Kaufanleitung: Die wichtigsten Alben von AC/DC im Ranking
Let there be Wechselstrom/Gleichstrom! Hier kommen gut sortiert die essenziellen AC/DC-Platten im Überblick.

Vor über 50 Jahren haben die Gebrüder Young mit AC/DC einen Markenartikel im Hardrock-Segment erschaffen, stoisch, stampfend, stur. Selbst, als sie 1980 mit Bon Scott ihren ikonischen Shouter an Gevatter Hein verloren, konnte sie das nicht aufhalten. Ganz in Schwarz, mit einer höllischen Glocke im Rücken und Brian Johnson am Mikro, räumten sie den Rock’n’Roll-Laden ein weiteres Mal auf. Zuletzt navigierten sie in etwas ruhigeren Fahrwassern, ihrem Back-Katalog hat das nicht geschadet. Ein Überblick zu ihrem Werk.
VIER GEWINNT
DIRTY DEEDS DONE DIRT CHEAP (1976)
Von Beginn an produzieren AC/DC Alben in so kurzen Abständen, dass das Publikum kaum folgen kann. Nach HIGH VOLTAGE und T.N.T. (beide 1975) steht die Band im Jahr darauf mit dem Release von DIRTY DEEDS DONE DIRT CHEAP – die Zeile steht auf der Visitenkarte von Dishonest John, dem Bösewicht aus Angus Youngs Lieblingsserie „Beany And Cecil“ – erstmals am Scheideweg. Beim US-Label munkelt man vom Rauswurf Bon Scotts, seine Stimme kommt bei den Amerikanern nicht gut an, erst 1981, ein Jahr nach Scotts Tod, wird die Platte in den USA veröffentlicht. Der Titeltrack ist da längst ein Klassiker, „Problem Child“ und der Testikel-Stomper „Big Balls“ ebenso, mit „Ride On“ zeigt die Band, dass sie auch den Stehblues beherrscht. Das Artwork für UK und USA stammt von Hipgnosis, das Session-Überbleibsel „I’m A Rebel“, aufgenommen in einem Studio in Maschen, schnappen sich Accept und machen es zum Titeltrack ihres zweiten Albums.
Viereinhalb Sterne
LET THERE BE ROCK (1977)
Die Ignoranz der Amerikaner nehmen AC/DC als Motivationshilfe. „Wir machen ein Wahnsinnsalbum, und schieben es ihnen in den Hintern“, so Bassist Mark Evans, der hier zum letzten Mal zu hören ist, über den Vibe in der Band zu jener Zeit. Doch LET THERE BE ROCK ist mehr als ein räudiger Mittelfinger, allein das biblische Drama im Aufbau des Titelsongs, mit Scott als Rock’n’Roll-Prediger, ist von ikonischer Klasse. „Hell Ain’t A Bad Place“ gibt einen höllischen Vorgeschmack auf spätere Großtaten, „Whole Lotta Rosie“ ist zeitgenössisches Testosteron. Den Albumtitel kritzelt man Dekaden später noch im Klassenzimmer der Hamburger Schule an die Tafel.
Fünf Sterne
POWERAGE (1978)
Was die offenkundigen Evergreens angeht, sind sie hier nicht so reich gesät wie auf den umliegenden Alben. Dennoch überdauert das fünfte Studiowerk die Zeit als unterschätzter Klassiker für die „real pure rock and roll guys“, O-Ton Malcolm Young. Dass der Opener „Rock’n’Roll Damnation“ sich so proto-kommerziell abhebt, hat einen profanen Grund. Der Song entsteht als letzter der Aufnahmesession, auf Bitten der Plattenfirma, die sich noch einen Serviervorschlag nach Chartshit-Art gewünscht hatte.
Viereinhalb Sterne
HIGHWAY TO HELL (1979)
„Egal, was kommt, ändert niemals euren Stil“, fordert George Young, der ältere Bruder, Mentor und Produzent der Band. Der Mann hatte mit den Easybeats bereits den Klassiker „Friday On My Mind“ verbucht und wusste, wovon er spricht. Als AC/DC endgültig durchs Dach gehen, sitzt nicht er, sondern Robert „Mutt“ Lange an den Studioreglern. Eine Personalie, die gleichwohl zweitrangig scheint. Ein Riff wie das von „Highway To Hell“ hätte auch der Hausmeister aufnehmen können. Sorry, Mutt, klingt doch auch schon sehr dufte alles. „Beating Around The Bush“ und „Girls Got Rhythm“ sind Instant-Evergreens, „Touch Too Much“ klingt nach Aufbruch in eine neue Dekade. Für Bon Scott endet sie bereits ein Dreivierteljahr nach Erscheinen des Albums.
Sechs Sterne
DIE WIEDERAUFERSTEHUNG
BACK IN BLACK (1980)
Bon Scott hatte noch an Tracks wie „Have A Drink On Me“ und „Let Me Put My Love Into You“ mitgearbeitet. Als das Album im Juli erscheint, ist er bereits seit Monaten unter der Erde. Andere Bands mit einem derart unverwechselbaren Frontmann hätten nach dessen alkoholisch induziertem Abgang womöglich aufgegeben, nicht so die Young-Brüder. AC/DC ziehen weiter durch, rekrutieren Brian Johnson von der Band Geordie und machen aus dem Tod eine Tugend. Programmatisch betitelt, wird das erste Album der Post-Scott-Ära zur von Glocken umtosten Rückkehr. „Hell’s Bells“ läutet das neue Kapitel ein, mit einem Intro, das bis zum Mond zu hören ist, „Shoot To Thrill“ ist alte Atze-Schule erster Kajüte. In „You Shook Me All Night Long“ neigt man sich stilistisch fast ein wenig in Richtung Johnsons Ex-Band Geordie, oder besser noch jener, mit der sie oft verglichen wurde, ohne deren Extraklasse zu erreichen: den Mitsing-Glamsters von Slade. An der Schwelle zu den Achtzigern erweist sich BACK IN BLACK als Schlüsselalbum zwischen Hardrock und Metal, Mutt Langes Sound gibt ein neues Niveau in Sachen Studiopower vor.
Sechs Sterne
KLATSCHE
FLY ON THE WALL (1985)
Die Achtziger erweisen sich als Dekade, in der Desorientierung und Trotz im Hause Young einander zuprosten. Mit dem Start von MTV werden plötzlich Videos wichtig, eine Entwicklung, für die die Jeanswesten-Fraktion von AC/DC nicht gemacht scheint. Auch klanglich wird es wechselhaft: Einer Band wie ZZ Top mag es gelingen, den Bluesrock dezent digital anzudicken, für AC/DC passt das einfach nicht. Die große Ausnahme: „Who Made Who“ aus dem Soundtrack zum Stephen-King-Film „Rhea M – Es begann ohne Warnung“. Hier wird postmoderner Stadiondampf von Bands wie Def Leppard aufs Feinste mit dem Oldschool-Stomp eines Angus Young verdrahtet. Der Rest der Achtziger: vornehmlich Stroh, mit dem Tiefpunkt FLY ON THE WALL, bei dem zumindest das völlig vermurkste Cover, ähnlich wie bei FLICK OF THE SWITCH (1983), eine klare Ansage macht: Finger weg!
Anderthalb Sterne
SPÄTLESE
THE RAZOR’S EDGE (1990)
Ein weiteres Mal erweisen sich AC/DC als Stehaufmännchen und vollziehen eine umfassend Wiederinstandsetzung, wie schon im Fall von BACK IN BLACK zum Auftakt einer neuen Dekade. Was das Timing angeht so punktgenau wie die Beats des neuen Drummers Chris Slade: Keine zwei Jahre später hätte man den Young-Clan im Zuge der Grunge-Revolution schon wieder in Richtung altes Eisen wegsortiert. Der Vorgänger BLOW UP YOUR VIDEO (1988) hatte sich trotz überwiegend mauen Songmaterials als Megaseller herausgestellt, THE RAZOR’S EDGE verfügt jetzt endlich wieder über das, was ein AC/DC-Album über die Masse erhebt: einen epochalen Lead-Track. In diesem Fall ist es „Thunderstruck“, ein Song wie ein Geschichtsbuch-Eintrag – Angus’ Trademark-Intro, die growligen Backings, das archaische „Thunder“-Fanal. Ohne Übertreibung einer der größten Songs aller Zeiten, nicht nur im AC/DC-Almanach, sondern in den Annalen der populären Musik schlechthin, als postmoderne Folklore zwischen „Seven Nation Army“ und „Guantanamera“. Es ist beinah egal, was auf den Opener folgt, dennoch bieten Songs wie „Moneytalks“, „Are You Ready“ oder das traditionelle Unter-der-Gürtellinie-Kleinod „Got You By The Balls“ einiges an schmucken Originalen.
Viereinhalb Sterne
POWER UP (2020)
Diesseits des Millenniums durchzieht ein „Gut, dass es euch noch gibt“-Vibe die Rezeption der Band, intern gibt es Verluste und Umwälzungen zu verarbeiten. Der von Gehörverlust bedrohte Brian Johnson wird zeitweise von Axl Rose ersetzt, George und Malcolm Young sterben 2017 kurz nacheinander, Phil Rudd meldet sich nach Schlagzeilen um Sex und Drugs zum Rock’n’Roll zurück. Das womöglich letzte Album der Band wird mit offenen Armen und Ohren empfangen, Songs wie „Realize“, „Wild Reputation“ und „Money Shot“ durchweht die melancholische Energie des letzten Aufbäumens. Als potentielles Abschiedswerk (ohne Gewähr) ein grundsolides Farewell.
Dreieinhalb Sterne
ATZE FÜRS AUGE
AC/DC – FOREVER YOUNG (2022)
Die ultimative Lang-Doku über die Geschichte der Gruppe steht noch aus, doch auch die kürzeren Formate der letzten Dekaden sind unterhaltsam und erhellend. Neben „Dirty Deeds“ (2012) gibt vor allem die Arte-Produktion reichlich Einblicke in den Entwicklungsprozess von AC/DC und ihres charakteristischen Sounds. Allein die Anekdote um „It’s A Long Way To The Top If You Wanna Rock’n’Roll“ und Bon Scotts Gastspiel in einer Dudelsack-Gruppe ist das Eintrittsgeld wert. Zudem kommen seltener gehörte Weggefährten wie der Bassist der Anfangsjahre, Mark Evans, und Session-Drummer Tony Currenti zu Wort.
Fünf Sterne
LIVE FOREVER
IF YOU WANT BLOOD (1978)
Die Wahrheit ist auf dem Platz, besser: auf der Bühne. Ursprünglich wollen AC/DC ein Best-of-Album aufnehmen, setzen dann aber auf die Live-Variante. Eine Entscheidung für die Ewigkeit. Heute gilt IF YOU WANT BLOOD, eingespielt am 30. April 1978 im The Apollo zu Glasgow, neben LIVE AT LEEDS von The Who oder IT’S ALIVE der Ramones als eines der größten Live-Alben aller Zeiten. Die Tracklist von „Riff Raff“ bis „Rocker“ ist makellos, das Wechselspiel zwischen Band und dem Publikum, am Rande des Wahnsinns ist famos.
Sechs Sterne