Kritik

„Basar des Schicksals“ auf Netflix: Herzschmerz und Intrigen wie aus der Disney-Hölle


Aristokratie vs. Anarchie: Die französische Geschichtsdramaserie „Basar des Schicksals“ beginnt mit einem verheerenden Feuer in Paris und den Folgen für drei überlebende Frauen. Im weiteren Verlauf gehen mit Drehbuch und Regie leider die Pferde durch.

Paris, 4. Mai 1897: Im Bazar de la Charité, einem seit zwölf Jahren stattfindenden Wohltätigkeitsbasar, der wegen Baumaßnahmen zur kommenden Weltausstellung dieses Jahr an einem neuen Ort stattfindet, bricht ein Feuer aus. Über 1500 Menschen sind an diesem Tag anwesend, über 100 – die meisten von ihnen Frauen – sterben in dem verheerenden Brand. Als Ursache gilt ein früher Filmprojektor, der mithilfe einer Etherflamme funktionierte, Feuer fing und vom Filmvorführer nicht schnell genug gelöscht werden konnte. Durch aufgespannte Tücher an den Decken und der Holzkonstruktion des neuen Übergangs-Gebäudes breiteten sich die Flammen in wenigen Minuten unaufhaltsam aus.

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Auf diesem historischen Ereignis basiert die französische, vom Sender TF1 produzierte Serie „Basar des Schicksals“, die aktuell auf Netflix zu sehen ist. Die sich daraus entwickelnde Storyline und ihre Umsetzung hingegen entsprang mutmaßlich ein paar schlaflosen Nächten, in denen Drehbuchautorinnen Catherine Ramberg und Karine Spreuzkouski sowie Regisseur Alexandre Laurent zu viele Seifenopern und Märchen gebingt haben.

Geschichts- und Kostümdrama, Seifenoper und Märchen

„Basar des Schicksals“ – Originaltitel „Le Bazar de la Charité“ – erzählt in acht Folgen und in ausladender Ausstattung (die Serie kostete 17 Millionen Euro) die Geschichte von drei Frauen, die den Brand überlebt haben. Da ist erstens Adrienne de Lenverpré (Audrey Fleurot), die ihren Tod vortäuscht, um ihrem gewalttätigen Ehemann, dem Senator und Präsidentschaftkandidaten Marc-Antoine de Lenverpré (Gilbert Melki), zu entkommen. Ihre Affäre, ein Journalist, hilft ihr, schließlich muss sie erst noch ihre eigene Tochter entführen, um in einem anderen Land ein neues Leben beginnen zu können. Zweitens wäre da ihre Nichte Alice de Jeansin (Camille Lou), die dem Familienwohl zuliebe Julien heiraten soll, sich aber in den Anarchisten Victor (Victor Meutelet) verliebt hat – und damit in den Mann, der im Basar eine Bombe gelegt, für den Brand und die Toten verantwortlich sein und entsprechend hingerichtet werden soll. Drittens gesellt sich noch Alices Hausmädchen Rose Rivière (Julie de Bona) dazu. Alice sah, wie Julien sie in die Flammen stieß, um sich selbst das Leben zu retten. Rose aber überlebt schwer verletzt und mit Gesichtsverbrennungen und beginnt gegen ihren Willen ein neues Leben. Sie soll sich von nun an als Tochter der strengen Aristokratin Madame Huchon (Josiane Balasko) ausgeben, da ihr echter Nachwuchs im Feuer starb. Rose soll wegen ihrer Ähnlichkeit fortan so tun, als ob – und findet sich somit als angebliche Mutter eines kleinen Sohnes und Ehefrau des abwesenden und notgeilen Henri (Sylvain Dieuaide) in einem feudalen Gefängnis wieder.

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Bitte, schon diese Konstellationen klingen irgendwie nach zu viel des Guten? Sind sie auch – und da haben wir lediglich über die Ausgangslagen der Hauptfiguren gesprochen. Im weiteren Verlauf spannt das Historiendrama „Basar des Schicksals“ den ganzen Fächer der Emotionen und Zutaten auf, die in keiner Seifenopfer und in keinem Märchen fehlen dürfen: Es geht um Liebe, Hass, Verrat, Treue, Macht, Gewalt und Geld. Interessanter und substantieller wird die Serie immer dann, wenn es, wenngleich ziemlich platt, explizit um Frauenrechte und Feminismus geht, und das tut es im Subtext oft – schließlich wehren sich alle drei Protagonistinnen gegen Erwartungshaltungen, die von Familie, Volk und anderen Machthabern an sie herangetragen oder ihnen aufgezwungen werden. Das Problem von „Basar des Schicksals“ aber ist, dass man diese Botschaft vor lauter Überzeichnung der Figuren kaum ernsthaft wahrnimmt.

Protagonisten wie aus dem Disney-Portfolio

Ein Großteil der Charaktere kommt so überzeichnet wie in einem Kinderfilm daher: Marc-Antoine de Lenverpré ist der Oberbösewicht, der mit seinem infernalischen Lachen wie eine Mischung aus Gargamel und der bösen Oberkatze aus „Aristocats“ dreinschaut. Seine schmierigen Handlanger könnten Verwandte der Gogans aus „Elliot, das Schmunzelmonster“ sein. Als Madame Huchons Vorbilder dürften Ursula aus „Arielle, die Meerjungfrau“ und die böse Königin aus „Schneewittchen“ Patin gestanden haben. Ihr graumelierter Schwiegersohn, ein rumhurender, herzloser und egoistischer Taugenichts aus gutem Hause, könnte genau so gut von Johnny Depp oder von Bastian Pastewka gespielt werden. Der Anarchist, der mit Alice durchbrennen will (wie aus „Romeo und Julia“) hat verblüffende Ähnlichkeit mit Ashton Kutcher oder einem der Hemsworth-Nachkömmlinge. Die typische Jahrhundertwechselkulisse (vergleichbar mit „Die Einkreisung“ und „Das Parfum“) tut ihr Übriges. In Paris stehen die Prostituierten an jeder Ecke und umgarnen die dreckverschmierten Männer. Kleine Jungs mit Schiebermützen, sie sehen aus wie „Feivel, der Mauswanderer“, flitzen tatsächlich wie Mäuse durch die Stadt und lassen sich für ein Taschengeld als Boten und Informanten anheuern. Wer es noch immer nicht selbst erkannt hat: Ja, richtig, alles, aber auch wirklich alles an „Basar des Schicksals“ schreit nach einem US-Remake, wie es Hollywood mit europäischen Erfolgsproduktionen doch so gerne tut („Ziemlich beste Freunde“, „Les Revenants/The Returned“, die Salander-Trilogie, „Kommissarin Lund“, „The Office“ usw.). Bloß, dass „Basar des Schicksals“ bisher nur in Frankreich als Erfolg zu bewerten ist.

Zumindest die Hauptdarstellerin hätte da einschlägige Erfahrung: Die überzeugende Audrey Fleurot, Netflix-Zuschauern aus Harlan Cobens „Safe“ an der Seite von Michael C. Hall bekannt, spielte in „Ziemlich beste Freunde“ die Magalie – und wurde im gefloppten US-Remake „The Upside“ indirekt von Nicole Kidman ersetzt. Wäre hier auch nicht die schlechteste Wahl.

„Basar des Schicksals“, Staffel 1, seit Ende Dezember 2019 auf Netflix im Stream verfügbar

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