Mit ihrem aktuellen Album Stereotype A möchten Cibo Matto eines klarstellen: »Wir sind nicht niedlich!«
Süß, süß, süß, bis es zum Brechreizwort gerinnt. „Wir mögen es nicht, wenn man uns süß findet“, erklärt Miho Hatori säuerlich. „Wir sind freundlich, aber auch aus New York – das heißt, ein bißchen gemein.“ Auch das ist süß, und überhaupt liefern Sängerin Miho sowie Keyboarderin und Produzentin Yuka Honda tausend oberflächliche Gründe, Cibo Matto zu belächeln: zwei kleine Haarspangen-Japanerinnen in New York, die sich auf einem Klapprad mit verchromtem Chopperlenker fotographieren lassen und ein Debüt-Album, auf dem sich vordergründig jeder Song ums Essen dreht. „Cibo Matto“ ist italienisch und kann vage mit „verfressen“ übersetzt werden – fertig ist das dümmliche Bild eines radelnden Spaßduos, das mit kokettem Akzent über Geburtstagskuchen und Artischocken singt. Girls just wanna have food? Von solch einem Image wird man schneller satt, als man schlucken kann. Deshalb haben Miho und Yuka mit „Stereotype A“ nach zwei Jahren harter Arbeit ein Album nachgelegt. Und das hat natürlich ebensowenig mit Ernährung zu tun wie das Debüt „VIVA! La Woman“: „Schon mal was von Metaphern gehört?“ fragt Miho. In der Tat sind Texte wie „Mein Herz ist eine Artischocke, deine Hände ein rostiges Messer“ wenig mißverständlich – aber auch passe. Auf dem aktuellen Werk präsentieren Cibo Matto ihre irrwitzige Mischung aus sämtlichen Genres. Frei von Metaphern, auffallend reif, clever und perfekt bis ins Detail – zwei Damen auf paranoider Flucht vor dem Stereotyp? Yuka Honda wählt ihre Worte sorgsam:“Es war eigentlich eher eine natürliche Entwicklung. Wir haben gemerkt, daß die einzigen Leute, die uns verstanden haben, selbst Musiker waren. Dieses Mal wollten wir alles ein bißchen einfacher halten und die Sachen zwischen den Zeilen besser erklären.“ Ein gelungener Schachzug. Cibo Matto sind plötzlich die große Neuigkeit. CNN hat zum neuen Album ausführlich online berichtet, und in New York ist die Band der Geheimtip Nr.1 – die Beastie Boys, Beck und Avantgarde-Lärmmeister John Zorn baten bereits um Zusammenarbeit. Und der Bassist Sean Lennon (The Artist Always Known As Der Sohn) stellt eigene Projekte zurück, weil Cibo Matto für ihn nun oberste Priorität hat. Trip-Hop, 70ies Funk, Lo-Fi, J-Pop und Clownrap: der Soundtrack von morgen für eine Stadt, die heute der einzige Ort ist, an dem sich Miho wohlfühlt: „lch bin nämlich von der Venus! In New York leben viele Aliens. Inklusive Yuka“, sagt sie mit einem vorsichtigen Seitenblick auf ihre Partnerin – beide brechen in albernes Gelächter aus. Das würde man nun gerne anders nennen, ist aber leider einfach … süß, süß, süß.