Van Halen
Statt eines pompösen Intros reißt diesmal der Klang einer hoch tourigen Bohrmaschine 16.000 Van Halen-Fans von den Sitzen. Das Vorspiel des MTV-erprobten „Poundcake“ bildet zugleich den Auftakt für 100 Minuten
Hardrock der Extraklasse. Wer glaubt, hier gastiere ein Gitarrengott mit seinen drei Jungem, muß sich schnell eines Besseren belehren lassen: Edward Van Haien verzichtet demonstrativ auf fingerflinke Soli und stellt seine virtuosen Fähigkeiten ganz in den Dienst der Songs.
Die Band liefert Teamwork, und wenn trotzdem einer aus dieser Mannschaft hervorsticht, dann ist das Frontmann Sammy Hagar — nicht nur durch seine, mit Anzüglichkeiten gespickten Zwischenmoderationen, sondern auch mit drei exzellenten Songs aus seinen früheren Solo-Tagen. Besonders die Bleifuß-Hymne „I Can’t Drive 55“ findet die lautstarke Unterstützung der Anwesenden — von Speedlimits gepeinigte Autofahrer allesamt.
Den ersten Teil des Konzertes bilden Songs vom neuen Bestseller-Album „For Unlawful Carnal Kowledge“, gefolgt vom Schmachtfetzen „How Do I Know That It’s Love“. Im Anschluß darf Bassist Michael Anthony demonstrieren, daß er nicht nur auf dem Griffbrett beweglich ist: Auch auf der Bühne wieselt er. trotz eines unübersehbaren Bäuchleins, so temperamentvoll hin und her, als sei er nur halb so alt wie ihn sein Reisepaß ausweist.
Von ihm übernimmt Alex Van Haien die Showman-Stafette: Mit nacktem Oberkörper markiert er den wilden Mann an den Trommeln. Neue Seiten kann er seinem Instrument nicht abgewinnen, muß er auch nicht, das Publikum hat er ohnehin auf seiner Seite.
Daß auch eine so erfahrene Truppe alter Haudegen mit den Tücken der Technik zu kämpfen hat, zeigt sich bei „Why Can’t This Be Love“, komplett mit Keyboards vom Band: Hier gerät der kopfhöhrertragende Alex Van Haien zwischen den Beat des Click-Tracks und vermurkst die ganze Nummer, ansonsten erweist er sich jedoch als höchst temperamentvoller, präziser Schlagzeuger mit Hang zu funkigen Rhythmen. Sammy Hagar ist nicht nur ein besserer Sänger als sein Vorgänger, im Unterschied zum Überflieger David Lee Roth kann er auch kompetent Gitarre spielen. Seine drei Kollegen räumen sogar das Feld, um Hagar das Spotlight für seine Ballade „Eagles Fly“ zu überlassen.
Nach dem Abgang des Sängers macht Eddie nochmals mobil. Als der Saiten-Meister endlich ins Rampenlicht tritt, schlägt die bislang joviale Stimmung in erwartungsvolle Stille um. Das Idol tausender Amateur-Gitarreros zieht alle Register der Klampfenkunst, öffnet seine Trickkiste und zaubert, was das Zeug hält. Strahlend wirft er sich in Heldenpose und badet genüßlich in tosendem Jubel. Nicht mal der einsetzende Regen kann die Stimmung dämpfen, zumal als Zugaben die Klassiker Jump“ und „You Really Got Me“ entstaubt werden. — Fazit: Bar jeglicher Starallüren und überkandidelter Showeffekte, präsentieren sich Van Haien auch weiterhin als bodenständige Rockband, die nichts weiter im Sinn hat, als eine gute Partv zu schmeißen.