Still crazy after all these years
Mit 22 hatte er den Hit, mit 23 die Nase voll, mit 25 es sich anders überlegt: Tone-Loc spielt wieder den Verrückten
Tony Terrell Smith, der für die Rap-Karriere seinen Street-Spitznamen „Tone-Loc“ („loco“ ist spanisch für „verrückt“) annahm, hatte schnell die Schnauze voll. Ständig nervten ihn Journalisten mit neugierigen Fragen, immer wieder mußte er seine Homeboys in Los Angeles zurücklassen, um zu PR-Aktivitäten um die Welt zu jetten.
Ein hartes Leben für einen 22jährigen, der früher eine ruhige Kugel als Computer-Programmierer schob („Wenn ich nichts zu tun hatte, versteckte ich mich zum Pennen unterm Schreibtisch!“) und sich außerdem eine goldene Nase verdiente, indem er zwangsversteigerte Häuser kaufte, sie renovierte und kurze Zeit später mit Profit wieder abstieß. Kein Wunder, daß Tony damals kategorisch verkündete, er werde es höchstens noch ein Jahr im Musikbusiness aushallen.
In der Zwischenzeit hat er nicht nur seine Meinung geändert, sondern gleich auch seine zweite LP COOL HAND LÖC aufgenommen.“.Ich habe die Musik nach einer Weile vermißt, weil sie Spaß macht. Es ist einer der wenigen Jobs, bei denen man echte Freiheit besitzt und keine Stechuhr bedienen muß“, erklärt Mercedes-Fahrer Tone-Loc im Wohnzimmer seiner schmucken Villa in Los Angeles, während Söhnchen Bijon in der Windelhose zwischen seinen Beinen herumkriecht. „Ursprünglich dachte ich, ich hätte mit der Musik genug Kleingeld verdient. “ Als neuen Termin für den Rückzug aus dem aktiven Berufsleben hat Tone-Loc, inzwischen 25, jetzt das 30. Lebensjahr ins Auge gefaßt.
Der Rapper mit der Raspel-Röhre, die er einem Erkältungs-Elixier seiner Mutter verdankt (Tee und Brandy trafen damals auf hochgradig gereizte Stimmbänder), durfte beim zweiten Album auch hinter den Kulissen aktiv werden. Für seine bislang größten Hits „Wild Thing“ und „Funky Cold Medina“ hatte seine Firma Delicious Vinyl Tone-Locs einstigen Label-Kollegen Young M.C. als Ghostwriter verpflichtet, da ihnen Tones eigene Reime für den Popmarkt zu schweinisch waren. Auf seiner zweiten LP produzierte „Cool Hand Löc“ jedoch die Hälfte der Songs selbst: „Früher hatte ich nicht die Geduld, auch bei der Produktion der Musik dabeizusein — dadurch landeten ein paar Dinge auf der Platte, die mir nicht gefielen. So etwas sollte mir diesmal nicht passieren.“
Tone-Loc, von Haus aus ein großer Fan von 70er Funk à la Ohio Players und Parliament/Funkadelic, versuchte sich neben den gewohnten funky Street-Beats diesmal auch am Lover-Rap. Im Song „All Through The Night“ gibt er sich an der Seite von Gast-Sänger El DeBarge als Barry White der Rap-Musik — auf Kritik ist er vorbereitet, denn schon bei der ersten LP wurde ihm Ausverkauf vorgeworfen. „Trotzdem hat mir noch niemand ins Gesicht gesagt, daß ich eine Memme sei. Dazu fehlt ihnen dann doch der Mumm. Unqualifizierte Kritik ist ohnehin häufig einfach der blanke Neid von Leuten, die selbst keinen Platten-Deal bekommen. Who cares.“
Obwohl er dem Mittelstand entspringt und heute auf der sozial gehobenen West Side von Los Angeles wohnt — etwa auf halbem Weg zwischen Hollywood und der „Kriegszone“ South Central . wird Tone-Loc auf der Straße nach wie vor respektiert. Insider verraten, er habe eine Zeit lang mit den Crips, einer der gefährlichsten Straßen-Gangs von LA. zu tun gehabt. Er selbst jedoch verweist nur stolz auf seine Mitgliedschaft im West Side Tribe — er zieht sein T-Shirt hoch und präsentiert seinen Oberarm, den eine große Tätowierung mit dem Emblem seines Tribes schmückt.
„Die Tatsache, daß ich mich für eine Weile auf der Straße herumgeprügelt habe, bedeutet nicht, daß ich nicht dieselben Träume wie der Rest der Leute hatte. Was ich tat, war einfach altersbedingt“, betont Tone, um im gleichen Atemzug aber auch davon zu berichten, daß seine West-Side-Jungs derzeit mit den schwergewichtigen Samoanern vom Boo-Yaa Tribe auf Kriegsfuß stehen.
Soziale Stellungnahmen und politische Botschaften sind Tone-Loc grundsätzlich fremd. „Ich kümmere mich nicht um viel“, gibt er unumwunden zu. Seine Helden sind daher auch nicht Malcolm X oder Martin Luther King, sondern Sportler wie Muhammad Ali, den er erst vor einiger Zeit in seinem Haus begrüßen durfte.
Tones Sohn Bijon wußte die Bedeutung dieser Zusammenkunft nicht zu schätzen: Beim gemeinsamen Dinner kotzte er dem King das Abendessen in den Schoß. „Bijon hat schon viele Prominente getroffen“, lacht Tone-Loc. „Keiner kam ungeschoren davon -— er reiherte bei jedem…“