Jim Morrison ist der Pin-up-Boy der Rebellion
Schamanentänze auf der Bühne, skandalöse Auftritte im Fernsehen, Trips auf Meskalin: Jim Morrison war der erste echte Rockstar. Niemand beherrschte die neuen Posen besser, niemand inszenierte sie konsequenter. Doch erst sein früher Tod in Paris machte ihn unsterblich.
Heute vor 50 Jahren, am 4. Januar 1967, erschien das Debütalbum der Doors, THE DOORS. Es enthielt Songs wie „Break On Through“, „Light My Fire“ und „Back Door Man“ und ebnete der Band den Weg zum Erfolg. Der Nachfolger STRANGE DAYS erschien noch im selben Jahr am 25. September. Anlässlich Jim Morrisons 40. Todestags am 3. Juli 2011 widmeten wir dem The-Doors-Sänger die erste Folge unserer damals neuen Serie „ME.Helden“, die Ihr hier in voller Länge lesen könnt.
James Douglas Morrison ist ein toter Mann. Nach allem, was wir wissen und worauf wir uns geeinigt haben, nach allen mit extremer Vorsicht zu genießenden Erkenntnissen stirbt er irgendwann zwischen drei und fünf Uhr am Morgen des 3. Juli 1971 in der Badewanne seines Pariser Apartments im dritten Stock in der Rue Beautreillis 17, die er zusammen mit seiner heroinsüchtigen Freundin Pamela Courson bewohnt. Im Kino hatten sie sich zuvor einen alten Western mit Robert Mitchum angeschaut. Danach erledigt das Paar zu Hause den Abwasch und schnupft Heroin, wie üblich. Laut Courson hört Morrison danach bis spät in die Nacht hinein Musik, von den Doors, jeden einzelnen Song, sogar „The End“. Schon seit Tagen plagt ihn ein beharrlicher Schluckauf, und die Sache war immer schlimmer geworden. Nachts wacht er wegen akuter Atemprobleme auf, würgend, hustend. Courson verfrachtet ihn für eine kalte Dusche umgehend in die Badewanne. Der 27-Jährige kotzt auf die Fliesen, spuckt Blut. Er fühle sich „bizarr“, soll er gesagt und seine Freundin ins Bett zurückgeschickt haben, alles sei okay, er selbst wolle noch ein warmes Bad nehmen. Keine gute Idee während einer akuten Hämoptyse, wie der medizinische Fachbegriff für Lungenblutung lautet.
Als Courson wieder aufwacht, findet sie ihren Freund bereits leblos in der Wanne, mit dem Kopf auf dem Rand, einem leichten Lächeln auf den Lippen. Courson gelingt es nicht, Morrisons massigen Körper aus der Wanne zu hieven. In Panik ruft sie ausgerechnet ihren Ex-Freund und Dealer an, den Adeligen Jean de Breteuil, der gerade mit Marianne Faithfull im Bett liegt.
„Jim Morrison war tot und Jean hatte den Stoff geliefert, der ihn getötet hatte“
In ihrer Autobiografie schildert Faithfull ihren damaligen Freund rückblickend als „schrecklichen Typen, jemand, der unter einem Stein hervorgekrochen ist. Irgendwie bin ich an ihn geraten, es ging nur um Drogen und Sex. Wir waren im Hotel, als er von Pamela angerufen wurde und schnell weg musste. ‚Jean, ich möchte mitkommen‘, sagte ich. ‚Ich will Jim Morrison treffen.‘ – ‚Das geht nicht. Ich werde in ein paar Stunden zurück sein.‘ – ‚Bitte, Jean, bitte?‘ -, Nicht jetzt. Ich erklär’s dir später, okay?‘ Er stürmte aus dem Zimmer. In den frühen Morgenstunden kam er ziemlich aufgebracht zurück und weckte mich auf (…) Dann schlug er mich zusammen, ohne einen besonderen Grund. Ich zündete mir danach eine Zigarette an und fragte: ‚Und? Hattest du eine gute Zeit da drüben? Willst du mir nicht sagen, warum du in so guter Stimmung bist?‘ – ‚Pack deine Sachen!‘ – ‚Warum? Wo gehen wir hin?‘ – ‚Marokko.‘ – „Sehr lustig. Wir sind doch gerade erst angekommen.‘ – ‚Ich will, dass du meine Mutter kennenlernst. Beeile dich!‘ – ‚Oh-oh … was ist da drüben passiert?‘ – ‚Halt die Klappe!‘ – „Oh, Scheiße!‘ – ‚Ja, es ist beschissen.‘ Er hatte Angst um sein Leben; Jim Morrison war tot und Jean hatte den Stoff geliefert, der ihn getötet hatte.“
Unterdessen telefoniert Courson mit Morrisons alten Freunden, den Filmemachern Alain Ronay und Agnès Varda: „Jim ist bewusstlos, und er blutet. Kannst du für mich einen Krankenwagen rufen? Du weißt, dass ich kein Französisch kann. Bitte beeile dich. Ich glaube, er könnte sterben.“ Als um 9.24 Uhr endlich der Rettungsdienst der Pariser Feuerwehr alarmiert wird, hat Courson bereits alle Drogen das Klo heruntergespült. Der zuständige Arzt kann nur noch den Tod durch „Herzversagen“ feststellen. Eine Autopsie findet nicht statt.
„Letzte Worte, letzte Worte / Aus“
Der 3. Juli ist ein schwülwarmer Samstag in der französischen Hauptstadt, von Westen rollen Gewitter heran, als die Leiche von Jim Morrison noch in seiner Wohnung übers Wochenende auf Trockeneis und danach in einen versiegelten Sarg gelegt wird. Courson hält unterdessen Totenwache und bereitet ihre Rückkehr in die Vereinigten Staaten vor. Dabei stößt sie in Morrisons Notizbuch auf dessen letzten Eintrag: „Lass den aufgeklärten Verstand in unserem Kielwasser zurück / Du wirst Christus sein auf dieser Pauschalreise / Geld schlägt die Seele / Letzte Worte, letzte Worte / Aus.“
Begraben wird Jim Morrison am 7. Juli 1971 auf dem Friedhof Père Lachaise. An der Beerdigung nehmen nur Pamela Courson, der eben aus Toronto eingeflogene Doors-Manager Bill Siddons, Alain Ronay, Agnès Varda und Morrisons Sekretärin Robin Wertle teil. Ronay, mit dem Morrison in den Wochen vor seinem Tod lange durch Paris flaniert ist, hat sich um die letzte Ruhestätte gekümmert. In seinen Erinnerungen schreibt Ronay: „Monsieur Guizard, der Eigentümer, kümmerte sich mit hochprofessioneller Expertise um die Formalitäten (…). Damit ich einen Standort für das Grab bestimmen konnte, legte er mir eine Karte des Friedhofs vor. ‚Jeder möchte auf dem Père Lachaise begraben werden. Es ist kaum mehr Platz übrig. Was war Ihr Freund? Ein Schriftsteller, oder?‘ – ‚Ja, genau, er war ein Poet.‘ – ‚Ah, wenn das so ist, dann haben wir Glück. Ob Sie’s glauben oder nicht, in Abschnitt 89 ist noch etwas frei, nahe bei einem anderen berühmten Schriftsteller. Sein Name ist Oscar Wilde. Kennen Sie ihn?‘ -‚Nein, ich bitte Sie! Nicht neben Monsieur Wilde. Gibt es nicht noch einen anderen Platz?‘ – ‚Hier. Aber das ist kein wirklich attraktiver Ort.‘ (…)“
So kam es, dass Jim Morrison mitsamt seiner Dämonen in Abschnitt 6, Reihe 2 und Grab 5 das fand, was man seine „letzte Ruhe“ nennen könnte.
Aber natürlich ist die Geschichte des Jim Morrison damit nicht zu Ende. Sie fängt erst an. So machte er im Tod den makabren „Klub 27“ komplett, gemäß eines modernen Mythos, nach dem die wichtigsten Musiker mit 27 Jahren sterben. Jimi Hendrix – betrunken an seinem Erbrochenen erstickt – Janis Joplin an einer Überdosis Heroin eingegangen – und Jim Morrison? Folgte den beiden anderen Ikonen auf dem steilen Pfad zur frühen Unsterblichkeit. Eine Unsterblichkeit, die von schlichteren Gemütern gerne falsch verstanden wird, weshalb es immer wieder Jim-Morrison-Sichtungen gibt, so wie immer mal wieder jemand Elvis gesehen haben will. Morrison habe sein Ableben nur inszeniert, um ungestört auf einer einsamen Insel leben und schreiben zu können.