BelaB. über Elvis P.


Als junger Punk hielt er ihn für "Konsens-Scheiß", heute sieht er in ihm den "wichtigsten Musiker der letzten 150 Jahre". Jetzt hat der Arzt die Biografie des King auf CD eingelesen.

Ein paar Straßen weiter warten die Kollegen: Die Ärzte haben in dieser Woche Anfang April in Berlin (in Berlin) mit den Aufnahmen zum neuen Album begonnen. Aber Bela B. hat heute erst mal keine Zeit. Er muss hier in einer Leihbücherei in Mitte Fragen beantworten über Elvis Presley und warum es ihm ein Herzensanliegen war, die vielgepriesene, für ihren exzessiven Detailreichtum berüchtigte Elvis-Biografie des Amerikaners Peter Guralnick als Hörbuch einzusprechen. Ganze acht Tage hatte der Termingedrückte Zeit, dann waren die knapp 600 Seiten des ersten Teils „Last Train To Memphis, 1935-1957“ (die noch umfangreichere Fortsetzung „Carless Love, 1958-1977“ steht noch aus) auf 12 CDs gelesen.

600 Seiten in acht Tagen. Wird da der Mund fusslig?

Die ersten 100 Seiten waren zäh. Aber dann kam der Punkt, wo ich die Faszination dieses Buches verstand. Du kriegst alle Details, die Guralnick irgendwie auftreiben konnte, geliefert, sodass deine Vorstellungskraft bestmöglich gelenkt ist. Für das Hörbuch wurde ein klein wenig gekürzt, aber ich meine: Wenn ein Fakt wie die Länge eines Fußballfeldes, an dem Elvis spazieren geht, drin ist, möchte ich nicht wissen, was rausgekürzt wurde. Jetzt freue ich mich auf den zweiten Teil, besonders, weil es eine Parallelarbeit zum neuen Ärzte-Album wird. Dann bin ich mit meinem Lieblingsmedium Musik mehr als beschäftigt. Mit Elvis beschäftige ich mich ja mit dem meiner Meinung nach wichtigsten Musiker der letzten 150 Jahre.

Was mir neu war, war, dass Elvis nicht nur ein stilprägender Interpret war, sondern sich quasi damals schon selbst produziert hat, dass unter seiner Federführung Songs und Sound erarbeitet wurden.

Er muss im Studio instinktiv was aus den Songs rausgeholt haben, was er den anderen vermitteln konnte ohne große Worte. Da waren natürlich Produzenten und Arrangeure, und das war ihm immer gar nicht so recht. Aber er war so ein höflicher Mensch. Elvis war immer einer, der sich in die Umstände eingefügt hat.

Wie war deine erste Begegnung mit Elvis‘ Musik?

Als ich anfing, bewusst Musik zu hören, war Elvis für mich Konsens-Scheiß. Klar, du willst nicht die Musik hören, die deine Eltern und Oma hören. Das waren die guten alten Werte, die musste man ablehnen. Dann hatte ich als Punk einen Teddyboy-Freund, der hat mir eine Cassette mit Rock’n’Roll aufgenommen, unter anderem „Blue Moon Of Kentucky“ von Elvis. Und dieser Song hat seine solche Wildheit und Energie, dass ich dachte: eigentlich ganz geil. Zudem war ich großer Freund der Birthday Party, und dann lösten die sich auf und Nick Caves erste Solosingle war ein Cover von „In The Ghetto“. Die zweite Single hieß „Tupelo“ und handelte davon, was Elvis alles ausgelöst hat, so „the beast was born in Tupelo“. Das war ein Jargon, den ich eher so von Heavy Metal kannte. Da wurde mir langsam klar: Das geht alles zurück auf Elvis.

Fingst du da an, dich mit Elvis zu beschäftigen?

Wir waren Ärzte-mäßig interessiert an so 50s-Rock’n‘ Roll. Eddie Cochran, Buddy Holly, Dion… Und da war Elvis auch immer irgendwo, aber der war uns Punkern zu etabliert. Aber ich fing an, mich zu interessieren: Warum find ich Stray Cats geil? Die machen da Rockabilly-Revival, aber wo kommt das her? Und es führte alles immer wieder zurück zu Elvis. Der Coolste von allen war Elvis, der Bestaussehende – zumindest ’ne Zeit lang – war Elvis. Was ich mit ihm aber zum Beispiel nie zusammenbrachte, war Gewalt. Bei Elvis gab’s keine Skandale, keine Schlägereien – und doch hat er das irgendwie auch ausgedrückt. Er wollte der Schwiegersohn sein und hat doch so viel Bedrohliches ausgestrahlt, Hysterien ausgelöst, sexuelle Revolutionen. Dabei war er immer einer, der Konsens gesucht hat. Er wollte geliebt werden, am besten von allen. Der wollte nicht böse sein. Er wollte einfach Sänger sein, und die Leute sollten zu seinen Konzerten kommen.

Faszinierend, was da an Perfektion zusammenkam. Das Aussehen, die Stimme, das Charisma. Man könnte schon auf die Idee verfallen, dass er quasi messianisch gesandt war, uns den Rock’n’Roll zu bringen.

Sicher. Was der alles zum allerersten Mal gemacht hat und stellvertretend für alle. Jesus hat für die Sünden der Menschen gelitten. Und Elvis hat stellvertretend… Sagen wir so: Was Michael Jackson jetzt durchmacht, hat Elvis schon für ihn durchgemacht, (lacht) Bemerkenswert ist ja auch dieses Universelle. Da musst du schon der letzte Ureinwohner sein, der irgendwo Regenwurmsaft presst, um Elvis nicht zu kennen. Ein Buch von Kinky Friedman heißt „Elvis, Jesus & Coca Cola“, und das sind sicher die drei Sachen, die du überall auf der Welt findest. Wobei im Namen von Elvis noch nicht so viele Leute umgebracht worden sind.

Wie wichtig ist denn Elvis in the making of Bela B.?

Ich bin mit Rock’n’Roll sozialisiert worden als 11-, 12-Jähriger, mit Glamrock, Bands wie Sweet und Slade. Als wir in den 90ern unser Ärzte-Comeback hatten …

Das vielleicht größte Comeback seit Elvis…

(lacht) Ja. Da hab ich mir so Glamrock-Anzüge machen lassen. Und dazu wollte ich aber auch noch Elvis-Kragen dran, als Reminiszenz an den König. Elvis war ja auch der Erfinder der durchgeknallten Bühnenoutfits. Ich meine: Der Mann ist in ’nein Blattgoldanzug auf die Bühne gegangen. Und wie wir von Peter Guralnick erfahren, hat ihm sein Manager Colonel Tom Parker nach dem ersten Auftritt damit nicht mehr erlaubt, die Hose anzuziehen. Weil Elvis sich genau bei dem Auftritt zum ersten Mal auf die Knie geschmissen hat und das Blattgold abplatzte und Parker das nicht sehen konnte, wie das Geld auf der Bühne kleben bleibt.

So richtig „hip ist Elvis aber doch nicht bei jungen Leuten. Als Charlotte Roche mal erzählt hat, dass sie totaler Elvis-Fan ist, fand ich das recht exotisch.

Das würd ich so nicht sehen. Gerade jungen Frauen bin ich begegnet, die komplett auf Elvis stehen und sich da wiederfinden. Eine mir und auch dir bekannte junge Frau macht zum Beispiel einen Assoziationstest mit Leuten. Wenn man auf das Wort „Priscilla“ nicht innerhalb von zwei Sekunden „Elvis“ antwortet, dann hat man ganz wenige Romantikpunkte gesammelt (lacht). Elvis ist nie wirklich uncool gewesen – am uncoolsten wohl noch zu Punk-Zeiten, als es darum ging, die heiligste Kuh von allen zu schlachten.

Hattest du als Elvis-geneigter Punk zu kämpfen ?

Nee. Ich war auch anti. Ich fand ja Elvis selber scheiße.

Aber du meintest doch eben …

Klar, ich hab den trotzdem gehört. Punk war ja schließlich auch die Revolution des Widersprüchlichen!

Ist denn überhaupt auch Kritik möglich an Eluis?

Na ja, er hat Dinge getan, die schon auch seltsam waren. Zum Beispiel in den 70ern diese Anbiederei an die Nixon-Regierung war natürlich schon sehr ätzend.

Woher kam das denn, glaubst du?

Er muss diese Angst gehabt haben, missverstanden zu werden. Er war ja kein bewusster Rebell, das war alles instinktiv, vielleicht drum umso stärker. Er hat sich später bei Kirchen und Würdenträgern angebiedert, weil er zeigen wollte, dass das nicht seine Absicht war. Dieses Klingeln beim Weißen Haus, so „ich würde gern FBI-Agent werden „, war schon heftig. Aber wäre er nicht so seltsam und außen vor gewesen, hätte man ihm wohl wieder Altherren-Anbiederei vorgeworfen. Wenn er Drogengelage mit Jimi Hendrix gemacht hätte, würde es heißen: Der alte Sack musste überall dabei sein. So ist Elvis tatsächlich outstanding.

Was hat ihn umgebracht?

Ich vermute, dass dich einfach irgendwann die Einsamkeit umbringt. Wenn du Süchten nachgibst, dann immer auch aus Einsamkeit. Und vielleicht ist er tatsächlich einer der einsamsten Menschen gewesen, die jemals auf diesem Planeten gelebt haben. Selbst wenn er in Graceland immer Leute um sich hatte. Aber viele von denen waren nur Ja-Sager und Speichellecker. Das sieht man sehr deutlich etwa in dem Film über die Proben auf der „Aloha from Hawaii“-DVD: Elvis sagt was, und alle reagieren, sofort. Und so unsicher – man kennt das ja, wie Leute reagieren, wenn sie nicht genau wissen: Soll ich jetzt lachen oder nicken? Und jemand wie Elvis hat das auch gemerkt, der hatte ja Gespür.

Wie hast du den Todestag erlebt?

Da war ich noch so jung, dass ich’s gar nicht richtig geschnallt hab. Ich hab nur mitgekriegt: Boah, da bringen sich Leute um, weil ein Rockstar stirbt. Dabei waren für mich Elvis-Fans immer so Leute von gestern, so Oldies-Hörer. Das war ziemlich beeindruckend.

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