Von tiefer Trauer zur Lust am süßen Leben: Okkervil River wagen den großen Wandel
Italien! Schon wie er dieses Wort ausspricht, zeigt, welch große neue Liebe sich da im Leben von Will Sheff aufgetan hat. „Diese Mentalität! Das Essen! Der Wein! Und vor allen Dingen die Freundlichkeit der Menschen und ihre Lebenslust!“ Ein Aussage, die man von dem Gründer der nach einer Kurzgeschichte der russischen Autorin Tatjana Tolstaja (und einem Fluss bei St. Petersburg) benannten Band noch vor zwei Jahren nicht erwartet hätte. Da nämlich präsentierte sich der Sänger und Gitarrist, Typ vereinsamter Highschool-Nerd, mit Vorliebe als schwarzsehender Melancholiker, der mit dem Album Black Sheep Boy die Trauer der ganzen Welt auf seine Schultern laden zu wollen schien und gerne immer wieder die Behauptung aufstellte, sein größtes Ziel sei es, musikalisch ebenso wie am Leben zu scheitern.
„Ach, Blödsinn“ kommentiert er das heute. „Ich bin doch nicht nur von einer Stimmung geprägt. Wie jeder andere Mensch auch habe ich Phasen, in denen ich mich gut fühle, und solche, in denen ich nachdenklich bin. Daher hat das neue Album auch eine völlig andere Ausrichtung. Ich hasse es, wenn ich und die Band in eine bestimme Richtung gedrängt werden. Für viele war ich plötzlich nur noch der deprimierte Songwriter aus Austin – aber so einfach ist es eben nicht. „Tatsächlich ist The Stage Names ein positives, für Okkervil River geradezu ausgelassenes Album geworden, das zudem musikalisch deutlich opulenter ausfällt als das letzte und, wie bisher noch jedes Werk der Band, mit größerer Besetzung ais dieses eingespielt wurde.
Ein knappes Dutzend Leute waren diesmal an der Entstehung beteiligt – der Weg zum Orchester scheint nicht mehr weit. „Das haben wir tatsächlich schon hinter uns“, lacht Sheff nicht ohne Stolz. „Vor einiger Zeit haben wir in Austin ein Konzert mit Orchester gespielt. Aber tatsächlich scheint es so, dass ich jedesmal mehr Musiker brauche, um meine Ideen zu verwirklichen.“ In seinen Texten hingegen zeigt er sich in gewohntem Stil: Kurzgeschichten, auf die Länge eines Songs komprimiert, erzählen von oft traurigen Erlebnissen auf unzähligen Reisen und Tourneen,von Begegnungen mit Menschen aller Klassen. Obwohl diese Storys literarisch durchaus was zu bieten haben, weist ihr Autor die Idee einer Veröffentlichung in Buchform von sich: „Ich habe mir vor einiger Zeit Dylans Songbook zugelegt – ein Ziegelstein, mit dem man jemanden erschlagen könnte.
Was bei ihm funktionieren mag, lässt sich mit meinen Texten aber nicht machen. Ich schreibe eine Geschichte zusammen mit einem Song, so dass sie mindestens ebenso sehr von der Melodie lebt wie vom Inhalt Sie davon zu trennen, hieße, ihr einen bedeutenden Teil ihres Selbst zu nehmen.“
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