Verschwindungskünstler
Es begann als Freizeitspaß zweier bekannter Herren von Tocotronic und Superpunk mit nachgespielten Cale- und Cohen-Songs. Inzwischen ist aus Phantom/Ghost eine richtige Band geworden.
Ein dunkles Sehnen durchzieht das dritte Album von Phantom/Ghost. Im Zeitalter von Authentizitätshuberei und kaum verhülltem Befindlichkeitsrock vermittelt THREE den unbedingten Willen zu Stil und Stilisierung. Etwas Feierliches, Verführerisches und seltsam Unzeitgemäßes umweht geheimnisumwitterte Stücke wie „Relax It’s Only A Ghost“ und „All Is Hell“, und Dirk von Lowtzow, anderweitig bei Tocotronic tätig, findet es ein bißchen schade, daß man unweigerlich sofort hört, wer den mal kunstliedhaften, mal kinderliedartigen Songs da seine Stimme leiht: „Es gibt schon sehr oft den Wunsch, daß man als Person hinter die Musik zurücktreten und sagen könnte: Nehmt das, das ist reine und hoffentlich sehr schöne Musik, und das ganze Brimbamborium drum herum braucht es eigentlich gar nicht! Manchmal wäre es echt schön, wenn man nur diese Musik machen könnte und der ganze andere Tinnef wegfiele. Ich fände es wahnsinnig reizvoll, wenn es mal ein Produkt gäbe ohne Werbung, ohne Interviews, ohne Gesicht. Bei elektronischer Musik, beim Techno gab es dieses Versprechen ja mal, aber es wurde nicht gehalten.“
Das Songwriting auf Three (Dirk von Lowtzow komponierte fünf Stücke, Stella- und Superpunk-Mitglied Thies Mynther vier) ist noch akkurater und feinsinniger geworden, aus „Far From The Madding Crown“ kann man sogar britischen Spät-60er-Folk heraushören, wie ihn Fairport Convention und die Incredible String Band einmal spielten.
Die Schönheit von „Tannis Root“ wird zwar noch sublimer, wenn Gastsängerin Michaela Meise zu singen beginnt – aber ist nicht hier wie anderswo mit Kitsch-Vorwürfen zu rechnen? Von Lowtzow hat diesbezüglich Wissenswertes mitzuteilen: „Kitsch ersten Grades wie im Film ‚Sissi‘ ist doch etwas, wo man sehr viel für sich selbst rausziehen kann, in diesem Fall zum Beispiel etwas extrem Unmännliches, was man dann für sich verwenden kann. Ich finde es auch immer interessant, wenn jemand singt: „Ich schenke dir 10.000 rote Rosen auf einem goldenen Tablett‘ oder so. Viel schlimmer ist doch der Kitsch zweiten Grades, der entsteht, indem man Kitsch vermeidet. Dadurch wird der Kitsch nämlich noch viel kitschiger.“
Das vielleicht Lobenswerteste an THREE ist, daß Mynther und von Lowtzow hier scheinbar in anderen Kontexten gefangene Wörter und Codes mühelos in ihren eigenen Kosmos überführen: Die Gespenster und Dämonen bei Phantom/Ghost haben nichts Fratzenhaftes, die finsteren Mächte sind nicht grellweiß geschminkt, und der Schrecken, den man spürt, ist ganz normal. Man wird diese beiden Männer auf der Bühne niemals Tierfelle tragen sehen.
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