Theatre des Bouffes du Nord, Paris – Carla Bruni
Katzenzungen und Champagner: Die Konzert-Premiere der erfolgreichsten Chanson-Sängerin Frankreichs.
Das Theatre Des Bouffes Du Nord im zehnten Arrondissement von Paris ist eine architektonische Perle. Früher, im Zeitalter des Can-Can und der Schützengräben, wurden hier Revuen gegeben, bei der Instandsetzung Mitte der siebziger Jahre wurde gottlob der herbe Charme des Verfalls belassen, nicht zuletzt deshalb ist es eine der schönsten Bühnen der Stadt. Ein hoher Raum mit steilen Rängen und einer Kuppel. Ein Scheinwerfer leckt über die speckige Wand. Rostrot. Die Säulen an der Baikonen bröckeln vor sich hin. Man möchte hier gern einmal Moliere sehen, Ibsen, Shakespeare oder eben Carla Bruni. Da unten leuchtet sie wie ein Kandelaber und haucht ein Lied in die Dunkelheit. Ein einfaches Lied, ein schönes Lied. „L’amour“. Drei Gitarren, ein Schlagzeug, Kontrabass. Und da ist es schon, das magische „mmhmmhnn“. Eine unwiderstehliche Konsonantenfolge, wenn sie aus dem Mund von Carla Bruni kommt. „Die Liebe … steht mir nicht“, singt das ehemalige Top-Model, „sie ist nicht von Saint-Lourent, sie sitzt nicht perfekt.“
Für solche Sätze lieben wir die 36-jährige Italienerin mit Wohnsitz Paris. Ihre frühere Karriere, das „Mannequinat“, liegt weit hinter der schönen Frau im schlichten Sweater. Seit zwei Jahren ist Carla Bruni Mutter und die erfolgreichste Chanson-Sängerin Frankreichs. Das Album ouelou un m’aoit hat sich allein in ihrer Wahlheimat 1,5 Millionen mal verkauft. Zwei Jahre hat sie sich Zeit gelassen, ehe sie die ersten Live-Shows gab. Heute, endlich, die Konzert-Premiere in Paris. Carla Bruni ist ausgesprochen entspannt. Sie spricht mit dem Publikum, blödelt mit dem Gitarristen Louis Bertignac und strahlt in die Dunkelheit des Zuschauerraums, dass es einem ganz warm in der Brust wird. Carla Bruni hat eine Stimme, die so rauchig ist, dass man sie inhalieren möchte. Eine Stimme, die vor Obertönen zittert. Eine Stimme wie eine Siamkatze, die sich streckt und reckt, um sich dann an den Kachelofen zu schmiegen. „Mmmhmmhmm.“ In der französischen Presse wird ihr Gesang mit Worten bedacht, die man nur mangelhaft übersetzen kann. Lautmalereien wie „murmurer“, „chuchoter“ , „ronronner“, murmeln, flüstern, schnurren. „Ich singe jetzt ein italienisches Wiegenlied“, kündigt sie an. „schlaft bitte nicht ein.“ Ah! „Buona Notte Fiorellino“ von Francesco de Gregori. Man kann sich kaum entscheiden: Gänsehaut oder Dahinschmelzen? Mitsummen oder Verstummen?
Carla Bruni ist eine Verführungskunstlerin in jedem Sinne. „Je suis exzessive‘, sagt und singt sie über sich selbst und wickelt uns um den kleinen Finger jener schönen El-Greco-Hand, die so sanft über die Saiten der Gitarre streicht, „ich habe einen in jedem Hafen, in jedem Süden, in jedem Norden“. Immer weiter, immer mehr dreht sieden Gender-Spiefi um. Männerkörper werden besungen wie Männerkörper selten besungen wurden. „Du bist der Hintern, ich bin der Stuhl. „Als Bruni schließlich „Fernande“ von Georges Brassens anstimmt, explodiert der Saal. „Wenn ich an Fernande denk“, heißt es in diesem Klassiker des französischen Skandallieds, „krieg ich einen Steilen „. Holla! Auch die anderen Cover-Versionen-von Gainsbourgs „La Noyee“, über „Sweet Virginia“ von den 5tones bis hin zu Jacques Higelins „Je suis amoureuse dune cigarette “ – singt Carla Bruni als wären sie ihr auf den Leib geschrieben.
Die 600 Gäste sind restlos begeistert, aberdas exakt 60 Sekunden kurze letzte Lied „La derniere Minute“ tickt bereits auf dem Metronom. Tosender Beifall, stampfende Füße. Noch ein Brassens und „Love Hurts“ von den Everly Brothers. Eine Viertelstunde später gehen Bruni die Zugaben aus. In ihrer Not stimmt sie noch einmal“.Raphael“ an, das Lied zu Ehren ihres Ehemanns. Kann ja nicht schaden. Wir atmen noch einmal kräftig den Rauch dieser Stimme ein und holen uns ein Glas Veuve Cüquot. Der Empfang findet im Foyer statt. Wenige Meter neben uns steht Raphael im braunen Cordanzug. Glücklich, smart – ein Philosophie-Dozent, heißt es. Der Star des Abends weht wie eine Frühlingsbrise durch die Grüppchen. Zum Glück begrüßt man in diesem Land auch Unbekannte mit Küssen auf die Wange. „Mmmhmmhmm“.