Wie wohnt ein Rapper? Mike D. von den Beastie Boys klärt auf


Wenn Sie das hier lesen, werden Sie Josef Winkler für verrückt erklären. Nicht.

News just in: Der Bundespräsident darf zu NPD-Anhängern „Spinner“ sagen. Der Bundespräsident darf, wenn ich das Bundesverfassungsgericht jetzt gerade richtig verstanden habe, zu jedem „Spinner“ sagen, as he chooses. He’s the Prez. Ja, nach allem Dafürhalten könnte der Bundespräsident jetzt in diesem Moment bei Ihnen daheim reinspazieren und zu Ihnen „Spinner“ sagen. Keine Sorge, macht der nicht. Aber wär’s so schlimm? Hauptsache, Sie sind kein Nazi.

Apropos Spinnerei. Letztens lag da aufgeschlagen die Zeitschrift „Brigitte“ heru… was? Ja, meine Güte, da lag halt die „Brigitte“ herum. Und darin – ausführlich und üppig fotografiert – eine Homestory über Mike D. Ja, genau. Wenn einem 1986, als diese durchgeknallten, nihilistischen Schweineigel von dieser „Band“ The Beastie Boys (gerne auch: Beastyboys), die sich da in ihrem Video aufführen wie die Hirnamputierten und als alles vollkotzende Bürgerschrecke Of The Universe mit einem vier Meter hohen Pappmaché-Penis als Bühnendeko touren, wenn einem da wer erzählt hätte, dass es von Mike D einmal eine Homestory in der „Brigitte“ geben wird – was hätte man da gedacht? Gesagt? Genau. Natürlich hätte man denjenigen, der das erzählt, wie es das Sprachklischee verlangt „für verrückt erklärt“.

Ich weiß ja nicht, wie viele Leute Sie schon für verrückt erklärt haben oder ob Sie selbst schon für verrückt erklärt worden sind; es passiert aber anscheinend ziemlich oft. Viele Leute sind recht flott damit bei der Hand, jemanden für verrückt zu erklären. „Also, wenn mir heute früh jemand gesagt hätte, dass es am Nachmittag noch regnen würde – ich hätte den für verrückt erklärt!“ So schnell kann’s gehen. Also, natürlich hätten wir denjenigen 1986 für verrückt erklärt, der von einer „Brigitte“-Homestory von Mike D erzählt hätte, aber natürlich wäre er nicht verrückt gewesen, sondern entweder total weitsichtig und illusionslos, sodass er schon wusste, wo das alles hinsteuert und dass eben auch nihilistische Bürgerschreck-Schweineigel mal alt und gesetzt resp. homestorytaugliche Kultur- schaffende resp. diese speziellen Novelty-Hit-Eintagsfliegen zu einer der wichtigsten Bands der letzten 25 Jahre werden. Oder es wäre jemand gewesen aus der Zukunft, der 1986 rumrennt wie Marty McFly und sagt: Wer? Mike D? Über den hab ich 2014 eine Homestory in der „Brigitte“ gelesen, Überschrift: „Wie wohnt ein Rapper?“

Schicke Wohnung übrigens. Nach Ansicht dieser Homestory, auf deren Aufmacherfoto Mike D mit seiner Frau, die aussieht wie seine Lehrerin, auf einem Diwan sitzt, weiß man jetzt also, wie ein Rapper wohnt. Man darf sich das so vorstellen: So wohnt ein Rapper. Bushido zum Beispiel auch. Nur dass dessen Frau natürlich nicht aussieht wie seine Lehrerin, sondern halt wahrscheinlich wie seine Bitch. Was sagt wohl das Bundesverfassungsgericht dazu, wenn man zur Frau eines misogynen Deppen „Bitch“ sagt?

Diese Kolumne ist in der August-Ausgabe des Musikexpress erschienen – seit 17. Juli 2014 erhältlich.