Interview

Gossip im Interview: „Es funktioniert nicht, wenn wir versuchen zu planen“


Ein Willkommen-zurück-Winken von der furiosen Beth Ditto – und ein Plädoyer für die Kraft der Freundschaft.

Zurückhaltung ist nicht gerade einer der Begriffe, die einem im Zusammenhang mit Gossip einfallen. Wer ein Album STANDING IN THE WAY OF CONTROL nennt und sich auch mal nackt auf einem Magazincover präsentiert, hat keine Lust, sich im Hintergrund aufzuhalten. Und doch heißt es PR-seitig zunächst, Beth Ditto will beim Zoom-Interview lieber ihre Kamera auslassen. Eine Erklärung gibt es nicht, allerdings für die Autorin dieser Zeilen eine nette Möglichkeit, um mit noch ungewaschenen Haaren, make-up-befreit und mit zwei Pullis übereinander eher entspannt ins Gespräch mit der 43-Jährigen zu starten. Schließlich ist es in Berlin erst kurz nach acht Uhr morgens und der erste Tee muss noch durchziehen. Aber hätte man seine Hausaufgaben richtig gemacht, hätte man wissen müssen, dass am Ende doch alles anders kommen kann mit dieser Interviewpartnerin.

Das sind die 100 besten Songs aller Zeiten

Wer nach sechsjähriger Bandpause „einfach so“ eine Platte ankündigt, dabei bei jeder Frage zum Comeback die Schultern zuckt, der schaltet auch mal spontan die Handykamera an. „Oh hey, du hast wie ich deine Wand grün gestrichen“, flötet einem einem Ditto dann aus dem nächtlichen Portland entgegen. Da ist sie also, die Sängerin mit der so machtvoll klar-starken Stimme, die so klingt, als könnte sie allein damit ganz prächtige Vasen-Sets ohne eine Handbewegung töpfern. Sie präsentiert sogleich mehr von ihrer Umgebung und hält ihr Smartphone auf eher unstatische Weise, sodass es sich als gute Entscheidung herausstellt, das Interview auf nüchternen Magen zu führen.

Kein Intro, sondern Wäscheberg und ADHS-Talk

Ein Kaffee wäre bei ihrem Angeknipstheitslevel allerdings auch nicht verkehrt gewesen. „Ja, eigentlich wollte ich meine Wäsche zusammenlegen … Und dann dachte ich mir, dass ich doch lieber die Kamera anmache und so mit dir rede. Gucke – da hinter mir ist mein Wäscheberg. Da ist mein Pulli … und hier mein BH“, sie hält jedes Kleidungsstück strahlend hoch und jegliche Gedanken rund um eine Einstiegsfrage, die das so gerne zitierte Eis brechen könnte, wird überflüssig. So wie sich Gossip mit jedem Album als die König:innen des Knall-alles-weg-Openers zeigen, so ist Ditto auch im Miteinander eine, die keine Fade-Ins braucht.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Im Musikvideo zur ersten neuen Gossip-Single „Crazy Again“ präsentierte sich die Musikerin erst einmal auf dem Klo sitzend – eine Art Welcome-back-Geste. Pinkelnd. Und noch während der Slip auf Halbmast hing, zündete sie sich in dem Clip eine Zigarette an. Ja hallo. Auch auf Albumlänge wummst das Trio nun direkt Gossip-mäßig los. Sie röhrt einem in „Act Of God“ schalldämpferlos die Worte „Every beat of my heart / Is a merciful act of God“ entgegen, dazu ringt die Gitarre energisch um Aufmerksamkeit. Es ist ganz herrlich, wie sie mit der Platte an A JOYFUL NOISE aus dem Jahr 2012 anknüpfen – als es ein Leichtes. Dance Pop, der nur hymnisch kann, selbst wenn es inhaltlich um die Überqual und den üblen Facettenreichtum des Liebeskummers und um gesellschaftliche Missstände geht.

„Ich gehe nicht mal beim Duschen gleich vor“

Vielleicht kleben die neuen Tracks aber auch deshalb wieder so zuckrig im Gehörgang fest, weil Ditto zudem eine souveräne Songwriterin ist. Sie weiß Zeilen und Bilder zu finden, die relatable, aber nicht zu bla-beliebig sind. Wenn sie einem so von Computer zu (Handy-)Computer aus ihrem Leben berichtet, ist das ganz ähnlich. Sie erzählt so von ihrer ADHS-Erkrankung, sodass diese zu mehr als nur dieser Buchstabenaneinanderreihung wird. „Weißt du, ich dachte immer, dass alle wie ich ticken. Also das zum Beispiel jede Person ihr Make-up macht wie ich: Ich fange jedes Mal mit einer anderen Sache an. Im Gespräch mit meinen Freundinnen lernte ich dann aber, dass sie eine Routine, eine immer gleiche Struktur hätten. Also meinetwegen erst die Foundation, dann der Lidstrich und so was. Wie geht das? Ich gehe nicht mal beim Duschen gleich vor. Es war ein echter Schock, zu erfahren, dass andere da einen beständig gleichen Weg haben, um Dinge anzugehen.“ Dazu ruckelt sie an ihrer überdimensionalen Brille herum, die „einfach nicht richtig sitzen will“, die sie aber auch schon „ewig“ habe, nur „jetzt nach langer Zeit aus einer Box holen musste, weil die andere Brille kaputt ist.“

Paula Hartmann im Interview: „Niemand ist für die Öffentlichkeit gemacht“

Und so geht der Stream of conciousness weiter am anderen Ende der Welt. Ihr zuzuhören, den Bildern und Worten und Gedanken zu folgen, die da auf einen einströmen, fühlt sich in etwa so wie die Weihnachtsfolge in der zweiten „The Bear“-Staffel an. Es gibt nur minimale Verschnaufpausen, dazwischen werden Themen ernst wie humorig jongliert, bis sie mit dem metaphorischen Auto ins Haus rast. „Folgst du gerne geregelten Strukturen? Ich kann das nicht. Ich kann kein System für mich kreieren. So war es schon immer.“ Da muss man schlucken, da fühlt man kurz und heftig überbordende Empathie. Wie Beth Ditto da versucht, so deutlich auszuformulieren, was ihre Unzulänglichkeiten im Alltag sind – wahrscheinlich weil sie es genau so schon oft nachvollziehbar erklären musste. Weil sie damit sonst Leuten vor den Kopf stoßen könnte. Wie sie selbst dann auch ihr Learning ausführt: „Wenn wir befreundet wären, müsstest du mir Spielraum geben. Erwarte nicht, dass ich immer auf die gleiche Weise und dazu noch pünktlich funktioniere. Gib mir Raum. Wenn nicht gerade dein Geburtstag ansteht oder deine Mutter gestorben ist – bei jeder verdammten Krise bin ich sofort am Start –, dann kann es halt sein, dass ich nicht da sein werde. Dinner um neun Uhr? Wer weiß, wo ich da bin, vielleicht habe ich es einfach vergessen, meine das aber keinesfalls böse.“ Darauf ein Gigglen. Der Tiefgang der Thematik, gleich wieder mit ihrer Herzlichkeit abgefangen.

„Ich bin die Großmutter der Gruppe“

Geradlinig verlief wohl bisher wenig bei Mary Beth Ditto. Immer eher alles gleichzeitig. So wie sie auch in einem Haus im amerikanischen Judsonia, Arkansas aufwuchs, in dem immer „viel zu viele Kinder“ waren. Wie ihre drei kleinen Cousinen und Cousins, die allesamt ihrer Tante Jannie auf den Zeiger gingen – die sich aber bereitwillig um jede:n kümmerte, der oder die aufgrund von gewalttätigen, zu oft betrunkenen oder sich missbräuchlich verhaltenden Familienmitgliedern gerade eine Unterkunft benötigte. Wärmende Räumlichkeiten für die Heimatlosen. Ein Zentrum für Chaos. Der Blick ins Umfeld – eine Ablenkung, aber keine frei gewählte.

Wie Courtney Love mit Hole den Neunzigern ihren Stempel aufdrückte

Neben dieser Familie lernte sie in den 90ern, als 13-Jährige, schließlich den zwei Jahre älteren Bassisten Nathan Howdeshell im nahegelegenen Searcy kennen und der sorgte dafür, dass Arkansas weniger langweilig wurde. Weil er es schaffte, Leute mit Musikgeschmack und -interesse zusammenzubringen. „Noch heute ist er es, der mir neue Bands vorstellt. Er ist immer auf Entdeckungstour, sucht neue Sounds. Wenn er nicht wäre, würde ich echt nur die gleiche Musik hören. Ich bin immer die Oma der Gruppe. Das war ich schon immer.“

Eine Erkenntnis im Gespräch mit dieser immer wieder als Ikone unserer Zeit titulierten Beth Ditto: Sie ist zwar wie eine Lush-Kugel, die man in die Badewanne legt und die sofort farbenfroh und laut-stark lossprudelt. Die Musikerin ist aber trotz ihrer enormen Präsenz auch schnell dabei, sich selbst klein zu reden. Wenn sie sich als arg komplizierten oder mitunter zu altmodischen Menschen charakterisiert.

„Wem willst du sagen, dass alles gut wird?“

ME: Wie ist es jetzt im Moment für dich, über dich selbst zu reden?

BETH DITTO: Oh je, es fühlt sich völlig falsch an. Es ist anstrengend, die ganze Zeit über mich zu reden. Am liebsten würde ich über deine Pflanzen reden, die ich bei dir im Hintergrund sehe. Wie oft wässerst du sie? Nimmst du auch mal Pflanzendünger? Solche Sachen … Weil ich nicht weiß, was ich zu einer Platte sagen soll, die ich gerade veröffentlicht habe und die nicht mehr in meinem Kontrollbereich ist. Und dazu auch nicht so wichtig ist. Ich meine, wie kann ich gerade diese schamlose Selbst-Bewerbung durchziehen, während die Welt wie ein einziger großer brennender Müllcontainer ist.

ME: Dennoch gibst du Interviews …

DITTO: Weil ich sonst auch nicht weiß, was ich ändern kann. Ich kann protestieren gehen, ich kann mich belesen – und doch ist morgen der gleiche Scheiß immer noch da. Und ich bin ja mit diesem Gefühl nicht alleine. Meine beste Freundin ist Schulberaterin an einer Grundschule, was sich für sie gerade auch wie der härteste Job der Welt anfühlt. Wie sagst du allen jeden Tag, dass alles gut wird?

Eine Herausforderung unserer Zeit: die Gleichzeitigkeit der Dinge und Gefühle akzeptieren lernen.

DITTO: Das stimmt natürlich. Aber es erfordert viel Arbeit, um derzeit auch Freude aufkommen zu lassen. Aber wenn man die nicht zulässt, dann würde man komplett besiegt, oder? Also muss ich bewusst entscheiden, auch mal glücklich zu sein. Das ist der Mut, den ich aufbringen muss. Denn wenn ich das Glücklichsein nicht hin und wieder zulasse, dann habe ich auch keine Kraft, um mit der Scheiße in der Welt umzugehen und für andere da zu sein.

„Back to Black“: Ein Film, der Amy Winehouse ihre Würde zurückgibt

Ein Album kann da schon eine Art von Statement sein. Der Titeltrack „Real Power“ zum Beispiel ist eine Feier der Black-Lives-Matter-Proteste in Portland, die zeigen, dass sich die Stadt wehrt, sich lauthals äußert, damit sich etwas nachhaltig positiv ändern kann. Dafür applaudiert Ditto, die schon 2006 mit ihrer Band und dem Durchbruchsalbum STANDING IN THE WAY OF CONTROL ein Zeichen für gleichgeschlechtliche Liebe und gegen Engstirnigkeit setzte. Ditto, die LGBTQ+-Galionsfigur wirkt im Gespräch dennoch ein bisschen lost. Und irgendwie unsicher. Auch wenn es um musiktechnische Fragen geht, macht sie sich klein und bezeichnet sich als gar nicht so versiert, vor allem, wenn sie an die Anfänge der Band zurückdenkt.

„Die Verstärker wurden auf das Publikum gerichtet“

Anfangs nannten sie sich noch The Gossip, was auch gut in die 2000er-Rockrutsche mit Acts wie The White Stripes, The Strokes, The Libertines, The Vines, The Killers und The Kooks passte. Trotzdem hob sich das Dreiergespann (neben Howdeshell komplettiert durch die 2003 dazugekommene Hannah Blilie, die Drummerin Kathy Mendonca ablöste) von den eben genannten entscheidend ab, schon weil es hier eine Frontfrau gab, die feministische und politische Themen hervorgrölte und damit eigentlich mehr in die Riot-Grrrl-Rockbewegung passte als zu dem Boysclub der Indie-Nuller. Auch die Herangehensweise grinste gen DIY: „Alles, was mit Musik-Technik zu tun hat, lernten wir in der Band voneinander. Ich wusste anfangs rein gar nichts. Also, es ging so weit, dass ich bei der ersten Tour die Verstärker immer von mir weggedreht und in Richtung Publikum gestellt habe. Ich fragte mich: ‚Wie wollen die sonst was hören? Ist doch Quatsch, dass das auf mich gerichtet ist!’“ Und so übten sich speziell Howdeshell und sie schon früh in einer eigenen Sprache. Ihre ganz eigene Art der Kommunikation haben sie bis heute: „Für Hannah ist das schon schwer. Sie weiß genau, was sie da tut. Und Nathan und ich können immer noch ein komplett wirres Gespräch über eine Sache führen, die wir im Studio umsetzen wollen, dabei die gänzlich falschen Begrifflichkeiten dafür verwenden und nachher trotzdem beide das umsetzen, was wir eigentlich meinten. Nur Hannah weiß dann nicht, woran sie ist, und muss nachfragen: ‚Was zur Hölle ist jetzt los?‘“

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Trotzdem seien sie genau in diesem Chaos-Miteinander so aufeinander eingegroovt, dass sich daraus keine Dauer-Streitigkeiten entwickelt würden. Diese Entspanntheit machte es möglich, dass die Gruppe 2016 im Guten auseinandergehen und sich nun wieder völlig von Mühen befreit zusammenfinden konnte. Gossip hatten sich aufgelöst, weil Ditto sich nach all den Jahren mal abseits der Musik bewegen und größeninklusive Mode machen wollte. Schon 2009 war sie mehr und mehr in der Fashionwelt zu Hause, als sie von Karl Lagerfeld zu dessen Muse ernannt wurde. Der Bruch folgte drei Jahre später, als Lagerfeld Dittos Musiker-Kollegin Adele als zu fett bezeichnete und Ditto konterte, er sei „ein abgemagerter älterer Herr, der sich in viel zu enge Klamotten zwängt und festgefahren ist in seinen Gewohnheiten“. Die Kleidung, die sie dann mit ihrer Modelinie vorstellte, war bis zur Größe 54 erhältlich. Ditto setzte sich aber auch als Model durch und lief für Designer wie Jean Paul Gaultier, Fendi, Cartier, Gucci, Stella McCartney, Marc Jacobs, Versace und Alexander Wang auf dem Catwalk. In einer Unterwäsche-Kampagne von Calvin Klein strahlte sie neben Naomi Campbell und Bella Hadid. Und eigene MAC-Schminke kam obendrauf auch noch heraus.

„Ich denke dabei nicht an ein Comeback“

Ungefähr ein Jahr nach dem Gossip-Break erschien Beth Dittos Solodebüt FAKE SUGAR, auf dem sie statt der Breitwandrock- und Discoinstrumentierung ihrer früheren Alben auf eine Art „Gesamtkonzept Pop“ setzte. Die Songs: weiterhin im Galopp, nur eben erheblich glatter. Mehr Genre-Zwinkerer, aber vor allem ein Album als Spotlight für ihre Überstimme. Eigentlich saß sie 2019 mit Rick Rubin in dessen Heimstudio auf Kauai – einem wirklich irrational schönem Hawaii-Inselchen – um mit dem Produzenten, der auch schon die Gossip-Platte MUSIC FOR MEN (2009) zum homogenen Hit-Werk machte, weitere Solo-Sachen aufzunehmen. Doch nachdem sie zuvor mit den alten Bandkolleg:innen eine Tour zum zehnjährigen Jubiläum des MUSIC-FOR-MEN-Albums hinter sich gebracht hatte, fühlte es sich in dem Moment einfach runder an, wieder mit ebendiesen im Studio Zeit zu verbringen. Sie hatte Sehnsucht nach ihrer alten Gang. Es wurde Zeit. Also kein richtig großes Comeback? „Darüber denke ich nicht so nach.“

5 posthum veröffentlichte Alben, für die wir dankbar sind

Wenn man sie nach dem Grund dafür fragt, muss man einige Gedankenwirrungen mitmachen, bis sie sagt: „Ich nehme das Musikmachen insgesamt nicht so ernst. Es soll sich nicht wie ein Job anfühlen, sonst kann ich nicht weitermachen. Also mache ich immer das, was gerade für mich am meisten Sinn ergibt.“ Der Werdegang der Beth Ditto ist also eine lange Reihe an Bauchgefühlentscheidungen, statt rational geplanter Karriere-Steps. Auch hier leuchtet die ADHS-Signallampe auf: „Ich kann nicht zweimal etwas gleich machen.“ Und so ist es schon wieder nachvollziehbar, dass man sie so schwer auf klare Aussagen in Bezug auf die Reunion, auf die Art des Songschreibens, auf das, was als Nächstes kommen wird, festnageln kann.

BETH DITTO: Das Soloalbum hat Spaß gemacht, aber ich habe vor allem Nathan sehr vermisst. Es hat lange genug gedauert, ihn zu finden. Er ist diese eine Person für mich. Mit ihm muss ich nicht besprechen, ob wir jetzt ein Album machen oder wie das dann klingen soll. Wir beide sind der Meinung: Was für einen Sinn soll das haben? Er hat, auch wenn ich das eigentlich nicht über ihn sagen darf, viele ADHS-Momente.

Was heißt das in Bezug auf euer Reunion-Album?

DITTO: REAL POWER würde nicht existieren, wenn wir es geplant hätten. Wir können uns nicht hinsetzen mit der Agenda, einen Song, geschweige denn eine ganze Platte zu schreiben. Wer uns darum bittet, würde von uns ein ‚Nein‘ als Antwort kassieren. Wir machen lieber, was uns gerade so einfällt. Er spielt etwas und ich mache daraus ein Lied. So kann man wohl unsere Arbeitsweise am ehesten erklären. Aber eben nicht so mit dem Gedanken, was reimt sich auf ‚Muskel‘ oder ähnlich Verkopftes. Es gibt keinen Kursplan, sondern nur dieses Folgen des Unterbewussten. Auf diese Weise macht es Laune. Denn Musikmachen sollte sich nicht schwer anfühlen.

Leichtigkeit kann doch auch mal zu forciert wirken, oder nicht?

DITTO: Ich weiß, was du meinst. Und ich glaube, das ist der Grund, weshalb wir uns so viele Jahre zwischen den Alben Zeit gelassen haben. Wir wollten nichts Aufgesetztes, nichts Unaufrichtiges. Und sobald man uns einen Plan aufdrücken würde, würden wir Blödsinn praktizieren. Klar, viele gute Songwriter und Popstars können so arbeiten, aber dazu gehöre ich nicht. Das hat schon in der Schule nicht funktioniert, das geht jetzt auch nicht.

„Es funktioniert nicht, wenn wir versuchen zu planen“

Gossip machen also einfach. Da gibt es keine dieser gern zitierten Schubladen, in die das neue Album so richtig Zeitgeist-mäßig passen möchte, und auch keinen doppelten Erklärungsboden. Kein großer Gossip über Gossip. Aber viel echtes Leben und Lebendigkeit. So wie Beth Ditto eben einfach mal Bock hatte, erst ihre Wäsche zusammenzulegen und dann doch lieber mit angeschalteter Kamera ein Interview zu führen – kurz bevor sie sich mit ihren Freund:innen trifft. Denn nach dem Gespräch will sie sich ihrem Besuch widmen. Nathan Howdeshell und die frühere Gossip-Schlagzeugerin Kathy Mendonca mitsamt Kind seien bei ihr. Sie freue sich unfassbar darüber. Eine über dreißig Jahre andauernde Freundschaft sei das mittlerweile. Sie alle sind inzwischen über 40, und haben teils erst vor Kurzem ein Beziehungsende hinter sich.

Nirvana Buyers Guide: Alle Alben der Band auf einen Blick

Gerade nach der langen Corona-Lockdownzeit genießt es die Sängerin wieder, regelmäßig unter Menschen zu sein. „Ich brauche das wirklich“, sagt sie und rückt sich die XL-Brille auf der Nase zurecht. Und warum sind es gerade immer wieder Howdeshell und Blilie, mit denen sie zusammen Musik machen und auf Tour gehen will? „Wir überraschen uns einfach ständig, wieso sollte ich mir also andere Leute suchen?“