Popkolumne, Folge 210

You can watch my fat ass twist, Beyoncé: Paulas Popwoche im Überblick


Paula Irmschler über politisch fragwürdige Aufritte, Ticketwahnsinn, Cults, Rock am Ring und im Park, „That ‘90s Show“ und Sam Smith.

Leider muss ich genau da weitermachen, wo ich letztes Mal aufgehört habe, ich muss wieder mal unsere Popqueens in die Mangel nehmen, auch wenn mir letztens jemand gesagt hat, ich würde zu oft Frauen kritisieren. Aber das Ding ist: Mich interessieren die Popmänner nicht so sehr, ich habe nur Expertise zu Popfrauen. Du kannst ja auch nicht zur koreanischen Botschaft gehen und sagen, sie sollen jetzt mal die französische Politik analysieren. Kann man wahrscheinlich schon, der Vergleich ist total schief, was ich sagen will: Ich weiß nicht, was Drake, Bad Bunny und Ed Sheeran gerade machen (ich weiß nur, dass Justin Bieber Musikrechte an Blackstone verkauft hat). Aber ich weiß, was einige Popfrauen gerade tun und was zu oft als feministisch abgenickt wird und ich find’s doof.

Ermüdung der Woche: Beyoncé hat ihre Tour bekanntgegeben and I couldn’t care less*

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Einerseits liegt mein Desinteresse daran, dass Beyoncé mal wieder was Fragwürdiges gemacht hat. Wie ihr alle mitbekommen habt, ist sie bei einer Hoteleröffnung in Dubai aufgetreten, für richtig viel Geld, Millionengeld. Es klingt nicht nur politisch total daneben, es ist auch irgendwie trashig. Hoteleröffnung? Nicht gerade der künstlerische Geniestreich, den man auch von der Form ihrer Performances gewohnt ist – was nur die These unterstützt, dass sie es nur für das Geld gemacht hat. Diese Privatkonzerte, die den Popstars Millionen bringen, sind nichts Neues, fast alle großen Namen haben es schon getan, ob auf Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenfeiern.

Pikant wird es da, wo die Doppelmoral einem ins Gesicht springt. J.Lo sang für den turkmenischen Diktator Berdimuhamedow, Nelly Furtado für die Gaddafis, Beyoncé in Dubai – alle drei sind Frauen, deren Fans vor allem Frauen und Queers sind, alle drei inszenieren sich als Allies, als Kämpferinnen für Gerechtigkeit, als Gute. Und wir fallen auf sowas rein, ja, auch weil sie Frauen sind. Frauen sind natürlich, egal wie privilegiert sie sind, immer Betroffene des Patriarchats, aber sie können eben auch Komplizinnen sein und natürlich sind reiche Popstars Kapitalistinnen.

Aber die Zeiten haben sich geändert und sowas rutscht nicht mehr so easy durch wie früher. Beyoncé wurde für ihren Auftritt stark in den sozialen Netzwerken kritisiert. Und lustig wurde es auch noch.

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Nächste Woche gehen die Tickets in den Verkauf, Ticketmaster olé, und ich weiß schon, wie das laufen wird. Wahrscheinlich nicht so wie bei dem Taylor-Swift-Debakel oder beim Depeche-Mode-Debakel oder bei all den Debakeln, weil man jetzt sicher draus gelernt hat, aber was es eben wieder gibt, ist ein neun Tage vorher angekündigter Vorverkauf einschließlich Countdown auf der Ticketmaster-Seite, um den Hype noch ordentlich anzufeuern und dann wird’s am 10. soweit sein, man kann für 100 Euro Tickets für ganz hinten in der Ecke bekommen oder für 500 Euro mal kurz Backstage durchlatschen. Es wird ganz viele Specials geben, so wie es die großen Stars jetzt immer machen, weil man immer noch weiter und weiter in die Taschen der Fans greifen kann. Und nach drei Jahren Corona sind die doch auch noch dankbar.

Und es wird immer noch Leute geben, die insbesondere Popstar-Frauen als Underdogs begreifen, als jene, die man upliften müsste, mit denen man bedingungslos solidarisch sein muss. Und es ist natürlich ein ständiger Widerspruch, den man als linker Popfan aushalten muss: Die Musik ist fantastisch und es ist schön, dass sie viele Leute zusammenbringt, aber die Leute und das System dahinter sind ausbeuterisch und eben auch gefährlich. Die Musiker sind demgegenüber aber nicht machtlos, wie so oft getan wird, im Gegenteil, sie haben es schon in der Hand, ob sie für Arschlöcher auftreten, ob sie uns ungesunde Cremes verkaufen, die Unsicherheit von jungen Mädchen instrumentalisieren oder uns bescheuerte Packages andrehen. Taylor Swift hat sich auch mal wieder rausgewunden, sie ist eine von uns, sie hat mit dem ganzen System nichts zu tun, sie macht doch nur ihre Musik.

*Ich glaube, ich könnte schon weniger caren, sonst würde ich hier nicht drüber schreiben und falls mir eine Karte… sagen wir mal, vor die Füße fällt, weiß ich nicht, wie ich reagieren würde…

Podcast-Empfehlung der Woche: „Sounds Like A Cult“

Perfekter kann die Überleitung nicht sein zu meiner Podcast-Empfehlung, die ich hier schon ewig mal aussprechen wollte, wahrscheinlich kennen ihn mittlerweile schon die meisten. In „Sounds Like A Cult“ geht es, wie der Titel perfekt sagt, um Phänomene, die sich irgendwie wie ein Kult anfühlen. Isa Medina und Amanda Montell besprechen dabei vor allem popkulturelle und kapitalistische Auswüchse, es geht um Starbucks, Skincare oder auch um den Kult um Taylor Swift, bei welcher eben nicht einfach nur alles zufällig passiert, die nicht nur eine sympathische Künstlerin ist, sondern auch (!) eine berechnende Geschäftsfrau. Das Schöne an dem Podcast ist, dass die beiden Moderatorinnen nicht cool über den Phänomenen stehen, sondern ihnen genauso auf den Leim gehen wie wir.

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Internet der Woche: Die Causa um Pantera bei Rock am Ring und im Park

Über „Die Causa um Pantera bei Rock am Ring und im Park“ wurde nun wirklich schon alles gesagt, ich konnte mich für das Thema nicht sonderlich erwärmen, weil diese beiden Festivals, gelinde gesagt, für mich generell der absolute Horrorort sind. Ich denke immer, das sind doch sowieso Rechtsrock-Festivals. Es ist eine absolut ferne und furchtbare Männerwelt, zu deren Ehrenrettung es nicht reichen würde, eine Band auszuladen, sondern alle und dann Lützimäßig das ganze Areal wegzubaggern, nochmal ordentlich durchzukärchern und neu aufzuschütten, auf dass da was Schönes und Gutes gedeihe.

RaR und RiP jetzt woke, das wird wohl nichts. Ich musste deshalb stark schmunzeln, als ich die Kommentare zur Pantera-Ausladung las. Das Problem der Festivalfans war nicht irgendwas mit Meinungsfreiheit oder dass sie ihre tolle Band jetzt nicht sehen können, nein! Das Problem war, dass in der Ankündigung gegendert wurde. Es ist alles so herrlich blöd. Vielleicht wurde deshalb der Tweet mittlerweile gelöscht.

Serie der Woche: „That ‘90s Show“

Ich habe nur eine Serie in den vergangenen beiden Wochen geguckt, aber dafür eine, auf die ich ewig gewartet habe: Es ist die Fortsetzung einer meiner absoluten Lieblingsserien, „That ‘70s Show“. Die Story der Neuauflage: Kitty und Red Forman, das beste Paar aller Zeiten, das wir schon aus der ‘70s-Show kennen, bekommen Ferienbesuch von ihrer Enkeltochter Leia, der 14-jährigen Tochter von Eric und Donna. Sie findet Freunde in der Nachbarschaft und hängt mit ihnen, genau wie zwanzig Jahre zuvor ihre Eltern, in dem legendären Keller in Wisconsin ab. Dort wird gekifft, geknutscht und gestritten, es werden Pläne geschmiedet und Filme geguckt, nur eben jetzt in den Neunzigern. Es gibt Cameo-Auftritte von allen aus dem alten Hauptcast, außer von einem, aber ich will nicht spoilern.

Man merkt aber, dass es wohl schon immer vor allem die Darbietungen der Forman-Eltern (gespielt von Debra Jo Rupp und Kurtwood Smith), waren, die die Serie getragen haben. Aber auch die neuen „Kids“ sind cool, allen voran Leia (Callie Haverda) und Nate (Maxwell Acee Donovan), die jetzt schon komplexe Persönlichkeiten bekommen haben, während die anderen noch etwas zu sehr als Klischees rumlaufen. Hoffentlich wird das in der zweiten Staffel anders und hoffentlich wird es überhaupt eine geben.

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Album der Woche: Sam Smith – „Gloria“

Ich fand Sam Smith immer sympathisch, aber eher so aus der Ferne. Die Musik hat mich nie so richtig erreicht. Dann habe ich von den ekelhaften Reaktionen auf das Video zu „I’m Not Here To Make Friends“ (wie genial, sich ausgerechnet auf einen Song mit so einem Titel zu stürzen) gehört und spitzte nochmal meine Öhrchen.

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Kritik gab es nicht nur für „Übersexualisierung“, die oft von Leuten kommt, die kein Problem damit haben, sich regelmäßig gewaltvollen Heteroporno reinziehen und denen es nur bei queeren Leuten immer schnell zu viel ist, sondern natürlich gab es auch wieder Fatshaming, weil dicke Menschen sich gefälligst zu Hause zu verstecken haben. Ich bin da einerseits biased und finde Sam Smith hat nie besser ausgesehen, aber natürlich bin ich auch wütend, weil Fettphobie eben nicht nur von rechts und aus den üblichen verdächtigen Ecken der Gesellschaft kommt, sondern auch tief verankert ist bei queeren und feministischen Leuten. Der sehr schlaue Aktivist Matt Bernstein hat genau das angesprochen:

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That being said: Sam Smith hat mit GLORIA ein großartiges Popalbum rausgehauen, das voller Instant-Ohrwürmer und wunderschöner Balladen ist. Allen voran möchte ich euch „No God“ ans Herz legen, das mich sofort umgehauen hat und dessen Lyrics vollumfänglich an die Hater gerichtet sein könnten.

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Das war’s, Tschüss!

Über ein Interview mit Panik Panzer & einen Shitstorm gegen Die Toten Hosen und „Rock am Ring“: Volkmanns Popwoche im Überblick

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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