Album der Woche

Beastie Boys

ILL COMMUNICATION (LIMITED DELUXE EDITION)

Universal (VÖ: 26.7.)

Jazz ist anders, HipHop und Alternative Rock sowieso: die Beasties in Bestie-Form.

Welch integraler Bestandteil der Popkultur „­Sabotage“, die Leadsingle aus dem vierten Album der Beastie Boys, auch Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung ist, konnte man zuletzt im Film „Star Trek Beyond“ sehen: Nachdem der junge James T. Kirk den brachialen Ein-Akkord-Rocker bereits in „Star Trek“ von 2009 während einer wilden Verfolgungsjagd im Auto (Referenz natürlich an das ikonische Video von Spike Jonze, eine ad absurdum getriebene Hommage an Polizeiserien der Siebzigerjahre) spielte, beschallte er nun, als erwachsener Kapitän seiner Space-Crew, eine Massenzerstörung feindlicher Drohnen mit dem Song. Ad-Rocks durch und Mark und Bein gehender „Whoaaaa“-Schrei kurz vor der Zweiminutengrenze wurde wohl nie spektakulärer in Szene gesetzt – außer vielleicht als eins der wenigen Highlights des unsäglichen „Woodstock 1999“-Festivals, als Keyboarder Money Mark dazu sein Instrument bestieg, um es danach – dem Songtitel alle Ehre machend – theatralisch zu zerdeppern.

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Die „Star Trek“-Referenzen sind ein feiner Zug der Filmemacher, wurden die Beastie Boys doch nie müde, ihre Verehrung für die Forschungsfahrten des Raumschiffs Enterprise unter Beweis zu stellen: Von der Drohung im 1998er-Hit „Intergalactic“, „Your knees’ll start shakin’ and your fingers pop / Like a pinch on the neck of Mr. Spock“, zum „Make Some Noise“-Clip, in dem Will Ferrell einen Cameo-Auftritt in einem Starfleet-ähnlichen Kostüm hat. Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200 … na ja, noch nicht ganz, aber mit 2024 sind wir immerhin schon in einer beträchtlichen Zukunft seit Release von ILL COMMUNICATION angekommen. 30 Jahre danach hat die Platte nichts von ihrer durchschlagenden Kraft verloren.

Ein Album wie ein zu Knochenbrüchen aller Art einladenden Abenteuerspielplatz

Wir befinden uns hier auf einem zu Knochenbrüchen aller Art einladenden Abenteuerspielplatz inmitten eines musikalischen Spektrums, dessen Grenzen nur verschwommen am Horizont zu erahnen sind. Jazz, Hardcore-Punk, HipHop (mit Ritterschlägen der Genregrößen Q-Tip und Biz Markie), die New Yorker toben sich wie ein hyperaktives Kind aus, das von seiner Unsterblichkeit felsenfest überzeugt ist. „’Cause you can’t, you won’t, and you don’t stop“, wie es hier in „Sure Shot“ mit seinem Polter-Schlagzeug und dem unwiderstehlichen Flötensample aus dem 1970er-Stück „Howlin’ For Judy“ des Jazzers ­Jeremy Steig heißt.

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Erst 1992 hatte das Trio auf CHECK YOUR HEAD Rap und Rock so virtuos und versatil zusammengeführt, dass damit eigentlich – wie uns die Karrieren von artverwandten Gruppen wie Limp Bizkit schmerzhaft vor Augen und Ohren führten – das letzte Wort hätte gesagt, oder hier: gerappt, bleiben müssen. Nur die Beasties konnten diesem Hybriden mit der logischen Fortsetzung des soeben etablierten Sounds ein mehr als würdevolles Weiterleben schenken. ILL COMMUNICATION ist bei allem Ungestüm die verfeinerte Version des Vorgängers, was man vor allem den straffer strukturierten Instrumentals anhört, dem Doom-Funk-Jam „Futterman’s Rule“, etwa, dem von nervösen Geigen getriebenen Dub von „Eugene’s Lament“ und Money Marks geschmeidigen Nummern „Ricky’s Theme“ und „Transitions“.

Textlich gesehen ist insbesondere Beastie Adam „MCA“ Yauch in Bestie-Form

Textlich gesehen ist insbesondere Beastie Adam „MCA“ Yauch in Bestie-Form. In „Root Down“ versichert er uns, dass ihn trotz aller Experimente niemand dem HipHop entwurzelt hat: „I kick my root down, I put my root down“. Im erwähnten „­Sure Shot!“ trotzt er rotzig dem Alter (Yauch war damals noch keine 30): „I got more rhymes than I got grey hairs / And that’s a lot, because I got my share“. Als ob er noch irgendjemandem beweisen müsste, dass die Zeiten des Beavis-&-Butthead-Humors, der aufblasbaren Riesenpimmel und des Sexismus von „Girls“ auf der Bühne vorbei sind, widmet er sich auch seiner buddhistischen Praxis und rappt in „Bodhisattva Vow“: „As I develop the awakening mind I praise the Buddhas as they shine.“

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Zum 30. Jubiläum erscheint das Album nun unter anderem als Tape, vor allem aber als Deluxe Edition auf drei LPs mit zwölf Bonusstücken wie einer außer Kontrolle geratenen Unplugged-Fassung des Hi-Speed-Prüglers „Heart Attack Man“, einem Live-Cut des maßgeblich den Sound der frühen H-Blockx prägenden Klassikers „The Maestro“ und der geschichtsträchtigen „Sure Shot“-B-Seite (einer von strammen sechs damals) „Mullet Head“, einem Punksong über den Vokuhila-Haarschnitt, dessen englische Bezeichnung laut Oxford English Dictionary doch glatt auf MCA, Mike D und Ad-Rock zurückgeht. Als Highlight ziert dieses Format eine Neuauflage des „Wackelbild“-Covers, mit dem die Platte bereits 2009 – im Jahr des ersten Films der „Star Trek“-Revivalreihe – neuveröffentlicht worden war.

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