The Whitest Boy Alive, Woodkid, Mike Skinner


Beim ersten Electronic-Beats-Konzert in Prag treten The Whitest Boy Alive, Woodkid, Grimes und Mike Skinner auf.

„No fights at my Concerts!“, ruft Erlend Øye in die Menge. Der Sänger von The Whitest Boy Alive schaut ernst drein. Aber nur kurz, dann lacht er wieder. Warum sollte er auch Angst haben vor Krawall? Die Leute tanzen schließlich. Als Headliner des Electronic-Beats-Festivals in Prag (5. Mai, Archa Theatre) treffen Øye und seine Musiker auf ein Publikum, das jede seiner Bewegungen mit Begeisterung aufnimmt. Und man kommt auch nach bald zehn Jahren The-Whitest-Boy-Alive-Bandgeschichte nicht drumherum Øyes Moves so lustig zu finden. Der Schlaks mit der Hornbrille bewegt sich seltsam. Aber die Musik dieser immer noch bestens eingespielten Band lässt ihm wohl keine Wahl: Er probiert es zumindest. Vor drei Jahren veröffentlichte das Quartett sein letztes Album („Rules“), und das Prager Publikum, so scheint es, kennt jeden Song auswendig. Die Band, die bis zur letzten Zugabe, ihrem Hit „Burning“, gefeiert wird, ist uns jedoch noch immer die Klärung zweier Geheimnisse schuldig: Wie schafft es Schlagzeuger Sebastian Maschat, seinen Disco-Rhythmus so hart und präzise zu spielen, aber seinen Oberkörper so steif zu halten wie der Rektor eines preussischen Gymnasiums anno 1902? Und was war das für ein Schusswechsel zwischen Øye und Keyboarder Daniel Nentwig? Der Sänger und der Tastenspieler verschanzten sich jeweils hinter ihren Monitorboxen und hielten ihre Instrumente wie Waffen aufeinander gerichtet. Wie selbstverloren sie sind. Für Øye ist die Bühne ein Nahkampfplatz für Freunde.

Es ist ein Gemeinplatz, aber man kann es nicht anders sagen: Woodkid alias Yoann Lemoine, einer der Newcomer des Jahres und letzter Live-Act vor The Whitest Boy Alive, sieht an diesem Abend tatsächlich ein wenig so aus wie ein „Woodkid“: mit Käppi und Moonwashed-Jeans wirkt er, als käme er direkt aus seinem Wohnwagen im Wald marschiert. Aber auch in Begleitung seines Waldmannvereins: Hinter ihm machen sich Trommler und Bläser bereit, Fuchs und Gans in den Arsch zu blasen, und der Band gelingt das kleine Kunststück, tatsächlich so präzise zu klingen, als kämen ihre Rhythmen aus dem Computer. Ein organischer Sound, angetrieben von Robotern. Die Zuschauer jubeln dem Franzosen und dessen Alpenverein zu, sie kennen seine EP „Iron“, und Lemoine dirigiert die Massen mit seinen weit ausschweifenden Atmbewegungen nach Belieben. 

He, Mike, was war denn da los? Mike Skinner ist ja noch immer besser unter seinem Namen The Streets als unter eigenem Namen bekannt. Und er hat den Grimm in seinem Blick noch immer nicht abgelegt. Mit einem echten britischen Bloke an seiner Seite – Specknacken mit Bierbauch, der im das Bier hält und ihm Dinge ins Ohr flüstert – führte Skinner zum Abschluss der Nacht durch ein DJ-Set, in dem immer wieder seine Vorliebe für Tech-House durchschimmert. Skinner bleibt ein guter Selektor, aber die Übergänge waren an diesem Abend oft weniger elegant. Vielleicht lag es an seinem Bierkonsum, dass er dem Publikum einen kleinen Downer berscherte, und nicht nur sich selbst ermüdete. Vielleicht lag es auch daran, dass die Live-Sets der voran gegangenen Künstler so stark waren.