Veranstalter resigniert! In Zukunft kein Essener Festival mehr!


Festivals in der Halle scheinen in Deutschland nicht mehr so nach dem Geschmack der Progressiven zu sein. Konrad Mallison, Veranstalter des nun schon zum dritten Mal stattfindenden Essener Pop- und Blues-Festivals, musste diese finanziell bittere Erfahrung machen. Chronischer Besucherschwund machte auch in Essen dem Veranstalter klar, dass sich das deutsche Festival in der Stagnation, wenn nicht sogar in einer Sackgasse befindet. 30.000 wären in Essen nötig gewesen, um den ganzen Unkostenapparat, der bestimmt nicht klein gewesen ist, (bestätigte Zahlen liegen uns nicht vor) zu amortisieren.

Kosten verursachten auch eine besondere Lightshow, die in Deutschland zum ersten Mal praktiziert wurde. Auf durchsichtiger Gaze wurden kommerzielle Werbespots abgefahren, riesige Ballone mit 3 cbm Inhalt schwebten in der Halle, die durch aufprojizierte Filme eine neue Dimension bekamen. Sie wurden später von „Spassvögeln“ nach und nach abgeknallt. Eine Besonderheit war ein roter Lazerstrahl, dessen 2 cm gebündelter Lichtstrahl wie ein Irrwisch die Halle durchsauste. An technischen Demonstrationsmöglichkeiten hat es, wie man sieht, nicht gefehlt. Das konnte jedoch das angebotene musikalische Anschauungsmaterial nicht von sich behaupten. „Acts of god“, denen Jimi Hendrix ebenso zum Opfer fiel wie The Taste, sie haben sich aufgelöst, und Moody Blues, haben dem Veranstalter die Hauptattraktion genommen. Moody Blues, der Hauptattraktion von Samstag, DM 5,- wurden für sie mehr gezahlt, machte das Mellotron einen Strich durch die Rechnung. Der Entrüstungssturm, der sich nach dieser Absage breit machte, stand jedoch in keinem Verhältnis zur Popularität- der Gruppe. Moody Blues, gross angekündigt, konnten ihre musikalische Präsenz nicht unter Beweis stellen.

Enttauschend war für viele der Auftritt des ehemaligen Cream-Bassman Jack Bruce. Obwohl Tony Williams Band „Life time“ inclusive Jack Bruce aus 4 Mitgliedern besteht, ist Jack Bruce das fünfte Rad am Wagen. Für ihn muss erst noch ein Platz geschaffen werden. Zu Tony Williams, der ein agressiver Speeddrummer ist, passt der eher etwas ausgeglichene Bruce eigentlich nicht so recht. Sein Debüt in Essen war denkbar schlecht. Von Ruhm aus glorreichen Zeiten zehrte auch Ginger Baker’s Airforce. Durch wechselnde Bläserarrangements bekommen alte Stücke, wie z.B. „Do what you like“ immer wieder neue Klangfarben. Durch gefestigte Chorstimmen verläuft die Entwicklung der Band jedoch zu einseitig, obwohl hier noch viele Möglichkeiten zu klanglicher Veränderung gegeben wären. Neue Namen prägten im grossen und ganzen den Stil dieses dritten Pop- und Blues-Festivals. May Blitz, Savoy Brown, Fotheringay, Brinsley Schwarz, East of Eden, Wolfgang Dauner und Frumpy gehören ebenso dazu wie die Konsumbeschwörer Westrup Witthüser und nicht zu vergessen die holländischen Gruppen, die bisher immer auf deutschen Festivals Erfolge verbuchen konnten. Für Brainbox war die Begeisterung gross. Eine Zugabe konnten sie nicht geben, weil von dem übereifrigen Stagemanager der Strom abgeschaltet wurde. Das wiederum verärgerte das Publikum, das sich dann durch Pfeifen, Pfuirufen, und Johlen Luft machte. Brinsley Schwarz, Rockexperte, testete nach und nach den musikalischen Sachverstand der 3.000, die sich am Donnerstag eingefunden hatten. Seine Testserie begann sehr simpel im alten Shadow-Stil, nur mit Orgel bereichert. Nach jeder Nummer präsentierte sich wieder eine neue Gruppe, die Bluesinspiration blieb jedoch als Urelement immer vorhanden. Brinsley Seh.

selbst flachste mit einem, der irgendwo in der Halle sass. Die etwas unbefriedigende Stimmung, die sich vorher bei Ginger Baker breitgemacht hatte, wandelte Brinsley Seh. immer mehr in Begeisterung und Enthusiasmus um. Das da eine Zugabe fällig war, versteht sich von selbst.

East of Eden schmeichelte sich in die schon geschaffene Stimmung hinein. Sie teilten sich mit und erschlossen sich einem sachverständigen Publikum. Die leichtfertigen, fast spielerischen Violinenakkorde wurden von den Zuschauern ebenso happy interpretiert, wie sie gespielt wurden. Bedauerlich war, dass man V2 Stunde vor Schluss, gerade in den letzten 3 Titeln von East of Eden, von Ordnern gezwungen wurde, seinen Platz zu räumen. Mein Einwand, das Festival sei noch nicht zu Ende, wurde mit „Ich hau dir eins in die Fresse“ unter den Tisch gefegt. East of Eden wird es sicherlich „östlich“ vorgekommen sein, dass die Leute schon vor dem Ende die Grugahalle verliessen. Wolfgang Dauner, ehemaliger Düsseldorfer Jazzer, gab sich in Essen mit seiner Musik und zwei Drummern sehr exzentrisch. Seine Musik entsteht aus dem Nichts. Keine Klangschemen bestimmen den Ablauf der Musik. Jeder spielt sich selbst. So entsteht eine Musik, ohne einen vorher konzipierten Anfang oder Schluss.

Savoy Brown durch seine mittlerweile 3. LP schon bis in progressive Kindergärten bekannt, baute einen Blues auf, der akkustisch und klanglich ausgepfeilt war bis ins kleinste Detail. Alle in der Band sind talentierte Techniker, die ihr Instrument in jeder Lage beherrschen. Holländische Gruppen, so zeigt die Entwicklung, stellen senon heute eine respektable Alternative zu englischen Formationen dar. Sind bestimmte englische Gruppen durch zu hohe Gagen nicht zu bekommen, greift man in 90 % der Fälle auf die qualitativ gleich guten Gruppen aus dem Blumenland zurück. In Holland ist mittlerweile ein Reservoir von guten Bands entstanden. Ekseption, Brainbox, Golden Earring, Living Blues, Cuby and the Blizzards, Machine, Amsterdam sind auf deutschen Festivals keine Seltenheit – In Essen waren 6 holländische Formationen vertreten, die alle ohne Ausnahmen dem musikalischen Standard der englischen Gruppen standhalten konnten. Nur einen Unterschied gibt es – sie sind viel billiger. Bei den hohen Gagenforderungen englischer Bands ist das ein Punkt, den man berücksichtigen muss.

Der Veranstalter selbst hat in diesem Punkt auch resigniert. Das hohe finanzielle Risiko, das man bei solchen Veranstaltungen eingeht, steht heute nicht mehr im Verhältnis zu den Einnahmen. Es ist so kurz nach dem Festival noch nicht mit Sicherheit zu sagen, dass man mit Plus-Minus-Null abgeschlossen hat. Essener Pop- und Blues-Festivals wird es im Jahre 1971 nicht mehr geben. In Essen hat man sich auf die Erfahrung und Besucherzahlen von zwei vorangegangenen Veranstaltungen gestützt. Etabliert sein ist keine Garantie für zufriedenstellende Zuschauerzahlen. Auch der Veranstalter meinte, dass die wirklichen Aufhänger gefehlt hätten. Verpflichtet waren sie. Jimi Hendrix ist gestorben und the Taste haben sich gespalten. Das kann man dem Veranstalter nicht ankreiden. Das waren „acts of god“, denen Jimi Hendrix und the Taste zum Opfer gefallen sind. Veranstalter Mallison ist nun auch zum Opfer seiner Kurzsichtigkeit geworden. Trotzdem er immer wieder versucht hat, individuell ein Festival aufzuziehen, neue Gruppen nach Deutschland zu holen und neue Lightshows aufzuspüren, ist er für diese Aktivität von den wirklich Progressiven nicht entlohnt worden.