,,Kurts Geld ist vergiftet


„100 Millionen Dollar reichen mir“, sagt Courtney Love. Bescheiden ist sie nicht gerade. Was die Yoko Ono der Neunziger sonst noch braucht, erklärt sie auf dem neuen Hole-Album Nobody’s Daughter

Frau Love, es gibt da dieses Zitat von Ihnen: „Das neue Album handelt von Gier, Rache und Feminismus.“ Warum ausgerechnet von Gier?

Weil Gier so befremdlich ist. Natürlich kenne ich meine eigene Gier. Ich bin nicht der disziplinierteste Mensch, und wenn ich etwas mag, dann mag ich sehr viel davon. Aber das ist nicht die Art Gier, von der ich auf dem Album spreche. Darin geht es um Leute, die von mir stehlen. Erst gestern wollte jemand per Scheck 331 Dollar von meinem Konto abzweigen. 331 Dollar! Ich habe die Adresse gegoogelt: Irgendeine Scheinfirma in einem anonymen Bürohaus in Century City in Los Angeles. Wenn ich mich jetzt auf Twitter oder sonst wo darüber aufrege, heißt es gleich wieder, Courtney ist von der Rolle. Deshalb habe ich nur noch einen Facebook-Account, den ich hauptsächlich dafür nutze, um mit meiner Tochter in Kontakt zu bleiben. Denn telefonieren darf ich momentan noch nicht wieder mit ihr. Aber das werden wir bald vor Gericht klären und korrigieren.

Zurück zum Thema: Im Film „Wall Street“ sagt Michael Douglas: „Gier ist gut!“ Ist da was dran?

Lustig, dass Sie Michael Douglas erwähnen. In den war ich immer verknallt, und habe das auch überall rumerzählt. Neulich war ich bei den Dreharbeiten zu „Wall Street II“, da hat er mich doch tatsächlich darauf angesprochen.

Spielen Sie in dem Film mit?

Nein, ich habe nur den Regisseur, Oliver Stone, besucht. Er ist ein Freund von mir. Einer der wenigen Menschen, die mich zu nehmen wissen – und das ist wirklich nicht einfach. Linda Perry und Michael Beinhorn, die Co-Produzenten des Albums, können das auch ganz gut …

Ich dachte, die wollten nichts mehr mit Ihnen oder dem Album zu tun haben?

Wo haben Sie das denn her?

Das stand in „Spin“ Magazine …

Blödsinn! Sowohl Michael als auch Linda sind überglücklich mit dem Ergebnis. Nur Billy (Corgan, im Frühstadium an der Produktion beteiligt – Anm. d. Red.) mault wieder rum. Er ist halt ein Schwengel, der viel Aufmerksamkeit braucht. Und Eric (Erlandson, Ex-Hole-Gitarrist – Anm. d. Red) ist ein Schleimbeutel.

Warum ist eigentlich keines der ehemaligen Hole-Mitglieder dabei: Ist das nicht ein wenig gierig von Ihnen?

Melissa (Auf der Maur) will nicht singen, und Eric ist einfach ein mürrischer Typ, mit dem ich nicht mehr spielen will. Hole ist meine Band, egal, ob ich in zugekokstem Zustand mal etwas unterschrieben habe, wonach Erik die Hälfte von Hole gehört. Er ist Betriebswirt und hat, als ich noch strippte, aufgepasst, dass ich nicht all mein Geld für Drogen und Klamotten ausgeben habe, aber er ist kein besonders guter Gitarrist.

Vor ein paar Jahren haben Sie noch gegen die Plattenindustrie gewettert und den Major Labels vorgeworfen, sie würden Musiker ausnutzen, seien gierig. Heute sitzen Sie hier und promoten ein Album für Universal …

Verrückt, nicht wahr? Aber es führt einfach kein Weg an den großen Plattenfirmen vorbei. Allein für den Vertrieb braucht man sie. Ich brauche sie. Aber ich habe inzwischen einen viel besseren Vertrag als früher. Geld habe ich trotzdem keines …

Weil Ihnen gierige Menschen angeblich 20 Millionen Dollar abgeluchst haben?

Nur 20 Millionen? Viel mehr! Die „London Times“ schätzte, dass es 400 Millionen Pfund sind. Wie auch immer: All meine Konten sind momentan eingefroren, das FBI untersucht den Fall, und meine Anwälte kümmern sich darum. Ich hab eh keine Lust mehr darauf, mich mit diesen Fickern in Seattle rumzuschlagen. Ich kann mein eigenes Geld verdienen, ich bin Feministin, und außerdem war das Geld immer vergiftet. Es war immer Kurts Geld. Ich werde wahrscheinlich bald meine letzten Anteile an Kurts Musik verkaufen. Ich halte noch 50 Prozent und könnte bestimmt 50 Millionen Dollar dafür bekommen.

Könnten Sie nicht auch einfach eine Nummer bescheidener leben? Muss es unbedingt das Loft sein, das Sie neulich von einem russischen Supermodel in Tribeca mieteten?

Sie reden ja wie mein Buchhalter: Dem habe ich erzählt, dass ich übers Wochenende nach Saint-Tropez will – und er hat mir allen Ernstes empfohlen, Business Class und nicht First Class zu fliegen. Ich empfahl ihm, sich zu ficken. Ich wohne auch gar nicht mehr in dem Loft, sondern wieder im Mercer Hotel. Das ist mein Zuhause in New York.

Bescheiden.

Nicht wahr? Manche Menschen kriegen nie genug. Ich hingegen sage immer: 100 Millionen Dollar reichen mir …

Aber sind Sie nicht Buddhistin? Wissen Sie da nicht, dass Verlangen die Wurzel allen Übels ist?

Doch, ich bin Buddhistin! Ich praktiziere allerdings einen Buddhismus, der sehr wohl Wünsche erlaubt. In den Achtzigern nannte man das den Weihnachtsmann-Buddhismus: Jeden Tag schreibe ich eine Liste von Dingen, die ich mir wünsche, und bete dafür.

Und was steht auf dieser Liste?

Recht einfache Dinge: Mehr Balance in meinem Leben, Harmonie für meine Tochter, noch in diesem Jahr ein Konzert im Madison Square Garden zu spielen, ein paar richtig gute Männer …

Das war’s schon?

Na gut, es gibt da noch ein Haus in London, das ich gerne kaufen würde. Und ein Haus in Los Angeles … Ich würde auch gerne wieder vor der Kamera stehen. Das fiel mir neulich ein, nachdem ich in Austin beim SXSW-Festival ein Konzert gegeben hatte. Ich rief mitten in der Nacht einen Agenten in Hollywood an – und der meinte, mit meiner Stimme könnte ich höchstens einen Frosch spielen.

Es gibt ein paar gute Songs zum Thema Gier: Pink Floyds „Money“, Queens „I Want It All“, David Bowies „The Man Who Sold The World“…

Bowie hat ein ganzes Album zum Thema aufgenommen, Diamond Dogs. Mein Album ist irgendwo zwischen Diamond Dogs und der zweiten Seite von Pink Floyds The Wall angesiedelt. Ich habe etwas geschafft, was keiner meiner Altersgenossen erschaffen hat, egal, ob Billy Corgan, Trent Reznor oder Slash: Ich habe ein wirklich relevantes Album aufgenommen!

Sie singen viel über Gott auf dem Album. Woher kommt das?

Ja, über Gott und über Kreuzigungen. Ich habe keine Ahnung, ich bin, wie gesagt, Buddhistin. Ich glaube nicht an Gott. Die Songs finden einfach zu mir, von einem Ort, den ich nicht näher analysieren möchte. Wenn man zuviel darüber nachdenkt, wird man so wie Billy Corgan. Songs dürfen nicht zu schlau sein. „Scary Little Bitch“ war am Anfang zu clever, aber dann ging ich mit Billy spazieren, zum Ground Zero, und hatte die Idee: Let’s make it stupid! Anstatt also über irgendeine Matrix zu singen, wie Billy es ursprünglich wollte, singe ich nun darüber, wie ich der „Scary Little Bitch“ in den Hintern trete.

Warum klingen Sie eigentlich immer so wütend? Wissen Sie nicht, dass Wut eine der drei Pforten ist, die in die Hölle führen?

Ich glaube nicht an die Hölle. Ich glaube an Dämonen und Teufel, aber nicht an die Hölle. Was sind noch mal die drei Pforten?

Wut, Gier und Wolllust …

Also, meinen Ärger habe ich auf dem Album rausgelassen. Zu gierig bin ich auch nicht mehr, ich kann meinen Appetit mittlerweile ganz gut zügeln. Aber Wollust? So ein Mist.

Fühlen Sie sich derzeit wolllüstig?

Das geht Sie so was von überhaupt nichts an. Welcher Depp hat sich nur diese Regeln ausgedacht? Egal, ich lebe nach meinen eigenen Regeln, und bei mir ist Wolllust eine gute Sache.

Albumkritik S. 96

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