Faust raus, voll rhein
Gute Laune im Brings-Lager. Pitter ist gerade umgezogen. Sitzmöbel gibt’s noch keine. Aber eine neue HiFi-Anlage. Der CD-Spieler vergnügt sich mit „Sgt. Pepper“, „Achtung Baby“ und anderem Futter. Der Tee ist serviert. Die Bandmaschine läuft. Wir reden über Gott und die Welt, die Kölner Szene, den Klüngel und „Kasalla“. das zweite Brings-AIbum.
„Nennen wir es einfach Fortentwicklung. Das letzte Jahr hat viel dazu beigetragen, daß wir jetzt so klingen wie auf KASALIA. Vorher war es: Hier sind wir, wir wollen …“ Peter erzählt, was es gebracht hat, 1991 140 Konzerte zu spielen. „Es war das Beste, was uns passieren konnte. Die schönste Erfahrung dabei: daß eine deutsche Band noch die Chance hat, diesen Wegzugehen, daß so etwas überhaupt noch finanzierbar ist. “ Hier schaltet sich Stephan ein, das „Lenor-Gewissen“ des hitzköpfigen Bruders. „Im Vorprogramm von Rod Stewart zu spielen, ist schon toll, aber die wichtigeren Eindrücke haben die Clubgigs hinterlassen. Die Supportgigs sind noch eine Nummer zu groß für uns.“
Ich erfahre, daß Bnngs ihre Marken gesetzt haben — im Norden Hamburg, im Süden Schleching in Oberbayern. „Warum“, so echauffiert sich Pitter, „haben wir immer noch ein so verkrampftes Verhältnis zu unserer Sprache. Bei uns spielen Italiener und Spanier wie Heroes de Silencio. Warum können wir dann nicht in Madrid auflaufen ??“
Vorerst will Stephan die ZuschauerzahJen außerhalb Kölns verdoppeln.
„Manchmal kannte uns kein Schwein, aber überall, wo wir zweimal waren, haben sich die Zahlen verdoppelt. Da weißt du, daß du ’neu guten Job machst.“
Apropos Job. Noch ein Indiz für den Fleiß der Kölner: Die Leser von ME/ Sounds wählen Brings zur „Newcomer Band des Jahres“. Resümee von Pitter:
„Es kann eigentlich nur besser werden. Eins müssen wir noch lernen: Man muß viel früher anfangen mit dem Songschreiben. Wenn man Deutsch singt, muß man Geschichten erzählen. Da müssen wir noch dran arbeiten.“
Es geht um Rockbands. „Gibt es die überhaupt in Deutschland?“ ereifert sich Peter. „Marius ist keine Rockband, Grönemeyer schon gar nicht — alles Musiker, die sich zuhause hinsetzen, um dann hinterher ihre Songs von einer Band umsetzen zu lassen. An jedem Kiosk findest du zig Zeitungen mit zig Ami-Bands und vielleicht einer deutschen Band. Stell dir das mal umgekehrt vor, hahaha …!Bei uns ist Rudi Carrell angesehener als ein Wolfgang Niedekken. „
Wobei wir bei den Kölner Kollegen wären. Pitter schüttelt sich wie ein nasser Hund. „Laß mich nur in Ruhe mit dem Klüngel. Über Schlagzeilen wie die ,kleinen Niedeckens‘ könnte ich mich maßlos ärgern. Es istfiir uns echt wichtig, aus diesem Kölsch-Rock-Klüngel rauszukommen: ,kh kenn de Plaat jut, ich telefonier mit dem …‘, was soll das. Nach den gemeinsamen Konzerten geht der eine in sein I,5-Millionen-Haus und der andere weiß nicht, wie er seine Telefonrechnung bezahlen soll. Wenn die wirklich all I runde wären, dann hätten die längst was gemacht, dann hätten die ein Studio gebaut oder sonst was.“
Peter ist in voller Fahrt. Stephan fährt mit: “ Wenn die anderen 500 Bands, die nie aus dem Probenraum rauskommen, in der Zeitung lesen, wie da in der Szene gekungelt wird, dann meinen die doch: Aha, so geht das also! Und wir haben immer behauptet, wir hätten damit nichts zu tun. Die gucken mich ja in der Kneipe schon schäl an. „
Und Peter hinterher: „Wenn ich den gekriegt hätte, der die Schlagzeile von den .kleinen Niedeckens‘ verbrochen hat, der hätte von mir einen großen Brings voll auf die Nase bekommen.“
BAP-C-Jugend — das wollen Bnngs nicht sein. Aber Schlammschlachten sind auch nicht ihre Sache. „Ich find die ja all nett und auch die Musik ist ganz in Ordnung, aber wenn du andenhalb Jahre langnach BAPgefragt wirst, dann bist du irgendwann einfach sauer. Das erste halbe Jahr haben wir nur BAP-T-Shirts bei unseren Konzerten gesehen. “ „Vielleicht…“, sinniert Peter… und bricht dann in Gelächter aus. „Wie fändest du ein T-Shirt mit dem Aufdruck: , Who the fuck is Wolfgang Niedecken?'“