Lenny Kravitz: Lenny live


München, Königsplatz.

Star gibt sich ganz nah. Stop. Seine Stimme ist dünn. Stop. Er führt die Fans in die Irre. Stop. Aber er lässt Liebe regieren. Stop.

Web-Telegramm aus München, kurz nach der Show: „When Lenny saw me, shaking my dreadlocks, he pointed with his finger on me, and said ´Yeah man!´ I was freaking totally out.“ Lenny Kravitz auf dem Königsplatz, das war wie einst König Ludwig auf dem Karolinenplatz: ein rarer Auftritt seiner Majestät, bei dem das Volk im Glücke baden durfte, den großen Star ganz nah zu sehen. Inszenierte sich Kravitz früher als unberührbare Inkarnation eines teuflisch feurigen Funkrock-Gottes, so lacht er heute ohne Unterlass. Er ist der lustige Lenny mit einer Mütze mit Bommel, der sich in Posen wirft, mit dem Po wackelt und sich dann so lange im Jubel sonnt, bis er ob des tosenden Applauses nur noch ungläubig den Kopf schütteln kann. Winkend wie ein vom Affen gebissener Faschingsprinz sprintet er bei jedem zweiten Refrain von der linken Bühnenseite zur rechten, um ein Ich-bin-ja-so dankbar-dass-ihr-mich-schon-so-lange unterstützt-Programm abzuspulen, wie man es gewöhnlich nur von beleidigten Künstlern kennt, die von den Kritikern aufgegeben wurden. Auch musikalisch sucht er nach dem größtmöglichen Konsens und mischt lediglich zwei Songsaus dem neuen Album unter die Greatest-Radio-Hits wie „Fly Away“ , „American Woman ‚ und „Again“, obwohl auf den Plakaten doch die „Baptism-Tour“ angekündigt worden war.

Was ist passiert? Hat er das Interesse am eigenen Repertoire verloren? Die Begeisterung, mit der er im einzigen langen Jam des Abends die Bläsersätze dirigiert, spricht klar dagegen. Vermutlich ist es einfach vorauseilender Gehorsam, der ihn dem angenommenen Wunsch des Publikums entsprechen lässt, lediglich die Gassenhauer zu hören.

Doch es gibt auch Gutes zu berichten: Nach einigen abgesagten Shows tritt Lenny in München auf, obwohl, wie das Fehlen des stimmlich anspruchsvollen „Minister Of Rock’n’Roll“ sowie die arg dünne Performance von „Are You Gonna Go My Way“ zeigen, die Stimmbandprobleme längst nicht überwunden sind. Zudem ist selbst sein Best-Of-Programm musikalisch noch ein wenig kantiger, als man das auf Veranstaltungen dieser Größenordnung gewohnt ist. Schlichtweg wunderbar ist das beseelte „I Belong To You“, das auch von einer verregneten Open-Air-Atmosphäre nicht kleinzukriegen ist. Und als Kravitz am Ende seines nicht übermäßig langen Konzerts „I don’t know what to say, except… except… LOVE“ sagt und das letzte Wort das erste von 15 Minuten „Let Love Rule“ ist, da kann man nicht umhin, doch noch gerührt zu sein.