Marilyn Manson, München, Strom


Böse Menschen haben keine Lieder. Mit Ausnahme von Marilyn Manson. Und bei dem tragen sie dann Titel wie ‚Everlasting Cocksucker‘ oder ‚Irresponsible Hate Anthem‘. Der Protege von Trent Reznor (Nine Inch Nails) ist generell ein gar lustiger Gesell. Für Promofotos läßt er sich gern mal mit Stigmata ablichten, seinem Gitarristen bläst er schon mal einen auf offener Bühne und dem amerikanischen Magazin ‚Details‘ erzählte er unlängst von einer glühenden Verehrerin, die ihm anbot, „sich die Augen auszustechen, damit er noch zwei weitere Löcher zur Verfügung habe, in die er sie …“ (aus Gründen des guten Geschmacks sparen wir uns den Rest jetzt mal). Kurzum: vor Marilyn Manson haben uns unsere Eltern nicht gewarnt. Weil sie nicht ahnen konnten, daß so einer je auftauchen würde.

Und jetzt steht er da auf der Bühne des Münchner ‚Strom‘. Großflächig tätowiert, das Gesicht grell geschminkt (by the way in einer Art und Weise, die selbst ein Robert Smith zu seinen besten Zeiten als übertrieben abgetan hätte), um den hageren Leib ein paar Nylonfetzen geschlungen. Zusammen mit seiner vierköpfigen Gefolgschaft, die – wie ihr Herr und Meister – aussieht, als käme sie soeben vom Dreh eines siebtklassigen Zombiestreifens. Dazu hat’s natürlich stilecht Kunstnebel, Strobo bis die Augen schmerzen und weiße Strahler, die dem Fürst der Finsternis von unten in die häßliche Visage leuchten. Ziemlich beängstigend. Irgendwie. Alles deutet darauf hin, daß gleich ein paar blonde Jungfrauen rituell seziert oder irgendwelche Viecher geschlachtet werden. Oder daß ausgewählten Jüngern das Pentagramm auf die Stirn gebrannt wird. Das Jüngste Gericht scheint jedenfalls nicht mehr allzu fern. Doch die Apokalypse läßt auf sich warten. Statt dessen gibt’s pomadigen Industrial-Rock. Dazu grunzt, knurrt, keift und röchelt der Antichrist seine satanischen Verse, bespuckt das Publikum und windet sich, als ob der Leibhaftige sich seines schmächtigen Körpers bemächtigt hätte. Doch soviel Sympathie für den Teufel kann einfach nicht gut gehen. Nach zehn Minuten ist das Ganze – ob mangelnder musikalischer Qualität – nur noch langweilig und – ob peinlicher Performance – ähnlich traumatisch wie eine Fahrt mit der Geisterbahn. Auch die halbwegs bedrohliche Coverversion des Eurythmics-Klassikers ‚Sweet Dreams‘ und das (auf Platte) relativ bedrückende ‚The Beautiful People‘ können den Kindergeburtstag der fünf Beelzebuben nicht wirklich retten.

Er wolle den Rock’n’Roll wieder dahin zurückführen, wo er herkommt, nämlich in die Hölle, blafft Hobby-Luzifer Manson gerne in Interviews. Doch das, was er da auf der Bühne so abzieht ist nicht höllisch, sondern unterirdisch. Und da ist bekanntlich ein gewaltiger Unterschied.