Unknown Gender – München, Alabamahalle
Die meisten saßen an diesem Samstagabend natürlich vor dem Bildschirm – Rockpalast-süchtig. Die aber, und erstaunlicherweise waren es gar nicht wenige, die sich in der Münchner Alabamahalle Unknown Gender ansahen, erlebten ein erfreuliches Kontrastprogramm.
Unknown Gender, das unbekannte Geschlecht, nennt sich dieses Frauentrio aus New York – und wie der Name schon sagt: Es taugt nicht zu Debatten über geschlechtsspezifische Talente. Durch unprätentiöses und sehr offenes Verhalten bewies das Trio neutrales Können und Qualität und zwang zur Konzentration nicht ohne Spaß. Seit dem Auftritt von Glenn Branca, der aus der gleichen New Yorker Musikerelite stammt, habe ich kein vergleichbar abenteuerlustiges Konzert mehr erlebt.
Die Band läßt sich stilistisch keiner Welle zuordnen, sondern bediente sich auf sehr selbstverständliche und sichere Art der reichhaltigen amerikanischen Musiktradition. Der selbstbewußte Umgang mit den Musikermaterialien machte es möglich, daß hier Rockabilly und Rhythm’n’Blues eine entspannte Koalition mit Avantgarde-Mitteln eingingen, in der auch noch Platz für überraschende Improvisationen war.
Weil derzeit das freie Spiel, hier innerhalb der vorhandenen homogenen Kompositionen, nicht besonders in Mode ist, muß man das den drei Musikerinnen besonders hoch anrechnen. Der Bass von Cindy Rickmond, äußerlich eine kleine Schwester von Elvis Presley, kam klar und treibend zu dem schwungvollen, federnden Schlagzeug von Vivian Stoll. Lynne Messenger führte ihr Gitarrenspiel ausgeglichen zwischen Einfallsreichtum und Energie und durchlief als Sängerin der Kürzeltexte an diesem Abend etliche Extreme. Unknown Gender, für mich ein Beweis, daß gestraffte Minimalmusik nicht unbedingt verklemmt, manieriert und entseelt klingen muß, wie das in Europa so oft der Fall ist.