Was bleibt, sind nur die Melodien


Es ist ein beinahe gespenstischer Anblick: Obwohl sich das Zepp, eine hohe Konzerthalle am Hafen von Tokio, mit über 2000 Menschen gut gefüllt hat, ist es fast völlig still. Keine Musik, kein Gröhlen, kein Pfeifen, kein lautes Wort ist zu hören – vor der Show steht die Mehrzahl der jungen Leute einfach da und schweigt. Kein Wunder, dass die Stage-Crew während der Vorbereitungen auf der Bühne immer wieder misstrauische Blicke in den Saal wirft – wüsste man nicht, dass diese stumme, schwarzhaarige Menge viel Geld für Tickets bezahlt hat, man müsste sich fragen, ob sie mit friedlichen Absichten gekommen ist.

Backstage, in dem kahlen, neonbeleuchteten Garderobenraum der Killers, hat niemand Interesse daran, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die Berichte von draußen scheinen die Band nicht zu überraschen. „Warte erst mal, bis du die Leute zwischen den Songs erlebst-kein Mucks „, sagt Brandon Flowers, während er sich einen kleinen Teller an einem auffällig unjapanisch angerichteten Büffet zusammenstellt. Im März 2005 sind The Killers schon einmal durch dieses Land gereist, und die Erinnerungen stimmen die Band nicht unbedingt fröhlich. „Der absolute Tiefpunkt war Hiroshima „, sagt Gitarrist Dave Keuning. „Da haben wir vor So Leuten gespielt-alles amerikanische GJs.“

Mit dem zweiten Album sam’s town hat sich für The Killers nicht nur in Japan einiges geändert. Als nach dem durchwachsenen Debüt hot fuss zu befürchten war, dass sie als anglophile Neo-New-Wave-Band mit dem Trend, der sie getragen hatte, wieder in der Versenkung verschwinden würden, haben sich die vier ambitionierten Musiker aus Las Vegas für die Flucht nach vorne entschieden: Mit einer bombastischen Produktion des U2-erprobten Teams Alan Moulder und Flood, einem JOSHUA-TREE-artigen CD -Booklet von Anton Corbijn und einer neuen musikalischen Ausrichtung auf Stars-and-Stripes-gemusterten Stadionrock erfand sich die Band einfach neu. Getrieben von Ehrgeiz, orientieren sich die vier nun an ihrem großen Vorbild U2, um eines Tages auch auf der ganzen Welt die Stadien zu füllen. Man mag The Killers lieben oder hassen, nur ignorieren kann man sie nicht mehr.

In Japan sind die gebuchten Hallen bereits deutlich größer als bei der letzten Tour. Doch obwohl das Zepp in Tokio voll (und der Anteil an amerikanischen G.I.s zu vernachlässigen) ist, kommt hinter der Bühne eine halbe Stunde vor dem Auftritt keine Vorfreude auf. Eine Mischung aus Müdigkeit und Nervosität scheint alle vier Bandmitglieder zu lähmen. Brandon sieht erschöpft aus – da The Killers seit einigen Wochen nicht mehr live gespielt haben, hatte man sich bereits mittags in der leeren Halle getroffen, um fast vier lange Stunden ohne Pause zu proben. Als Vergnügungsreise war diese Tournee von Anfang an nicht konzipiert: Bereits am Tag nach ihrer Ankunft in Tokio begann ein Videodreh für „Read My Mind“, der die Band fast 40 Stunden lang auf den Beinen hielt.

„Die haben das so durchgezogen, weil es hier offenbar keine Gewerkschaften gibt“, sagt Brandon kopfschüttelnd. „Solange man die Kameracrew bezahlt, kann man sie ausnützen, bis sie umfällt.“

Aus ihrer Lethargie wird die Band erst durch das Anklopfen des Tourmanagers gerissen. Durch einen schmalen Gang geht es zum Bühnenaufgang, wo sich die vier Musiker in einem kleinen Kreis aufstellen. „Let’s touch „, sagt Brandon und fasst die anderen bei den Händen. Dave, Bassist Mark Stoermer und Schlagzeuger Ronnie Vannucci schieben jeweils einen Fuß nach vorne, bis sich alle Schuhspitzen berühren. Was folgt, sind keine lauten Schlachtrufe, nur ein kurzer Moment des gemeinsamen Innehaltens. Als die Intromusik in der Halle gestartet wird und fast gleichzeitig ein beeindruckend mächtiger Jubel einsetzt, bricht Brandon den Kreis sofort auf. Allen schießt nun Adrenalin in die Adern, und jeder geht auf seine Weise damit um: Ronnie trommelt hektisch auf einen Flightcase, Mark tritt nervös von einem Bein aufs andere, und Dave, der nicht nur auf der Bühne die großen Rock-Gesten der/oer-Jahre liebt, legt den Kopf in den Nacken und schließt die Augen. Die größte Veränderung ist bei Brandon zu beobachten: Den Sänger durchfährt so kurz vor der Show eine manische Energie. Immer wieder springt er mit angelegten Armen auf und ab und schreit dabei aus vollem Hals „Yeah! Yeah! Yeah!“Mm reicht ihm Red Bull, doch er gibt es nach einem Schluck schon wieder zurück. Der Tourmanager zählt laut von Fünf herunter und gibt schließlich das Kommando „We’re walking!“ Als Brandon hinter den anderen mit einem vor Entschlossenheit und Angst fast irren Blick über die Schwelle nach draußen tritt, entfährt ihm ein gepresstes „FUCK“.

Tokio bereitet den Killers einen grandiosen Empfang. Die Fans, die bis zum Showbeginn so zurückhaltend geschwiegen haben, sind ganz und gar ekstatisch. Tausend Arme recken sich nach vorne, und als Brandon nach dem Opener „Sam’s Town“ am Keyboard das kitschige „Enterlude“ anstimmt, singt der ganze Saal überraschend textsicher aus voller Kehle mit. Seine Sorge war unberechtigt – obwohl es weder ihm noch seinen Bandkollegen an diesem Abend gelingt, eine gewisse Steifheit abzuschütteln, ebbt der Jubel auch zwischen den Songs nie völlig ab. Das Publikum feiert die neuen Singles „Bones“ und „When You Were Young“ mit dem gleichen Enthusiasmus wie die alten Hits „Mr. Brightside“ und „Somebody Told Me“. Als sich nach knapp 75 Minuten mit dem „Exitlude“ der Kreis geschlossen hat, treten die Fans mit glücklichen Gesichtern den Heimweg an. Wirklich zufrieden sind nur The Killers selbst nicht mit der Show. „Wir hatten viele kleine technische Probleme“, murmelt Dave und verschwindet sofort mit den anderen in einem Van, der die Band in ihr Hotel in dem schicken Stadtteil Shibuya bringt.

Als am nächsten Vormittag The Killers und ihre Crew am Hauptbahnhof in den Highspeed-Zug nach Nagoya steigen, ist die Stimmung noch immer nicht gelöst. „Wirklich geschafft haben wir es in Japan noch nicht“, sagt Brandon, nachdem er seinen Sitzplatz am Fenster gefunden hat. „Von hot fuss haben wir hier glaub‘ ich nur 20.000 Stück verkauft. “ Weltweit belaufen sich die Verkaufszahlen für das Debüt inzwischen auf beeindruckende fünf Millionen. Auch sam’stown läuft gut an – in den USA wurde bereits Platin erreicht – doch könnte es in einigen Ländern noch weitaus besser sein. Das Album polarisiert: Für jede ->-> überschwengliche Kritik gab es einen vernichtenden Verriss. Mojo nannte es einen „actionreichen Blockbuster“, der musikexpress bewertete die Platte – obwohl sie innerhalb der Redaktion höchst umstritten ist – mit vier Sternen. NME vergab für den „Grizzly- Man-Rock“ immerhin 8 von 10 Punkten, bezeichnete The Killers in der gleichen Kritik aber auch als „schaurig affektierte“ und „unabsichtlich lustige“Bind. Kaum ein gutes Haar an dem Werk ließen PopMatters und die New York Times, am härtesten aber formulierte es der amerikanische Rolling Stone: „sam’s town wirkt, als ob sie versuchen, ein großes Statement abzugeben. Das Problem ist nur, dass sie nichts zu sagen haben.“

Durch sein übermäßig selbstbewusstes Auftreten,glaubt Brandon, hat er scharfe Kritik geradezu herausgefordert. Dass er sam’s town noch vor Veröffentlichung als „eines der besten Alben der letzten 20 Jahre“ angepriesen hat, bereut er heute bitter. „Ich erinnere mich noch genau, wo und wann ich diesen Satz gesagt habe. Ich hatte keine Ahnung, was das für Folgen haben würde“, sagt er ernst. Er blickt nach draußen, wo die dicht besiedelte Landschaft im Süden von Tokio vorbeizieht, mit den Gedanken aber ist er 9000 Kilometer weit weg:

„Ich war in Las Vegas, in meiner Einfahrt vor dem Haus — es muss April gewesen sein. Ich hab eine geraucht und ein Telefon-Interview gegeben. Wir hatten gerade erst ,When You Were Young‘ aufgenommen. Was ich gesagt habe, hat sich für mich damals wie die Wahrheit angefühlt. Jetzt finde ich es manchmal nicht mehr so großartig.“ Als sam’s town im Herbst veröffentlicht wurde, erschien kaum ein Artikel über die Band, in dem nicht über Brandons großmäuliges Statement gespottet wurde. In Interviews verteidigte er seine Wortwahl zunächst noch tapfer, inzwischen aber ist ihm klar, dass er weder sich noch dem Label mit der Prahlerei einen Gefallen getan hat. „Ich war ja davor nie in einer Band, ich stand nie so im Rampenlicht“, sagt er und sucht plötzlich Blickkontakt. „Und dann telefonier ich mit so einem blöden Kerl in New York und plötzlich wegen eines Satzes – wird dieses schöne Album, das wir aufgenommen haben, so unerbittlich unter die Lupe genommen. Wie verrückt ist das? Wir haben so hart daran gearbeitet, die Songs bedeuten mir alles. Und dann geht so viel kaputt-wegen zwei Sekunden am Telefon. Aber ich lerne daraus. Über das dritte Album werd‘ ich sowas nicht mehr sagen…“

Was und was nicht Brandon Flowers in Zukunft sagen will, darüber hat er sich in den letzten Wochen häufig Gedanken gemacht.

„Ich bin einfach zu ehrlich – wenn man mich fragt, sag ich eben meine Meinung“, sagt er und versucht damit zu erklären, warum keine andere Band der Welt in den letzten zwei Jahren mehr abschätzige Kommentare über Kollegen von sich gegeben hat. The Bravery, Panic! At The Disco, Fall Out Boy, The Stills, The Secret Machines, sogar Thom Yorke wurden von Brandon in Interviews abgewatscht. „Man kennt mich inzwischen hauptsächlich für meine negativen Äußerungen. Das find ich scheiße-so bin ich eigentlich gar nicht“, meint er und schüttelt den Kopf. „Ich mag Essen, Bücher, Filme… Ich erfreu‘ mich am Leben, ich bin ein einfacher Typ.“ Als ihm klar wird, was er da sagt, steigt ein seltsam glucksendes Lachen in ihm auf, das so sehr nach innen gerichtet ist, dass er mehr Luft einsaugt, als er ausatmet. „Ich glaube, das [Schlechtreden anderer Bands] ist ein Abwehrmechanismus „, fährt er fort und nickt dabei einsichtig, als wolle er den Leiter einer Selbsthilfegruppe überzeugen. „Genau das ist es: Ich bin unsicher wegen meines Wortschatzes, meiner Ausdrucksweise und meiner Schulbildung. Und wenn man mich zum Reden zwingt, dann äußert sich das so- dann hack ich auf anderen rum.“

Dass Brandon inzwischen nicht ganz zu Unrecht den Ruf genießt, „schwierig“ zu sein, ist ganz offensichtlich auf sein niedriges Selbstwertgefühl zurückzuführen. „Image bedeutet mir viel“, gibt er zu, weshalb er in beständiger Angst lebt, Fehler zu machen. Unser Fotograf Olaf Heine darf den Sänger nie ohne Erlaubnis ablichten – jedes Motiv muss im Vorfeld über das Management mit ihm abgeklärt werden. Das Misstrauen gegen Gott und die Welt, das den 25-Jährigen auch in Interviews bisweilen scheu und feindselig wirken lässt, gilt in Wahrheit wohl niemand anderem als ihm selbst. „Ich bin nicht so klug“, sagt er, „und ich hab‘ nicht das Gefühl, dass meine Antworten ausreichend sind. Ich setze mich da selbst unter Druck: Ichbingroßer Fan von Morrissey und Bowie-das sind Intellektuelle, von denen es geniale Zitate gibt. Ich hab nicht viel zu sagen. Deshalb flüchte ich mich auch in Kritik-wenn du mich nach meiner Meinung zu Erno fragst, dann fällt mir das leicht, verstehst du? Ich mag keine Interviews. Ich will einfach Songs schreiben und dafür bezahlt werden-das wäre die perfekte Welt.“

Wenig später taucht die andere perfekte Welt am Fenster auf, und wir werden auf angenehme Weise daran erinnert, in Japan zu sein: Nach einer langen Kurve erscheint der majestätische Mount Fuji am Horizont, und ein Raunen geht durch den ganzen Wagen. Auch die Einheimischen im Zug können nicht widerstehen, einen Blick auf die berühmte schneebedeckte Kuppe zu werfen. Brandon steht auf und gesellt sich zu den anderen. Dave und Mark lassen sich von Ronnie unterhalten: Der Schlagzeuger hat einen schlafenden Passagier mit Atemmaske entdeckt und sich in den Kopf gesetzt, an seiner Seite fotografiert zu werden. Tatsächlich gelingt es ihm, das Gepäck des Fremden sachte auf einen anderen Sitz zu verfrachten, um für einen Moment neben ihm Platz zu nehmen. Weniger behutsam geht die Band mit ihrem Merchandise-Beauftragten um: Als der bärtige Mann zu schnarchen beginnt, wird er sofort wachgerüttelt. „Der bekommt Anfälle im Schlaf, und dann schreit er rum“, erklärt Brandon grinsend. „Der träumt immer, dass er im Sarg liegt.“

Am frühen Nachmittag stehen The Killers bereits wieder auf der Bühne. In dem noch leeren Club in Nagoya, einer gesichtslosen Großstadt an der Küste, arbeiten sie konzentriert an „Why Do I Keep Counting?“. Obwohl der Song auf sam’s town blendend klingt, ist die Band weit davon entfernt, ihn live spielen zu können. Besonders hapert es am Harmoniegesang, der die pathetischen Zeilen „Am I strong enough to be the one, will I live to have some children?“ unterstreichen soll. „Chil-dren – mit der Stimme am Ende nach oben“, hat der Sänger mantrahaft wiederholt, doch die Band hat mit der Stelle noch Probleme. ->-» Als der Song an dem Punkt auch beim fünften Durchlauf noch ins Wackeln gerät, bricht Brandon genervt ab. Eine Weile steht er einfach da und reibt sich das Kinn, dann vergräbt er die Hände in seinem Kapuzenpulli und geht mit gesenktem Kopf auf und ab. Der Moment ist beklemmend und Dave, Mark, Ronnie und der Tourkeyboarder Ted Sablay, der seine Parts halb versteckt hinter einem Turm von Equipment beisteuern muss, ertragen ihn schweigend. Mehrere Minuten verstreichen, bevor Brandon an sein Mikrofon zurückkehrt. Er ordnet an, die acht Takte in einer Endlosschleife zu proben. Das zum Singen nötige Selbstvertrauen kann er seinen eingeschüchterten Kollegen nicht geben. Was bleibt ihm anderes übrig, als mit der bedingungslosen Disziplin zu arbeiten, die er als gläubiger Mormone sowieso stets von sich selbst verlangt? Der Weg ist steinig, aber er führt ans Ziel: Nach einer knappen Viertelstunde Dauerwiederholung gelingt der Harmoniegesang fehlerfrei. Als auch ein Durchlauf im Anschluss endlich klappt, erlaubt sich Brandon ein Lächeln. Es ist das erste nach über 60 Minuten.

„Wir verstehen uns heute besser als bei hotfuss „sagt Brandon, als er sich und der Band eine kurze Pause gönnt. „Nur ab und zu ist es schwierig… Wenn ich eine Idee habe, von der ich überzeugt bin, dann sind die anderen manchmal nicht ganz so begeistert wie ich. Aber wir kommen schon Mar.“Mag sein, dassThe Killers nicht die besten Freunde sind – als Zweckgemeinschaft funktionieren sie gut. Und als Brandon später am Nachmittag den neuen und unfertigen Song „Burning Up“ anstimmt, ziehen plötzlich alle an einem Strang: Dave und Mark passen sich sensibel an die Akkordwechsel an und geben ihrem Sänger den Raum, den er zur Entwicklung der Gesangslinie braucht. Ronnie hört zunächst nur aufmerksam zu, liefert dann aber den entscheidenden Impuls: .Mach das mal ein bisschen schneller“, sagt er zu Brandon, legt seinen Burger beiseite und schlägt einen überraschend aggressiven, Soka-artigen Drumbeat vor. Das Experiment glückt: Der Titel verwandelt sich von einer Springsteen-beeinflussten Pianoballade zu einem höchst eigenwilligen, hypnotischen Killers-Song, der das Potenzial hat, ein Klassiker zu werden.

Nach diesem Erfolgserlebnis ist die Stimmung backstage vergleichsweise gut. „Das könnte eine wichtige Nummer auf dem dritten Album werden“, sagt Brandon zufrieden, bevor er sich den Fragen eines japanischen Radioteams stellt. Auch Dave wirkt gelöst: Für eine Fotografin, die eine Porträtaufnahme für ein japanisches Musikmagazin macht, nimmt er eine derart alberne Ludwig-XIV-Pose ein, dass kaum jemand im Raum ernst bleiben kann. Bei dem kleinen Ritual vor Showbeginn schaut Brandon – im Unterschied zum Vortag – jedem einzelnen in der Runde in die Augen. „Gestern war alles ein bisschen schwierig“, sagt er seinen im Schnitt fünf Jahre älteren Kollegen. .Aber davon lassen wir uns nicht beirren, okay? Heute wird es besser werden!“

Er hat recht: Der Auftritt ist berauschend. Vor gut 500 Leuten, die fast platzen vor Glück und Dankbarkeit, The Killers in ihrer Stadt zu haben, fällt es der Band leicht, ihr Bestes zu geben. Offenbar zusätzlich angespornt durch einen prominenten Gast – Lily Allen lehnt gelangweilt an der Absperrung des Mischpults, singt aber jedes Wort von jedem Song des Debütalbums mit – spult Dave ein beeindruckend variationsreiches Gitarrengott-Programm ab: Er soliert mit schmerzverzerrtem Gesicht, spielt Powerriffs im Ausfallschritt, wechselt nach jedem Song die Gitarre, wirft die Mähne zurück und lässt die Axt bisweilen sogar an der Hüfte baumeln, um mit den Händen über dem Kopf den Takt zu klatschen. Auch Brandon wird von der euphorischen Energie des Publikums regelrecht aufgeladen: Wie elektrisiert schießt er bei den Hits von einem Bühnenrand zum anderen, bei „Bling“ joggt er auf der Stelle wie David Byrne, und als am Schluss die ganze Halle die rätselhafte Zeile „I’ve got soul, but I’m nota soldier“ singt, versucht er so waghalsig über Kisten auf Daves Gitarrenverstärker zu klettern, dass ein Roadie herbeieilen und ihn bremsen muss.

Im Hotel Werden The Killers bereits von Fans erwartet. Die Mädchen umringen die Bandmitglieder, ordnen sich aber, als der erste Zettel signiert wird, sofort artig in einer Schlange an. „Ich werd hier verrückt nach ein paar Tagen „, sagt Brandon später, als das Adrenalin von der Show wieder abgebaut ist. „Alles ist komplett anders – das ist schwierig für mich. Für eine Weile ist es cool, wie eine Reise zum Mars. Vielen Leuten geht es ja so mit Las Vegas,für uns aber ist das hier total extrem.“

Er scheint nicht traurig zu sein, dass es schon bald weiter nach Australien geht. Vorher muss er noch ein Konzert in Osaka überstehen. Er weiß wohl, dass es „nie in Mode war, sich selbst ernst zu nehmen „der Gedanke aber, dass seine Musik in Japan aus den falschen Gründen geliebt werden könnte, stört ihn doch. Beim Schreiben von sam’s town hat er sich mit großen Themen befasst: dem Verlust von Werten, der Sehnsucht nach „der guten alten Zeit“ und auch und vor allem mit seiner Sterblichkeit. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Leute das hier auch nur im Ansatz verstehen „, sagt er ernst. Als er überlegt, was von sam’s town übrigbleibt, wenn die Inhalte auf der Strecke bleiben, steigt noch einmal sein glucksendes, privates Lachen in ihm auf. „Es bleiben nur die Refrains „, sagt er und schüttelt den Kopf. „Wenn alles andere auf der Strecke bleibt, dann hat man zumindest noch die Melodien.“ >» www.thekillersmusic.com —