Sorry Gilberto
Twisted Animals
Solaris Empire/Broken Silence
Die Ausnahme von der Regel: nicht-manipulativer Indie-Folk.
Vor gut(en) zwei Jahren fand sich der Autor dieser Zeilen – wahrhaft kein großer Freund von larmoyantem Indie-Folk – in einem Kreuzberger Mitmachzirkus für Kinder wieder. Nachts, ohne Kinder. Dafür, im Rahmen einer heiteren Songwriter-Gala, mit den vom Autor befürworteten Künstlern Jens Friebe und Schneider TM, sowie dem ihm radikal unbekannten Indie-Folk-Duo Sorry Gilberto. Neben Sufffantasien rotierten die Songs von letzteren später auf dem Nachhauseweg in seinem Schädel.
Was war geschehen? Wie andere ihrer Zunft arbeiten auch Sängerin, Multiinstrumentalistin und Schauspielerin Anne von Keller und Sänger/Gitarrist Jakob Dobers sich an Alltäglichkeiten ab, interpretieren liebevoll vermeintliche Nebensachen („a yellow sweater on a plastic chair“). Aber sie tun das ohne die ewige Träne im Knopfloch, trachten nicht nach Mitleidsprovokation des Hörers.
Sorry Gilberto durchschneiden den Gefühlsknoten mit „simple melody, nice philosophy, happy song“, erfrischen mit neuen Blickwinkeln, wenn sie etwa den Autoritätsverzicht von schlechtem Wetter loben („dear grey sky, you never push it, I might go for a walk or maybe not“). Die beiden machen schlicht Spaß und wirken dadurch authentischer als die meisten ihrer Schluchzerkollegen. Auf einmal geht die sonst oft Scheinintimität erzwingende Formel mit der kargen Instrumentierung auf, erkennt man wieder, dass es kein falsches Genre gibt. Nur falsche Einstellungen und Absichten.