs zu verarbeiten. Die zarte Naivität in den Zeilen des damals kaum 20-Jährigen aus New Jersey, der versucht, ein weltgeschichtliches Ereignis wie die Ermordung John F. Kennedys in seinen Kosmos zu holen, um damit in den Folkclubs der großen Nachbarstadt zu bestehen, ist in ihrer Aufrichtigkeit eher rührend, als dass sie störte.

95. Sonic Youth – „Teenage Riot“

Die Geschichte des Alternative Rock lässt sich einteilen in eine Zeit vor „Teenage Riot“ und in eine Zeit danach. Der erste Song auf Daydream Nation markiert die Zäsur. Die New Yorker Noise-Terroristen lassen ihre Sperrigkeit hinter sich und gießen ihre Innovation und dröhnende Feedbacksalven in ihren ersten Popsong: Er öffnet Nirvana Tür und Tor, er ermöglicht 1991 –  the year that punk broke, er läutet die aufregendste Phase der Rockmusik seit den Siebzigern ein. Und er ist immer noch ein Wahnsinnssong, der sich null abgenutzt hat.

94. Love – „Alone Again Or“

Dieser Song ist einer von wenigen, die Arthur Lees Sidekick MacLean für Love schrieb, aber gehört als Opener ihres Meisterwerks FOREVER CHANGES heute zu ihren bekanntesten – und zu ihren schönsten obendrein. Die damals ungehörte Mischung aus barocker Melodik, Mariachi-Elementen, Streicher-Pomp, quasi-punkigem R’n’B und folky Psychedelia klingt noch immer wie aus einer anderen Wirklichkeit eingeflogen. Lee ließ seine Zweitstimme lauter, MacLeans Leadgesang hingegen kaum hörbar in den Hintergrund mischen und benannte das Stück um (ursprünglich hieß es „Alone Again“), um es sich und seiner Vision von Love zu unterwerfen. Mac­Lean verließ die Band 1968, frustriert von der Nicht-Karriere und heroinabhängig. In den 70ern von einem Erweckungserlebnis „errettet“ (von derselben Gruppierung, die auch Bob Dylan in die Arme des Chris­tentums trieb), veröffentlichte er Musik mit christlich-spiritueller Ausrichtung und betrieb sogar kurz einen christlichen Rockclub in Beverly Hills. Um das Drama zu erfassen, das Love letztlich zerriss und künstlerisch so aufregend machte, aber auch ihre Grandezza und ihre Wirkkraft auf Generationen von späteren Bands, ist dieser traumhafte Song perfekt.

93. Suicide – „Cheree“

Mit derselben Haltung wie zehn Jahre zuvor The Velvet Underground und ebenso in New York zwischen seedy back alleys und High Art, aber mit den der Zeit entsprechenden neuen Mitteln erfanden Suicide einen Sound, der weit mehr Einfluss als kommerziellen Erfolg haben würde. Geschult an der Melodik und Dramatik von frühem Rock & Roll, ist „Cheree“ unverstellt ein Rip-off von Serge Gainsbourgs und Jane Birkins „Je t’aime … moi non plus“ (  198), verpflanzt in die unheilvolle Kulisse von Minimal-Elektro und verzerrter Orgel. Bedrohlichster Lovesong der Welt.

92. The Smiths – „This Charming Man“

Seit 30 Jahren wird über die sexuellen Präferenzen von Steven Patrick Morrissey diskutiert. Dabei handelt „This Charming Man“ , die zweite Single der Smiths, von einem jungen, aber mittellosen Radfahrer, der nach einer Panne von einem älteren, reichen, charmanten Autofahrer aufgelesen wird – und in arge Versuchung gerät. Starke Gitarre, leidenschaftlicher Gesang und ein Text, der auf gehobenes Englisch setzt. Swell, my dear …

91. Public Enemy – „Fight The Power“

Keine Millionen können Public Enemy mehr aufhalten: Was Rosie Perez da abzieht, ihr Schattenboxen, am Anfang von Spike Lees Film „Do The Right Thing“, während sich das Beatgeschwader des Bomb Squad wie Schockwellen ausbreitet, ist ein Kriegstanz. Chuck D hält als Richard III des HipHop die Kampfrede dazu: Elvis war ein „straight up racist“! Heilige Kühe werden geschlachtet. Nimm das, White America! Malcolm X oder Martin Luther King? Das fragt Spike Lees Film. Public Enemy geben ihre Antwort, bevor er angefangen hat: Rebellion ohne Pause im Kampf gegen die, die an der Macht sind!

90. Peter Gabriel & Kate Bush – „Don’t Give Up“

Gabriels Plan klang spannend: Er wollte sein Duett, in dem ein verzweifelter Mann im Refrain Hoffnung von seiner Duettpartnerin zugesprochen bekommt, gemeinsam mit der Country-Nationalheiligen Dolly Parton singen – ganz bewusst in der Tradition amerikanischer Volksmusik. Die ersten Zeilen sprachen für sich: „In this proud land we grew up strong / We were wanted all along.“ Parton sagte ab. Aber wer wollte von einem Kompromiss sprechen, wenn Kate Bush den Trost singt: „Don’t give up / You still have us“?

89. Noir Désir – „Le vent nous portera“

Die Sprache ist gar nicht so wichtig: Man versteht auch ohne Französischkenntnisse, um was es in diesem Song geht: um das Sich-treiben-lassen, um die Liebe, um die Vergänglichkeit. Die Klarinette spielt ein wunderbares Solo, Manu Chao die Gitarre, und auch wenn man damit üble Klischees bedient: Das hier klingt nach zwei  Gläsern Rotwein, ein paar Zigaretten und einem warmen Sommerabend.

88. Bob Dylan – „Tangled Up In Blue“

Der Klang eines gebrochenen Herzens – nichts anderes ist BLOOD ON THE TRACKS, das schmerzlichste, zynischste, anrührendste und – ja – wundervollste Trennungsalbum überhaupt. Eine „Erzählung über den Krieg eines Abenteurers mit seiner Frau“, nannte der Kritiker Greil Marcus diesen Songreigen, der mit „Tangled Up In Blue“ beginnt, dessen geradezu labyrinthische Lyrics inklusive diverser Perspektivwechsel von einer hinreißenden, im lässigen Folkrock-Modus gespielten Melodie kontrastiert werden. Das häusliche Glück ist passé, der Drifter ist zurück auf der Straße, „headin’ for another joint“.