Stefan Remmler
Da, da, da. Mit minimalen Mitteln zum maximalen Erfolg. Durch Originalität, Arme-Leute-Charme und intellektuelle Tiefstapelei gelang den Galgenvögeln aus Großenkneten, f was teutonischem Tiefsinn stets mißglückte: Durchbruch auf der ganzen Linie. Stefan Remmler, geistiger Motor des friesischen Dreitakters, ließ sich im ME/Sounds-Interview in die Karten schauen.
ME/Sounds: Ihr habt euch vor kurzem für einige Zeit abgeseilt und m der Schweiz mit der Vorbereitung eurer nächsten LP begonnen, die im September veröffentlicht werden soll. Wie arbeitet das “ Trio“?
Remmler: „Wir haben uns in die schweizerische Einöde zurückgezogen, weil das bei uns zuhause in Großenkneten doch recht businessmäßig geworden ist. Das Haus in der Schweiz war sehr schön, sehr einsam; wir haben unser Ministudio aus dem Keller dort hintransportiert und sieben Stücke bis zur Studioreife vorbereitet. Wir sind gerade dabei, diese Songs aufzunehmen, und im Sommer kommt dann noch mal ’ne Phase mit weiteren fünf, sechs, sieben Stücken.“
ME/Sounds: Sind zuerst die musikalischen Ideen da, oder geht das Hand in Hand mit dem Text?
Remmler: „Meistens ist zunächst ein Riff da, und dann folgt der Prozeß, durch den es zu einem Stück wird, das zu allen „Jahreszeiten“ paßt. Wenn der Song entsteht, ist es sagen wir mal – Mittwochnacht um zwei. Vollmond. Er soll jedoch allen Situationen ge recht werden, nicht nur Mittwochnacht, son dem auch Sonntagnachmittag und Dienstagvormittag und Freitagabend. So bearbeiten wir ihn.
Wir wollen der Gefahr entgehen, daß wir selber unseren Billig-Sound zum Gag reduzieren und uns darauf ausruhen. Ich glaube, diesen gewissen Arme-Leute-Charme, den das erste Album bietet, können wir nicht ewig bringen.
Nach einer gewissen Zeit muß man was vorlegen, das jenseits einer zufällig glücklichen Zeitströmung liegt – ein wirklich bearbeitetes Produkt, ohne sich darauf auszuruhen: „Wir machen was, das zufällig alle toll finden.“
ME/Sounds: Eure erste LP ist gut angekommen, weil sie etwas Neues bot und trotz des Minimalkonzepts einen starken Croove hat. Aber was kann danach kommen. Die Nachfolge-Single „Anna“ war „Da Da Da“ doch relativ ähnlich.
Remmler: „Ich finde, „Anna“ ist anders als „Da Da Da“. „Anna“ ist rockiger, und wir haben „Anna “ absichtlich nicht so ähnlich wie „Da Da Da“ produziert. Minimal und mit klaren „Hook-Lines“ wird die nächste LP auch werden, so ist unser Kompositionsstil. Wir können nicht mit einem Mal wie Ultravox oder Styx komponieren. Wir schreiben einfache Lieder mit klarer „Hook-Line“, Strophe, Refrain.
Wir wollen nur nicht mehr auf diesem ärmlichen Sound herumreiten. Ansonsten sind natürlich schon Grenzen allein durch die Dreierbesetzung Gitarre, Schlagzeug, Gesang gesetzt. Was willst du hören, soll die nächste LP klingen wie Johnny Cash?“
ME/Sounds: Es gibt Leute wie Elvis Costello, der in Nashville ein Country-Album aufgenommen hat, oder Ian Dury, der auf den Bahamas eine Disco-LP eingespielt hat. Könnt ihr euch solche Exkursionen vorstellen?
Remmler: „Als ganze LP sicher nicht. Möglich wäre höchstens so etwas wie das weiße Beatles-Album, wo Stücke verschiedenster Couleur drauf sind. Das wäre das Weitestgehende.
So etwas Ahnliches gibt es schon auf der nächsten LP. Mit der Nummer, die wir schon bei Eberhard Schoeners Klassik-Rock-Nacht in München gespielt haben, sind wir über Weihnachten für zehn Tage in Hollywood im Studio gewesen. Wir haben diesen Song dort mit Streichern und Chor produziert.
Folgendes ist übrigens wirklich wahr: Wir waren Heiligabend in dem Studio, in dem Bing Crosby „White Christmas“ aufgenommen hat. Deshalb ist unser Stück auch so weihnachtsmäßig geworden, daß wir es jetzt nicht ‚rausbringen. Das heben wir uns auf bis Weihnachten.
Ansonsten wird die neue LP mehr Keyboards enthalten – sofern man den „Casio“ als so etwas zählen kann. Es wird wahrscheinlich alles etwas größer, breiter klingen. Wir haben jetzt zum Beispiel die Single „Bum Bum“, die ist ein bißchen heavy, ein bißchen hardrockig – also härter als das, was die Hausfrauen an „Da Da Da“ mögen. Und dann sind da außerdem schon mal Effekte, die 1 nach Funk klingen.
Unser Prinzip war immer, daß wir das machen, was wir zur Zeit sind. Insofern wäre es gelogen, wenn wir uns bemühen würden, daß alles so ist wie die erste LP. Das wäre nicht stimmig. Genauso, wie wir uns bei der ersten LP nicht Mühe gegeben haben, irgendwie anders zu sein, sondern es war der Ausdruck dessen, was wir in Großenkneten schon live gemacht hatten.“
ME/Sounds: Live ist das „Tno“ ziemlich einzigartig, das beweist auch eure gelungene Live-Cassette. An die Form der Konzerte aus dem vergangenen Jahr anzuknüpfen, dürfte mindestens genauso schwer sein wie die Produktion der zweiten LP. Gibt es schon konkrete Pläne für eine neue Tour?
Remmler: „Erst mal ist das zeitlich überhaupt nicht drin, darüberhinaus — irgendwann wird es ja mal kommen – gibt es Sachen, denen wir uns stellen müssen: Wir haben so ein breites Publikum gekriegt, daß uns wahrscheinlich auch Taxifahrer und Hausfrauen sehen wollen. Und die würden wir mit unserem alten Programm sicher nicht gut bedienen.
Im Fernsehen haben wir es geschafft, daß wir sowohl die „Szene“ ehrlich bedienen können als auch die Leute, die gar nicht wissen, was Rock’n’Roll ist, die aber trotzdem ihre Freude haben. Wie wir das auch live erreichen können, ist eine schwere Frage.“
Kralle: „Du hast ja bei der „Grünen Raupe“ gesehen, wie „Anna“ abgegangen ist – mit einer Amateurband und mit den Girls, die nicht geübt haben. Ich könnte mir schon vorstellen, daß wir live vielleicht mit mehreren Leuten spielen.“
Remmler: „Wir haben eben unten in der Hotelhalle Harald Juhnke getroffen. Der hat Peter in München schon mal gesagt: „Ihr kommt in meine neue Show.“ Ich steh‘ da drauf. Wir bringen da unsere Mucke; wir machen nicht irgendwie was Neues, nur wegen Juhnke. Wir machen unsere Mucke, zu der wir stehen, und trotzdem kriegt das dann sowas, daß meine Mutter das auch gut findet. Und wie uns das live auch gelingen könnte, weiß ich noch nicht.“
ME/Sounds: Wenn man euch mehrere Male sieht, fällt einem auf, daß nur wenige der Sprüche spontan sind. Vieles ist einstudiert.
Remmler: „Bei der Spontaneität gilt das gleiche, was wir vorhin zum Stückeschreiben gesagt haben. Die Sprüche entstehen alle spontan; einer macht einen Witz, der dann aufgepickt wird. Beim Üben und beim Spielen läuft ein Prozeß, daß einige Sprüche ‚rausfliegen, die nur in der Situation witzig waren, und andere bleiben drin. Hinter so einer Show steckt sehr viel Arbeit.“
ME/Sounds: Du hast, glaube ich, früher mal gesagt, daß Ihr Ideologie mit Unterhaltung verbinden wollt…
Remmler: „So war’s nicht. Wir wollen nicht Ideologie mit Unterhaltung verbinden. Aber normalerweise kommt alles, was Unterhaltung heißt, aus einer anderen ideologischen Ecke. Wir machen wohl Unterhaltung, aber wir kommen ideologisch aus der wachen, kritischen Ecke.“
ME/Sounds: Die meisten Leute – auch viele aus der Musikbranche – halten euch für eine reine Blödel-Band. . .
Reminier: „Das glaube ich nicht, aber selbst, wenn: Das ist für mich kein Mangel, sondern ’ne Qualität von uns, daß wir die Sache von privaten Dingen säubern. Und zwar so weit, daß etwas überbleibt, das verschiedenste Leute aufgrund ihrer eigenen unterschiedlichen „Expenence“ anders auffassen können.
Wenn die Jungs vom Hotel, die sich eben unten die Autogramme geholt haben, das anders auffassen als der Schreiber von der „ZEIT“, dann ist das für mich ein Plus. Jedenfalls besser, als wenn ich jetzt in die Küche gehen und mit denen mal reden würde: „Du, in Wirklichkeit muß man das doch anders sehen …“
ME/Sounds: Besteht für dich die Kunst dann, textlich den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden?
Remmler: „Das ist nicht mein Ansatz. Wenn es darauf hinausläuft, dann meinetwegen.
Das ganze kommt von unserer Entwicklung her, daß wir diese Selbstwichtigkeit des Rock’n’Roll nicht mitmachen, wenn da zum Beispiel ein Heavy-Metal-Typ steht und so tut, als hätte er jetzt im Augenblick seinen einzigen Orgasmus. Wir distanzieren uns selber und tun nicht so, als würden wir jetzt gerade abfahren wie doof. Das sehe ich als eine Ehrlichkeit an …“
Kralle: __ für uns, bei „BAP“ kommt das ja an – ich find‘ die auch gut.“
Remmler: „Die sind auch ehrlich, aber unser Stil liegt darin, daß wir Sachen ‚rausstreichen, die zu privat sind. Und daher kommt das wohl, daß ein kleiner gemeinsamer Nenner übrigbleibt, wo verschiedene Leute sich einklinken. Ich würde es einfach für arrogant halten, wenn ich wichtig darüber schreiben würde, wie ich Mittwochabend um halb zehn den Blues habe.“
ME/Sounds: Aber ich habe trotzdem das Gefühl daß ihr neben „Da Da Da“ eure andere Seite – die „Los-Paul“-Seite mit Texten, in denen auf einer anderen Ebene mehr Aussage steckt – relativ wenig nach außen präsentiert.
Remmler: „Das kommt durch die Singles, das ist klar-„
ME/Sounds: Ist das die einzige Einschränkung, bei der das Konzept hinter dem Kommerz zurückstecken muß?
Remmler: „Das ist so eine Eigendynamik, die nicht geplant ist. Wir waren immer unterwegs … schnell ’ne Single, das muß sein. Und ’ne Single hat halt ’ne eigene Gesetzmäßigkeit. Die kann nicht so aufgezogen sein wie ein Stück, das sich jemand in einer bestimmten Situation mal auf einer LP anhört. – Okay, wenn man jetzt nacheinander drei Singles von uns hört, dann gebe ich dir recht. Das ist halt ein oberflächlicherer Charakter, als wenn du dir eine ganze LP anhörst.“
Klaus Voormann: „Du kannst ja „Los Paul“ als Beispiel nehmen, da heißt es: „Du mußt ihm voll in die Eier hau’n.“ Eine Single mit diesem Satz drauf – die kannst du beinahe gleich in den Mülleimer schmeißen. Das wäre einfach dumm.“
Remmler: „Bei den Singles gilt es wie beim Fernsehen: Wir wollen diese ganzen Sachen nicht von vornherein nur Roland Kaiser überlassen, sondern auch auf dieser Schiene fahren, aber dann auch ’ne angetörnte Sache machen. Jetzt zu sagen, ich trete nur im „Rockpalast“ auf, und ich bringe keine Singles ‚raus, dann kann ich gleich zuhause bleiben und nur meine Bänder spielen.“
ME/Sounds: Du hast das Fernsehen angesprochen. Vor einem Dreivierteljahr zum Beispiel bei eurem ersten, mittlerweile legendären ZDF-Hitparaden-Auftritt, wurdet ihr noch als die Unruhestifter angesehen. Heute scheint das zahmer geworden zu sein.
Re / mmler: „Bei der ersten Hitparaden-Geschichte haben wir einen ganz normalen Act gebracht. Unruhe gestiftet hat es nur insofern, als das Umfeld dumm geguckt hat. Aber wir haben nicht damals absichtlich in die Ecke geschissen, um zu provozieren.
Ich glaube nicht, daß wir uns von Mal zu Mal anpasserischer verhalten. Das läuft eher I andersrum, daß die Medien nachziehen, daß das heute normaler ist.“
ME/Sounds: Beim ersten Mal im ZDF gab es abfällige Gesten in die Kamera, jetzt singt ihr einträchtig mit Leuten wie Lena Valaitis…
Remmler: „Da möchte ich noch mal rausstellen, daß wir die erste Band sind, die total live in der ZDF-Hitparade gespielt hat. Und da haben wir uns beim zweiten mal überlegt, was können wir machen, damit das nicht so ist wie letztes Mal. Jetzt dahin zu gehen und Heck in den Arsch treten zu wollen, das finde ich Scheiße. Dann soll man wegbleiben und sagen: „So ’ne Sendung mach‘ ich nicht!“
Aber innerhalb dieses Rahmens abgetörnt zu sein und sich schon zu unterscheiden von manchem anderen, dahinter stehe ich. Wir haben immer unser Ding durchgezogen, und das gefällt vielen Leuten. Und ich werde jetzt bestimmt nichts machen, nur damit der Taxifahrer zurückschreckt und nur sein Sohn das gut findet.“
ME/Sounds: Wie ist das eigentlich mit Nicole gelaufen? Bei ihrer neuen Single seid ihr als Background-Chor dabei.
Remmler: „Das war ein Scherz, der sich aus meinem „Wetten-daß“-Auftritt ergeben hat. Im Endeffekt haben wir’s dann gemacht, weil alle Welt denkt: „Das kann man doch nicht machen; mit Nicole, das geht doch nicht!“ Und genau deshalb haben wir mit ihr gesungen.“
ME/Sounds: Gibt es bei euch überhaupt eine Toleranzschwelle?
Remmler: „Wir wollen Platten machen, die – egal, ob sie nun bei Harald Juhnke präsentiert werden oder nicht – wir uns unter dem Kopfhörer anhören und dufte finden. Wenn wir eine Platte machen, die wir selber Scheiße finden, aber sagen: „Laß‘ mal machen, das wird’n Hit!“ – dann wäre die Grenze erreicht.“
ME/Sounds: Würdet ihr denn theoretisch im „ZDF-Magazin“ bei Gerhard Löwenthal auftreten?
Remmler: „Nee, da gehts ja in die Ideologie. Aber ich meine: Juhnke, das ist doch Entertainment, ich seh 1 das nicht so eng. Guck‘ dir mal so ’ne Sendung an wie damals „Musik ist Trumpf. Da hast du Rex Gildo,
Rudolf Schock; dann freust du dich doch, wenn mit einem Mal „Trio“ kommt.
Ich muß dazusagen, im Gegensatz zu manchen Leuten, die nur Rock’n’Roll gut finden, stehe ich sehr auf Bing Crosby und solche Sachen – tolle Mucke.“
ME/Sounds: Ihr habt schon bei Eberhard Schoener gespielt, mit Nicole gesungen und mit Ideal mal den Gitarristen getauscht, bei der Fernsehübertragung von der Verleihung der “ Goldenen Europa“.
Reminier: „Das stimmt, die ganze Sendung war irgendwie oberfaul. Da liefen so komische Details, und man wußte nicht, was los war. Das war so’n Aufbrechen, daß das nicht alles so läuft, wie die geplant haben.“
Kralle: „Eff-Jott Krüger und ich hatten getauscht, und die Moderatoren erfuhren von hinten ‚mm, daß irgendjemand vom Trio bei Ideal mitmachen wurde. Es kam also Ideal auf die Bühne – da war der Glatzkopf dabei, Ernst Deuker, der Ideal-Bassist; und die Moderatorin meinte: „Was willst du denn hier, du bist ja von Trio!“ Die wollte ganz schlau sein.“
ME/Sounds: Nehmt ihr sonst an vielen Sessions mit anderen Musikern teil?
Remmler: „Dafür ist Kralle zuständig. -Peter macht auch viele Sessions, Peter spielt immer.“
Klaus Voormaitn: „Wo ein Schlagzeug ist, spielt er. Egal, ob das ’ne Tanzband ist, oder ’ne Karnevalsband, ’ne Rockband oder ’ne Discoband. Meist ist das Publikum sehr erstaunt, wie gut er Schlagzeug spielen kann.“
Remmler: „Wir auch. — Also, bei mir laufen keine Sessions. Ich mit meinem reduzierten Gesangstil, ich kann mich ja nur auf eine bestimmte Weise in Szene setzen. Auf die Bühne kommen, „Do you feel alright? Let’s go!“, das geht ja nicht. Das mache ich höchstens mal mit Kralle.“
ME/Sounds: Wie bist du denn mit deinem „reduzierten Gesangstil“ überhaupt Sänger geworden?
Remmler: „Ich hab‘ früher anders gesungen, genauso wie Kralle früher auch die ganzen Soli gespielt hat. Das ist wieder ein Prozeß des Rausstreichens der privaten Wichtigkeit, daß man nicht jeden Kiekser als Kunst rüberbringt. Das ist alles wunderbar gewesen, wenn Otis Redding das gemacht hat. Aber der hat’s.
Klaus Voormann: „Das ist für mich einer der Gründe, warum gerade Schauspieler gerade beim Rock’n’Roll auf der Bühne nicht durchkommen, weil sie versuchen, was auszuschauspielern, was gar nicht da hinpaßt. Rock’n’Roll ist viel ehrlicher.“
ME/Sounds: Zu den Texten des „Trios“: Da wird viel über die sogenannte zwischenmenschliche Vergletscherung gesagt, wie ihr das auszudrücken pflegt – Sachen wie „Broken Hearts“, „Nasty“, „Ich heb dich nicht“. Es gibt kaum positive Songs. Stefan, bist du als Texter selbst „zwischenmenschlich vergletschert“?
Kralle: „Nun sprich ihn doch nicht auf seinen wunden Punkt an. . .“ (allgemeines Lachen“!
Remmler: „Dazu gibt es zwei Sachen zu sagen: Einmal sehe ich mich im Gegensatz zu manchen Hippiemäßigen Geschichten als jemanden, der nicht nur seine privaten Wehwehchen oder seine privaten Stimmungen mitteilt, sondern da habe ich schon irgendwie ein Niveau, daß ich glaube, ich drücke das aus. w.as sich im Zeitgeist tut.
Vom Zeitgeist her ist es so, daß ja die meisten Zweier-Beziehungen nicht glücklich sind. Zeig‘ mir ’ne funktionierende Zweier-Beziehung, das sind zwei im Vergleich zu acht, wo’s hakt. Das ist der eine Punkt, daß ich als Sprachrohr oder wie auch immer das schildere, was sich tut. Aber das ist noch gar nicht der Hauptpunkt.
Der andere Punkt ist der: Wenn ich ’ne glückliche Beziehung hab‘, dann fallen mir keine Lieder ein. Das genügt sich selbst, da brauche ich keine Lieder drüber zu machen. Da fahr‘ ich hin zu der Frau und bin happy im Bett, und gut. Aber bei den unglücklichen Sachen, da liege ich zuhause im Bett ohne die Frau und beiß mir die Nägel, und dann kommen die Lieder.
Man hat dann immer Hemmungen. Selbst wenn du so’n Text ‚rauslegst, und du liest ihn dann, hat man doch das Bedürfnis, durch eine Ironisierung eine Distanz ‚reinzubringen. Weil man doch ein-bißchen Hemmungen hat, sich so blauäugig hinzustellen und zu sagen, man ist glücklich. Ich meine, die erste Liebe ist ja nun schon lange her.“
ME/Sounds: Würdest du dich denn trotzdem als Optimisten charakterisieren?
Remmler: „Durchaus, ich bin kein Pessimist, durchaus nicht. – Es gibt ganz, ganz viel, wo ich sagen würde, das ist nicht in Ordnung. Aber sag‘ mir eine Sache, für die ich mich hinstellen und sagen würde: „Das ist die Sache, die ich powere. Die gibt’s doch nicht.“
Kralle: „Den Tod“!
Remmler: „Sagt er, deshalb schreibt er keine Texte. — Um nochmal darauf zurückzukommen: Kralle spielt bei der „Grünen Raupe“, das geht. Aber daß sich die ganze Band oder ich mich als Texter nun hinstellt und gesagt hätten: „Leute, wählt die Grünen!“ – obwohl die Grünen vielleicht noch eher als jeden anderen – das wäre nicht dringewesen. Ich weiß nicht, wofür ich mich wirklich hinstelle, vorbehaltlos. .
Die Sachen, die mich am Einschlafen hindern, oder die mir immer im Kopf herumgehen, das sind nie irgendwie Sachen wie: „Der saure Regen macht mich fertig!“ Das sind immer irgendwelche zwischenmenschliche, persönliche Dinge. Ich will nicht sagen, daß ich mir über alles andere überhaupt keine Gedanken mache und keine Stellung beziehe. Aber daß mir das so am Herzen liegt, daß daraus direkt eine Zeile wird, das sind nie so Sachen wie AKW oder saurer Regen. Darüber können wir uns unterhalten, aber es ist nicht so, daß mir dabei mein Dichterherz überquillt.“
ME/Sounds: Welche Beziehung hattest du eigentlich damals zum Lehrer-Job?
Remmler: „Ich habe mich als Lehrer an sich durchaus wohlgefühlt, ich hatte nicht wie mancher anderer mit ganz vielen Schwierigkeiten – mit der Klasse zum Beispiel – zu kämpfen. Aber es bleibt halt die Frage: Was soll das alles? Ob ich das noch zwei Jahre mache oder noch zehn oder fünfzig Jahre, irgendwie war da kein Biß hinter.
Bei dem, was ich jetzt mache, ist das der Fall. Ich hab‘ kein Privatleben mehr, und das ärgert mich nicht, weil ich das toll finde, was ich mache. Das ist mein Ding.“
ME/Sounds: Dabei muß dann natürlich das Verhältnis zwischen den einzelnen Bandmitgliedern stimmen.. .
Remmler: „Ich glaube, daß wir Drei uns in einer sehr guten Art ergänzen. Das ist eine Balance, in der jeder einen wichtigen Stellenwert hat. Peter bringt zum Beispiel alles auf ein normales Maß, möchte ich mal so sagen. Das, was Kralle sich jetzt bei den Grünen leistet, ein bißchen „Abfahren, und kommt nicht so drauf an“, das würden wir uns als „Trio“ nicht leisten. Und Peter ist eben ein Typ, der verhindert, daß da eine selbstgenügsame Abfahre stattfindet, die dann auch noch vom Drummer unterstützt wird. Der sorgt in der Weise dafür, daß es auf dem Teppich bleibt. Jeder drängt den andern in eine bestimmte Rolle.“
ME/Sounds: Verbringt ihr noch viel Freizeit zusammen?
Reminier: „Wir haben kaum noch Freizeit, und es ist auch nicht so, daß wir die jetzt noch gemeinsam verbringen. Eins ist zum Beispiel typisch: Wenn wir fliegen, sitzen wir nicht nebeneinander. Und ich glaub.e, das ist auch nötig. Das sind so Wohngemeinschaftserfahrungen, daß man sich langfristig besser verträgt, wenn man nicht dauernd aufeinander gluckt. Du wirst es bestimmt nicht erleben, daß wir wie Tick, Trick und Track gemeinsam frühstücken, und dann gemeinsam Fernsehen gucken…“
ME/Sounds: Nachdem ihr mit der Veröffentlichung eurer Telefonnummer auf Plattenhüllen viel Erfolg hattet, habt ihr nun auch eure Kontonummer bekanntgegeben. Wieviele „Spender“ haben sich gefunden?
Reminier: “ 100 Mark oder so sind zusammengekommen, es waren mal fünf Mark, irgendwelche Leute haben witzigerweise einen Pfennig oder mal 99 Pfennig überwiesen. Einer hat es sogar geschafft, ein bißchen Geld abzuheben.“
ME/Sounds: Um beim Geld zu bleiben: Nach dem internationalen Erfolg von „Da Da Da“ gab es Gerüchte, daß jeder von euch Millionär sei.
Remmler: „Ach, Scheiße… Unsere LP bekommt jetzt Gold, das sind 250.000 Stück! Im Vergleich zu Spider Murphy, BAP oder Ideal ist das nicht sensationell. Und bei der Single, die ja nicht mal ein Drittel des LP-Erlöses bringt, kriegen wir im Ausland eh nur die Hälfte von dem wenigen, das wir hier in Deutschland bekommen, und das dauert dann auch noch zwei Jahre. Vergiß 1 es.
Ich will nicht sagen, daß es nicht schön ist im Vergleich zu früher, Anfang ’81 haben wir noch für 500 Mark gespielt. Wir kommen heute noch lange nicht auf eine Million, und selbst die müßten wir im Falle eines Falles noch durch drei teilen.“
ME/Sounds: Plant ihr eine „kreative Expansion“, um es mal so auszudrücken? Ihr würdet in einem neuen deutschen Lustspielfilm mit Sicherheit besser am Platz sein als Nena oder Markus – vielleicht als „Die Drei von der Punk-Stelle?“
Remmler: „Da laufen viele Kontakte. Was mich im Augenblick noch mehr interessiert, ist eine Fernsehshow; wir führen da viele Gespräche.
Das ist natürlich eine Fortführung meiner Auffassung von Unterhaltung. Wir sind in der glücklichen Lage, daß wir mit unserer Rockmusik in Unterhal,tungs-Ebenen vorgedrungen sind, die dem Rock bisher nicht offen waren.“
ME/Sounds: Wie sind eure hervorragenden Videos entstanden?
Remmler: „Die haben wir selber gemacht. Das sind Ideen von uns Dreien; in der Realisation bin ich meistens vorn, weil ich mich mehr für Film interessiere als die beiden anderen. Wir haben unsere Ideen dann auf einem Freundschafts-Level mit Dieter Meier von Yello, der – wie Klaus auch – Erfahrung mit.Film hat, selber verwirklicht – auch selber geschnitten, alles.
ME/Sounds: Angesichts der Video-Qualität scheinst du viel ins Kino zu gehen. Magst du.,ET‘?
Remmler: „E.T. finde ich toll, der hat richtig mein Herz bewegt, ein ganz toller Film. Ein Unterhaltungsfilm, ohne daß man ideologisch ein Auge zudrücken muß – was ja häufig der Fall ist, daß es zwar ein guter Film ist, aber man muß über einiges hinwegsehen, so wie bei „Star Wars“. Da läuft einiges an faschistoiden Tendenzen. Bei „E.T.“ mußte ich mir solchen Ärger nicht verkneifen, ich habe mich wirklich wohlgefühlt.“
ME/Sounds: Kehren wir abschfießend noch einmal zum “ Trio“ zurück: Seht ihr es als eine schwere Bürde an, dem Erfolg von „Da Da Da“ auch in Zukunft gerecht zu werden?‘
Remmler: „Jeder, der ein bißchen Durchblick hat, muß sagen, daß „Da Da Da“ ein Phänomen ist. Das passiert einem einmal im Leben, und es wäre ausgeflippt, bei jedem weiteren Titel auch noch darauf zu hoffen. Wenn du als Musiker negativ-depressiv siehst, bist du selber schuld.
Ich seh‘ das eher so, daß wir froh darüber sein sollten, daß uns „Da Da Da“ so viele Türen geöffnet hat und daß es jetzt an uns liegt, in diese offenen Türen hinein was zu bringen. Das ist doch ’ne schöne Voraussetzung wenn man daran denkt, wie viele Leute immer vor verschlossenen Türen stehen und ihre Sachen nie zu Gehör kriegen…“