Dirty Projectors
5 EPs
Domino/GoodToGo (VÖ: 20.11.)
Eine Bandwerdung in fünf Schritten: mehrdimensionaler Artpop.
Dave Longstreth nennt die vergangenen Jahre seines Projekts Dirty Projectors die „Ivar-Shandor-Ära“: Wie der fiktive, vom Wahnsinn getriebene Architekt aus der Ghostbusters-Welt arbeitete Longstreth als Solokämpfer an seinem verdrehten Artpop. Vorausgegangen war das Ende der ursprünglichen Band, inklusive Trennung von seiner kreativen und persönlichen Partnerin Amber Coffman. Die zwei Alben aus dieser Phase, DIRTY PROJECTORS (2017) und LAMP LIT PROSE (2018), waren sicher nicht übel, jedoch baute Longstreth nun eben Produzentenpop.
AmazonDas organische und gemeinschaftliche Element, das die Großwerke der Band wie BITTE ORCA und SWING LO MAGELLAN ausgezeichnet hatte, war verloren gegangen. Mit einer aufwendigen Aktion hat Longstreth Band und Community nun wieder ins Leben gerufen: Übers Jahr verteilt erschienen fünf EPs, 20 Tracks hatten sich angesammelt, nun ergeben sie dieses Album. Was diese EPs nicht sind: Kleinformate mit einem guten und zwei, drei schwächeren Songs.
In jeder Veröffentlichung versteckt sich eine eigene Welt, was sich auch daran zeigt, dass Longstreth jeweils die Rolle der Lead-Vocals wechseln lässt: Jede der drei Musikerinnen aus der neu formierten Band übernimmt je eine EP, auf der vierten singt Longstreth, die fünfte wird zur stimmlichen Gemeinschaftssache. Das alles verbindende Album entwickelt sich dadurch zu einer abenteuerlichen Reise: Der Trip beginnt mit den entspannt-akustischen Artpop-Folk-Soul- Songs der „Windows Open“-EP, fabelhaft gesungen und mitgeschrieben von Maria Friedman, insbesondere „Overlord“ klingt schon jetzt wie ein Klassiker.
Die vier Stücke von „Flight Tower“ mit Felicia Douglass bieten verspielten Neo-Indie-R’n’B, Longstreth singt die intimen, mehrfach um die Ecke gedachten Jazz-Bossanova-Lieder von „Super João“ im Stil von Arthur Russell. Kurz klingt der Reigen nach Routine, doch dann wendet sich das Blatt: Für „Earth Crisis“ kramte Longstreth zwölf Jahre alte Orchester-Bearbeitungen von Tracks des Black-Flag-Debüts DAMAGED hervor und nutzte sie als Basis für neue Avantgarde-Kompositionen, denen Kristin Slipp vorsichtig ein wenig Pop-Appeal verleiht. Fehlt noch die Zugabe: Vier neue Dirty-Projectors-Songs, auf denen alle singen und die tatsächlich eine großartige Lebendigkeit ausstrahlen: Man denkt an Paul Simon und die Pixies mit akademischen Abschlüssen – was für eine großartige Zumutung!