Markus Kavka & Jennifer Weist im Interview: „Wohlfühlen ist wichtig“

Die beiden im großen Interview zu ihrem gemeinsamen Podcast „Fuck You Very, Very Much“.


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Seit Anfang 2024 moderieren Jennifer Weist und Markus Kavka den Podcast „Fuck You Very, Very Much“. Pro Folge analysieren sie einen legendären Streit im Musikbusiness. Grund genug, um die beiden mal so richtig auszufragen.

ME: Was ist die oberste Regel bei einem Musikpodcast?

JENNIFER WEIST: Ich würde sagen, es ist wichtig, dass man erst mal gar nichts beachtet. Ausschlaggebend ist, dass man sich wohlfühlt bei dem, was man macht. Dass man nichts preisgeben muss, was man nicht möchte, dass man nur Themen bespricht, die einen interessieren.

MARKUS KAVKA: Für mich war es wichtig, dass das Ganze am Ende auch einen gewissen Mehrwert hat. Der entsteht, hoffe ich zumin­dest, bei uns sowieso durch die Konstellati­on von uns beiden: auf der einen Seite Frau, Musikerin, jung, auf der anderen Seite Musik­journalist, Typ, alt. Allein schon deswegen haben wir verschiedene Perspektiven.

Die Krux an den meisten Musikpodcasts ist, dass sie aus rechtlichen Gründen keine Musik spielen dürfen. Wie umgeht ihr das bei „Fuck You Very, Very Much“?

MARKUS: Das ist ein ARD-Podcast, der irgend­wann nachts komplett so im MDR ausge­strahlt wird. Weil die Öffis so einen allumfassenden Deal mit der GEMA haben, dürfen wir da Musik einsetzen. Allerdings auch nicht einfach so, wie wir lustig sind, das ist dann immer noch zeitlich begrenzt. Aber das war mir wichtig, dass wir nicht nur über Musik reden und keine Musik hören dabei. Man stößt bei diesen Regelungen aber auch ständig auf Widersprüche. Beim empfehlenswerten Podcast „Poparazzi“ von Arnim Teuto­burg­-Weiß, wo Arnim einen Song bespricht mit den Leuten, die die Songs geschrieben haben, verwendet er auch Musik; ich glaube, weil er auch einen Deal mit der GEMA hat. So etwas ist aber ganz schön teuer und da muss man halt gucken, ob der Podcast das wieder recoupet.

In eurem Podcast analysiert ihr legendäre Beefs der Musikwelt. Täuscht der Eindruck oder ist die Streitkultur hierzulande weniger ausgeprägt als in UK oder den USA?

MARKUS: Wir haben gar nicht festgestellt, dass das so länderabhängig ist. Ich würde eher sagen, dass wir heute in einer Zeit leben, in der sich die Beefs verlagert haben. Früher haben die Medien da deutlich stärker mitge­spielt, heute findet das meistens auf Social Media statt; das sind Dynamiken, die eher von Fans gesteuert werden.

JENNIFER: Aus meiner Erfahrung mit zehn Jahren Jennifer Rostock kann ich sagen, dass, egal auf welchem Festival wir damals gespielt haben, uns alle immer sehr wohlgesonnen waren. Alle Bands haben gegensei­tig ihre Konzerte geguckt, man trinkt was zusammen, labert, das war schön. Wir haben schon öfter auch mal Diss­ Tracks gekriegt, aber immer nur von Seiten des HipHop. Wir kamen aber aus dem Rock, da macht man so was nicht. Wenn wir dissen, dann dissen wir nach oben. Wir dissen nicht zur Seite und wir dissen auch nicht nach unten. Bei uns ging es dann immer darum, nach oben zu treten.

Zum Beispiel gegen den ganz großen Feind, die AfD? Mit der habt ihr euch ja 2016 angelegt.

JENNIFER: Zum Beispiel, ja. Es gibt natürlich noch andere Feinde. Aber nach denen hat man nicht in den eigenen Reihen gesucht. Ich wüsste auch gar nicht, warum. Der eine, der aus dem Rock­-Lager mal was gegen uns gesagt hat, ist damit auch ganz schön auf die Fresse geflogen. Das war Drangsal. Der hatte richtig Bock, andere zu beleidigen. Aber sonst, wür­de ich sagen, waren wir alle sehr lieb zueinander.

Habt ihr manche Beefs bewusst vermieden?

JENNIFER: Wir haben ganz viel über Hip-Hop­-Fälle in Deutschland disku­tiert. Wo begibt man sich vielleicht in eine Szene, wo man vielleicht nicht wieder ein Fass aufmachen möchte, weil der Case schon so alt ist, weil es da vielleicht noch juristisch was aufzuklären gibt und so weiter.

Und weil man vermeiden will, dass auf einmal ein Schlägertrupp vor der eigenen Tür steht?

JENNIFER: You name it. Weiß man ja nicht. Das haben wir schon alles immer ganz genau durchgespro­chen. Letztlich müssen das alle, also in unserem Fall auch eine Produkti­onsfirma und ARD Kultur, gut finden.

Wie erklärt ihr euch den überbordenden Erfolg von Podcasts?

JENNIFER: Ich finde bei Podcasts toll, dass ich was nebenbei machen kann, putzen oder so. Wenn ich beim Sport bin, dann höre ich keine Musik, ich höre Podcast.

Jennifer Weist putzt immer noch selbst!

JENNIFER: Genau. Ich habe zwar eine Putzkraft, aber ich putze auch selbst. Ich mag es jedenfalls nicht, die gan­ze Zeit in einen Bildschirm, in so ein Rechteck reinzugucken. Man muss bei einem Podcast jetzt auch nicht hundertprozentig immer alles mitkriegen. Das ist nicht so ein Medium, wo alles gefragt ist: zuhören, zusehen. Stattdessen kann man einfach auch was nebenbei machen.

MARKUS: Ich höre Podcasts nahezu ausschließlich beim Sport. Ich mache jeden Tag eine Stunde Sport zu Hause, Home-Trainer und ein bisschen an den Geräten … Das ist eigentlich ein superödes Programm. Vielleicht würde ich das gar nicht machen, gäbe es keine Podcasts. Das lenkt mich dann so ab, dass diese Stunde mit diesen stumpfen, sportlichen Betätigungen vergeht wie im Flug.

Podcasts sind womöglich auch eine Art Komplementärerscheinung zum Comeback der Vinyl-LP: Bewusste Auseinandersetzung mit einer Sache statt Algorithmus gesteuerter Dauerberieselung.

MARKUS: Das ist in jedem Fall eine Gegenbewegung zu unserer schnelllebigen Zeit, der Wunsch danach, sich wieder etwas runterzubringen, sich die Zeit nehmen, sich ausführlich und tiefergehend über ein Thema zu informieren. Das geht, glaube ich, wirklich am besten, wenn man nur zuhört. Ich weiß zwar, dass jetzt Videopodcasts der neueste heiße Scheiß sind, aber da bin ich noch nicht.

JENNIFER: Dann muss ich ja auch noch hingucken. Das ist ja wie Sport!

Ihr beide deckt ein breites Erfahrungsspektrum auf Bühnen, vor Kameras und an Mikros ab. Übt das Format Podcast einen besonderen Reiz auf euch aus?

JENNIFER: Für mich ist das genauso ein Medium wie alles andere auch. Ich mache halt ganz viele Sachen, die mit Musik zu tun haben, weil da meine Expertise liegt. Mir ist nur die Thematik wichtig.

MARKUS: Mir ist es eigentlich auch immer herzlich egal, was der jeweilige Ausspielkanal ist. Ich rede vor der Fernsehkamera genauso wie vorm Radiomikrofon. Was ich am Podcast halt besonders schätze, ist, dass man sich Zeit nehmen kann. Mehr als in Funk und Fernsehen. Was ich an Podcasts auch mag, ist, dass sie in der Regel kostenlos sind, das ist also ein sehr niedrigschwelliges Angebot.

Ihr nehmt den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag also sehr ernst.

MARKUS: Wir geben uns Mühe.

Was sind eure persönlichen Podcast-Empfehlungen?

JENNIFER: Neben „Kaulitz Hills“ höre ich viel True Crime wie „Mordlust“, „Mord auf Ex“ und „Zeit Verbrechen“ – ach, und „Drinnies“, den liebe ich auch sehr.

MARKUS: Von Musik-Podcasts höre ich ganz gerne „Reflektor“, aber auch viel aus den USA wie „Lost Notes“ oder „Desert Island Discs“ von der BBC.

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Mehr zu den beiden

Markus Kavka: Der gebürtige Ingolstädter ist eine der zentralen Figuren in der deutschen Musikindustrie. Er hat Stationen als „Metal Hammer“-Redakteur, Moderator bei Viva, Viva Zwei und MTV hinter sich, zahlreiche Bücher veröffentlicht und als DJ mit einem Sortiment von Gothic bis House zahllose Partys beschallt. Sein Fazit nach den „MTV News“, „Hamma wieder was gelernt“, wurde zum geflügelten Wort. Seit zehn Jahren präsentiert er die TV-Show „Kavka Deluxe“.

Jennifer Weist: Die Sängerin aus Wolgast bei Usedom ist vor allem als Frontfrau der Rockband Jennifer Rostock bekannt, die nach sechs Top-Ten-Platten in den deutschen Charts seit 2017 pausiert. Weist arbeitete mit Pop-Größen von Peter Maffay über Udo Lindenberg bis Die Prinzen zusammen. 2014 war sie Teil der deutschen Experten-Jury beim Eurovision Song Contest. 2022 veröffentlichte sie ihr Solodebüt NACKT. Weist engagiert sich stark gegen rechte Strömungen, ihr ironisches Wahlwerbevideo für die AfD wurde 2016 ein viel diskutierter Internet-Hit.

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