Thomas Wilbrandt


Einen unlimitierten Fantasy-Trip auf der Basis von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ apostrophiert Thomas Wilbrandt sein innovatives und klangästhetisches Werk THE ELECTRIC V. Es verkörpert die Idee, Elektronik und Akustik, Innovation und Tradition zu fusionieren und aus dieser Synthese eine neue Soundsprache zu kreieren, die die Berührungsängste zwischen Klassik und moderner Rock- und Elektronik-Avantgarde abbauen soll.

Doch damit keine Mißverständnisse entstehen: THE ELECTRIC V. ist keine verpoppte Klassik mit vordergründiger Effekthascherei, sondern „eine von vielen möglichen Annäherungen mit der Soundsorache von heute an Vivaldi“.

Daß Thomas sich für Vivaldis Konzertzyklus „Die Vier Jahreszeiten“ entschieden hat, erklärt er damit, daß die Vier Jahreszeiten ein in sich abgeschlossenes Werk – und darüber hinaus noch gute Popmusik ist; als solche sei sie jedenfalls von Vivaldi auch konzipiert worden.

Obwohl Wilbrandt ein Klassiker par excellence ist – Klavierunterricht im zarten Kindesalter, Besuch des Mozarteum in Salzburg, Assistentenzeit bei Herbert von Karajan und den Berlinern Philharmonikern nach seiner Dirigentenausbildung – und schließlich die Gründung seines eigenen Orchesters, der „Berliner Kammer-Akademie“ – hat er für die Klassik-Puristen nichts übrig und zählt sie auch nicht zu seinem Electric V.-Publikum.

Er, der von klassischen Komponisten wie Bruckner, Mozart und Bartok auf dereinen – und neuzeitlichen Künstlern wie Brian Eno, Talking Heads, Rupert Hine und Laurie Anderson auf der anderen Seite inspiriert ist, sieht sein Publikum in der Pop- und Avantgarde-Ecke, obgleich er die Grenzziehungen in der Musik ebenso kategorisch ablehnt wie die Wertung „Das ist große Kunst“. Grenzen gibt es für ihn lediglich zwischen guter und schlechter, nicht aber zwischen E- und U-Musik.

Innovativ auf THE ELECTRIC V., das eine noch nie gehörte Klangvirtuosität und Transparenz ausstrahlt, ist der Einsatz des komplizierten GDS-Computersystems, dessen Soundbildung ein wissenschaftlichmathematischer Programmierungsgang vorausgeht. Thomas geht bei der Nutzung dieses digitalen Computersystems von der Prämisse aus, daß die vielfältigen Soundmöglichkeiten nur in einem schlüssigen musikalischen Konzept einen Sinn ergeben.

Thomas Wilbrandt möchte mit seinem Doppelalbum, dessen Originalparts übrigens vom Philharmonia Orchestra London eingespielt wurden, dazu beitragen, daß die Limitierung der Hörgewohnheiten abgebaut wird. Mit Spannung darf man seinem nächsten Projekt entgegenblicken, diesmal mehr in Richtung tanzbare Elektronik. Wer ELECTRIC V. kennt, wird ihm auch bei dem Vorhaben Beeindruckendes zutrauen.