Hotlist 2023: Die spannendsten Newcomer*innen des Jahres
Von Domiziana und Nina Chuba über Armani White bis Tara Lily: Die folgenden 16 Newcomer*innen werden (oder sollten) das Popjahr 2023 geprägt haben.
Becks: Von wegen Fehler im System
Machen wir uns nix vor: Die Zeiten, in denen man noch Musikmagazine und Interviews brauchte, um eine Newcomerin kennenzulernen, sind lange vorbei. Schön, wenn es das weiter gibt, aber die aus Düren stammende und in Berlin lebende Sängerin Becks hat es ganz ohne an den Punkt geschafft, wo junge Menschen ihre Songs feiern und zu ihren Konzerten kommen. Seit Jahren kann man ihr auf Tik-Tok beim Leben und Lieben zuschauen. Das tun inzwischen fast 776 000 Menschen. Da sieht man zurzeit jedoch auch: Becks geht es gerade nicht gut.
Den Grund dafür kennt vermutlich das ganze queere TikTok-Deutschland: Ihre Verlobte Defne und sie haben sich getrennt. Ein Paar, das seine Liebe offen lebte, in Sendungen wie „Queergehört“ von Jam FM saß oder bei der YouTube-Show „Auf Klo“ über Couple Goals sprach. Seit der gemeinsam beschlossenen Trennung gab sie wenig bis gar keine Interviews – und auch wir wollen sie damit gerade nicht belasten.
Man fühlt sich fast ein wenig mies, erst jetzt über ihre Musik und ihre Debüt-EP „Blutmond“ zu sprechen. Denn die ist schlichtweg fantastisch und der Grund, warum sie an so präsenter Stelle in diesem Magazin auftauchen muss. Schon die Debüt-Single „Chemie“ war der unfassbar vibende Pop-Banger, der uns spießigen Heten noch einmal lässig und bestimmt zugleich klar
machte, was Becks von angestaubten Vorurteilen hält. Und wie viele sie sich anhören muss. „Jahrelang dachte ich, ich wäre hier das Problem / Dabei bist du der größte Fehler im System / Was ist so falsch dran / Dass ich ’ne Frau liebe anstatt ’n Mann? / Tue ich dir weh damit? / Wenn du wüsstest, wie oft ich schon deswegen litt.“ Endlich sagt’s mal eine! Jetzt müssen es nur noch alle verinnerlichen – und den toxischen Dudes, die ihre TikToks mit queerfeindlichen Kommentaren vollballern, in die Klöten treten.
Dem Online-Magazin „Diffus“ sagte sie im Sommer: „Ich hab mir überlegt: Was muss eigentlich in Deutschland in der Musik mal angesprochen werden? Welche Lücke gibt es? Und dann hab ich überlegt: Hey, ich bin ’ne Lesbe, ich kann richtig viel darüber sagen ’ne Lesbe zu sein – also mach ich das.“ Genau das tut sie jetzt. Mit einem zitierfreudigen Deutschpop, mit dunkler, charismatischer Stimme und mit Texten, die Poesie, Pathos und queere Liebe auf eine Weise zusammenbringen, dass man sich gar nicht mehr wundert, warum so viele bunte Menschen mit Liebe in den Augen bei ihren Konzerten vor der Bühne
stehen und ihr auf TikTok beim Leben zuschauen.
(Daniel Koch)
Woher: Berlin, in Düren
aufgewachsen
Klingt wie: Billie Eilish, Mavi Phoenix, Pantha, Willow
Anspieltipps:
„Blutmond“, „Medizin“
Neue Musik: ist für 2023 geplant
Live: 29.04. Köln,
19.05. Heidelberg,
27.05. Augsburg,
im Juli Deichbrand Festival