Vor 30 Jahren: Was sonst noch los war
+++ Die Vereidigung des ex-NSDAP-Mitglieds Kurt Georg Kiesinger zum neuen Bundeskanzler am 1. Dezember wird zum Startschuß für die Außerparlamentarische Opposition (APO), die sich vor allen an den Universitäten bildet. Die Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD legt jegliehe Opposition im Bundestag lahm und sorgt u.a. für die Durchsetzung der umstrittenen Notstandsgesetze.
+++ Zur gleichen Zeit mausern sich die blutjungen Pink Floyd zu einer der angesagtesten Bands der Popmetropole London. Am 23. Dezember spielt die Gruppe, noch mit Syd Barrett, bei der Eröffnung des ‚Night Tripper‘-Clubs, der wenig später als ‚UFO‘ zum Zentrum der psychedelischen Musik wird.
+++ In Burbank, Kalifornien, stirbt Walt Disney am 15. Dezember im Alter von 65 Jahren. Exakt vierzig Jahre vorher hatte Disney die Comicfigur Mickey Mouse erdacht, Donald Duck und Goofy folgten wenig später. Darüberhinaus machte sich der Trickfilmzeichner auch einen Namen als Dokumentarftlmer (‚Die Wüste lebt‘).
+++ Die Zahl der in Vietnam stationierten US-Soldaten hat sich seit Beginn des Jahres mehr als verdoppelt und steigt von 181.000 auf 375.000. Über Weihnachten dürfen die gegeneinander kämpfenden US-Streitkräfte und Vietcong für 48 Stunden ausspannen: US-Präsident Lyndon B. Johnson bewilligt auf den massiven Druck der Weltöffentlichkeit einen befristeten Waffenstillstand.
+++ In Baden-Baden werden die „Sportler des Jahres“ gekürt: Mit gleicher Stimmenzahl siegen bei den Damen die Leichtathletinnen Karin Frisch und Helga Hoffmann, bei den Herren gewinnt Radprofi Rudi Altig. Mannschaft des Jahres: die Fußball-Nationalelf. +++ Wende in der bundesdeutschen Außenpolitik; Der frisch vereidigte Außenminister und ehemalige Berliner Bürgermeister Willy Brandt verkündet in einer Rede vor der WEU (Westeuropäische Union), daß die Bundesrepublik auf Atomwaffen verzichten werde. Die gerade abgelöste CDU/FDP-Regierung wollte noch das Gegenteil.
+++ Der Mann der Stunde in der englischen Popszene ist zweifellos der im amerikanischen Seattle geborene Gitarrist Jimi Hendnx: Am 16. Dezember veröffentlicht Polydor die erste Single seiner Band Experience mit dem Titel ‚Hey Joe‘. Die rauhe Ballade schießt umgehend in die Top Ten. In den Londoner Clubs stehen Gitarrenhelden wie Eric Clapton, Keith Richards, Jeff Beck und Pete Townshend mit offenen Mündern vor den Bühnen, auf denen Hendrix spielt, und denken darüber nach, das Gitarrespielen aufzugeben.
+++ Kleingeister im Amtsgericht der britischen Hauptstadt: Dort wird die Vernichtung dreier beschlagnahmter Exemplare des Hubert Selby-Romans ‚Letzte Ausfahrt Brooklyn‘ wegen pornographischen Inhalts beschlossen+++ Derweil turtelt Stones-Boß Mick Jagger unter den wachsamen Augen der Boulevardpresse frisch verknallt mit der noch völlig unbekannten Marianne Faithful. Jagger hatte die höhere Tochter bei einer Party entdeckt und zunächst erfolglos angebaggert. Anschließend schrieb er dem unschuldigen Mädchen die Nummer ‚As Teara Go By‘ auf den wohlgeformten Leib und verhalf ihr damit zur veritablen Popkarriere. Für drei Jahre bleiben die zwei DAS Rock’n’Roll-Traumpaar. Indes wird Jaggers Verflossene, Chrissie Shrimpton, nach einem Selbstmordversuch Ende Dezember in eine Klinik eingeliefert.
+++ Der Verband Deutscher Forstwirte kann sich zufrieden die Hände reiben: Nach einer Studie haben 95% der bundesdeutschen Haushalte zu Weihnachten einen Christbaum in der Wohnung stehen. Der Rest ist eh nicht zu überzeugen.
+++ Trotz starken Nebels versucht der Pilot einer viermotorigen Verkehrsmaschine vom Typ Superconstellation wegen Spritmangels die Landung auf dem Flughafen von Bogota. Das Flugzeug verunglückt, und 18 Menschen finden den Tod.
+++ Wer über die Weihnachtstage mit den Brüdern und Schwestern in der „sogenannten“ DDR telefonieren will, muß sich in Geduld üben: Die Wartezeit bis zur Vermittlung eines Gespräches kann nach Angaben des Postministeriums bis zu vierzehn Stunden betragen.
+++ Magere 41 Kilogramm bringt das klapperdürre Fotomodell Twiggy auf die Waage. Die britische Bohnenstange ziert die Titelseiten der internationalen Modezeitschriften. Mit ihren endlos langen Streichholzbeinen ist sie das ideale Model für den Minirock, der sich auf breiter Front durchzusetzen beginnt.
+++ Wer’s hat, der leistet sich den schönsten Sportwagen aller Zeiten, den Jaguar E. Für die damals astronomische Summe von 28.000 DM gibt’s das Jerry Cotton-Auto mit 265 PS-Motor und der Spitzengeschwindigkeit von 845 km/h.
+++ Den Kultfilm des Jahres liefert der junge italienische Regisseur Michelangelo Antonioni. In The Blow Up‘ mit David Hemmings und Veruschka Gräfin Lehndorff fängt er die elektrisierende Atmosphäre des Swinging London der sechziger Jahre perfekt ein. Hochkarätiger Gastauftritt: die Yardbirds bei einem Clubgig.
+++ Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere befindet sich die deutsche Beatkapelle The Lords. Nach einer triumphalen Tournee durch Polen werden die fünf Berliner mit der einfältigen Pagenkopffrisur von der euphorisierten Teeniepresse gar als „deutsche Beatles“ gehandelt. +++