The Godfath – Unreal World
1988 brachten die Godfathers den zivihsationsgepragten Norm-Lebenslauf präzise und provokant auf die vier Punkte BIRTH, SCHOOL, WORK, DEATH. Mit ihrer neuen Platte fahren sie jetzt die verdiente Ernte ein.
DIE PATEN…
Ab sofort gilt die Devise: Liebet die Godfothers! Denn wer sie nicht liebt, der versäumt wirklich was Gutes. Diese Devise steht hundertprozentig im Einklang mit dem fast schon beängstigenden Selbstvertrauen, mit dem Sänger, Songschreiber und Gründer Peter Coyne sein Godfaihers-Projekt durchzieht. Bereits 1988 wollten Coyne und seine Truppe mit ihrem Album BIRTH, SCHOOL, WORK, DEATH die erfolgreiche Konkurrenz wie George Michael und Michael Jackson auf der ganzen Linie ausstechen. Das war wohl eher Zweckoptimismus. Doch damit zeigten die Godfathers von Anfang an Killerinstinkt und Kampfgeist. Oder wie es Peter Coyne kürzlich formulierte: „Bei uns steht und kämpft jeder für etwas. Daneben wirkt das, was wir sagen, manchmal negativ — aber eigentlich sind wir doch ein ziemlich optimistischer Haufen.“
Optimismus und Zuversicht waren das Treibmittel für die Karriere der Godfathers, die vor gut sechs Jahren begann, als die Brüder Peter und Chris Coyne Ihre Formation Sid Presley Experlence in Godfathers umbenannten. Dank einer Suchanzeige im englischen Musikblatt „Melody Maker‘ fanden die Coynes die beiden Gitarristen Mike Gibson und Kris Dollimore, den mittlerweile Chris Burrows ersetzt hat, sowie den Schlagzeuger George Mazur. Anstatt bei der Plattenindustrie Klinken zu putzen, spielten die Godfathers, wo immer eine Steckdose zu finden war und veröffentlichten auf ihrem eigenen Label zuerst die 3-Song-Maxl «Capo Di Tutti Capi* und danach in lockerer Folge Indie-Hit auf Indie-Hit. Die britische Fachpresse liebte die Godfothers, und das Publikum liebte sie ebenfalls. Ende 1986 erschien — immer noch als Independent-Veröffentlichung — die erste LP HIT BY HIT, eine Sammlung aller in Großbritannien erschienenen Singles.
Während die Godfathers durch Amerika tourten, wo sie längst Kultstatus besaßen, verhandelten sie mit Epic über einen weltweiten Vertrag, dessen Frucht 1988 in Form der zweiten LP BIRTH, SCHOOL, WORK, DEATH vorlag. 1989 folgte dann .Die Paten, Teil 3*: MORE SONGS ABOUT LOVE AND HATE.
Der neue Song .Believe In Yourself“ isl nicht nur ein potentieller Hit, sondern auch Programm: Die Godfathers demonstrieren auf ihrem vierten Album UNREAL WORLD ungebrochenes Selbstbewußtsein. Auf diesem Trip durch die .unwirkliche Well“ bleibt ihre Musik aber durchaus bodenständig und realitätsnah. Die britischen Patenkinder der Who-Tradition stürzen, raspeln, scheppern, treiben und drängen kraftvoll und energiegeladen durch ihr neues Elf-Punkte-Pragramm.
Hier wird hemdsärmeliger, geradeaus donnernder Gitarren-Rock der alten Schule geboten, der einfach ignoriert, daß Riffs nicht zu den allerneuesten Erfindungen gehören. Dafür streut die 1985 aus der Independent-Gruppe Sid Presley Experience entstandene Band vorsichtig einige wirkungsvolle Neuerungen ein. Da schallt plötzlich in Stücken wie ,Drag Me Down“ oder dem euphorisch drängelnden Gute-Laune-Häppchen .Can’t Try Härder“ melodischer und im besten Sinne rodiotauglicher Gitorrenpop aus den Boxen. Die Melodieführung in einigen Refrains ist ungewohnt subtil, und die Gitarrenpassagen wirken ein wenig geschliffener als gewohnt. Das alles geht auf das Konto des neuen Leodgitarristen Chris Burrows, der hier überzeugend demonstriert, was sich mil ein paar hondverlesenen Akkorden und überschäumender Spielfreude alles anstellen läßt.
Eine weitere Entwicklung zeigt sich in der Tatsache, daß Sänger Peter Coyne diesmal auch politische Themen aufgreift. Im Titelstück spuckt er seine Wut über die »unwirkliche Welt* mit ihren Obdachlosen und sozialen Verlierern aus. Jhis Is War‘, der beklemmende Schlußpunkt der Platte, prangert den Wahnsinn des Krieges an. Während die Rhythmusabteilung Akkorde im Takt eines Maschinengewehrs rattern läßt, splittern, kreischen und zerplatzen im Vordergrund schrille Gitarrenläufe wie Detonationen — eine einzige wütende Anklage.
UNREAL WORLD ist eine sperrige Platte. Der knorrige Charme dieses grundsoliden, ein wenig anachronistischen Songzyklus erschließt sich erst nach einigen Durchläufen — dann aber um so intensiver. Innerhalb ihres engen konventionellen Rahmens schaffen die Godfathers hier das Kunststück, sich Raum für neue Entwicklungen zu gönnen und trotzdem nicht von ihrer bewährten Linie abzuweichen. Und das isl ein großer Schritt nach vorn.
… TEIL VIER
Bedenken, in der Knochenmühle des Popstar-Daseins den Kontakt zur Realität zu verlieren oder vom großen Geld verdorben zu werden, hatten die Paten nie. „Gebt uns ruhig das Geld“, meinte Peter Coyne im Gespräch mit einem Journalisten.
.Es wird mich nicht verderben. Denn wir sagen, Verachtung für den Reichtum zu schüren, ist ein Trick der Kelchen, der die Armen davon abhalten soll, reich zu werden.“
Arm waren die Anhänger der britischen Labour Party („Wer leugnet, daß das Land total runtergewirtschaffet ist, der ist ein Wichser. Aber labour ist auch nur das kleinere von zwei Übeln“) nicht mehr, nachdem sie schon in der Independent-Szene 50.000 Platten verkauft hatten.
Der Ruhm der Godfathers nährt sich nicht zuletzt auch aus ihrer Live-Stärke. 1988 beispielsweise absolvierten sie insgesamt 124 Konzerte; David Bowie zeigte sich begeistert, und selbst Klassik-Geiger Nigel Kennedy tat kund, daß er gerne mal mit ihnen musizieren würde. Die Godfathers sind, daran ist nicht zu rütteln, eine der besten Live-Bands, die es derzeit gibt. Schon zweimal gastierten sie in deutschen Hallen, und im April stehen wieder einige Konzerte auf dem Terminplan.