The Joy Formidable


Ein walisisches Pärchen zieht zähneknirschend nach London, rekrutiert lokalen Schlagzeuger und entwickelt sich zum heißesten Nu-Gaze-Tipp der Stadt. Und die drei haben noch viel vor.

Es wäre schon cool, bei Glastonbury als Headliner zu spielen“, sagt Rhiannon „Ritzy“ Bryan, „aber eigentlich wollen wir einfach nur fünf, sechs richtig gute Alben machen.“ Diese forsche Aussage ist Programm für eine Band, die die Dinge oft etwas anders angeht als ihre Kollegen. Zum Beispiel brachten The Joy Formidable eine Live-Platte heraus, bevor es ihr Studio-Album The Big Roar zu kaufen gab. Und der erste Song auf besagtem The Big Roar ist ein siebenminütiges, lärmiges Shoegaze-Pop-Epos – nicht gerade ein konventioneller Opener. Genau diese Art von Eröffnung wollten sie auch vermeiden, sagt Frontfrau Bryan: „Dieser Song, ‚The Everchanging Spectrum Of A Lie‘, ist eine Ansage, eine Richtungsvorgabe. Das Majestätische, das Dunkle, aber auch die Melodien – das alles soll die Leute darauf vorbereiten, was danach noch kommt.“

Das Studiodebüt von The Joy Formidable weist eine erstaunliche Zielstrebigkeit auf. Bryan will ihre Hörer herausfordern. In ihren kryptischen Texten blitzen neben Kindheitserinnerungen auch fatalistische Gedanken auf. Ihre von hohen Gitarrenwänden gestützte Mischung aus Grunge und Shoegaze hat ihnen Vergleiche mit My Bloody Valentine, aber auch poppigeren Bands wie Lush eingebracht. Dabei entstand The Big Roar laut Bryan „in einer Blase ohne äußere Einflüsse. Als wir aus dem Studio kamen, unterhielten wir uns mit Freunden über Musik und hatten keine Ahnung, von welchen Gruppen sie sprachen.“ Ihre eigene Band entstand, nachdem Bryan mit ihrem Freund Rhydian Dafydd von Nordwales nach London zog, um sich dort mit dem renommierten Drummer Matt Thomas zusammenzutun. „Es war nicht so, dass wir unserer Heimat entfliehen wollten, ganz und gar nicht“, sagt Bryan, „es war einfach praktischer, in derselben Stadt zu wohnen.“

Inspiration ziehen die drei nicht nur aus der Londoner Musik- und Kunstszene, sondern auch von Bruce Springsteen (Bryan: „Seine Energie auf der Bühne ist vorbildlich“) und dem 2009 verstorbenen Gitarrenkünstler John Martyn: „Er beherrschte so viele Stilrichtungen und liebte es, zu experimentieren. Genau wie wir.“

Albumkritik S. 86

* Bryan arbeitete 2007 für ein paar Monate als Au-pair in den USA: „Das war die einzige Möglichkeit, problemlos ins Land einzureisen. Eigentlich mag ich Kinder nicht so.“

* Bassist Dafydd wurde als Schuljunge aus der walisischen Turnnationalmannschaft geworfen, weil er sich vor der irischen Mädchenmannschaft die Hose heruntergezogen hatte.

* Bryan und Dafydd leiteten in ihren Londoner Anfangstagen eine Clubnacht namens Joie de Vivre. Raus-schmeißer: The Flaming Lips‘ „Do You Realize??“.