Spontan auf die Schnauze
Sie war das "Babe" der Grunge-Szene und immer schlecht gelaunt. Jetzt soll sich für Juliana Hatfield endlich alles ändern.
Das ist doch mal eine Aussage: „Ich finde nicht, dass ich mehr Erfolg verdient hätte, im Gegenteil Ich habe viel zu viele Platten verkauft. Ich war doch bloß ein kleines Mädchen, das tierisch gehypet wurde und damit überhaupt nicht umgehen konnte.“ 37 Jahre ist Juliana Hatfield heute alt. Sie macht Musik, seit sie 1986 in ihrer Heimatstadt Boston die College-Radiorock-Formation Blake Babies mitgründete. Dann kamen die 90er, es kamen Nirvana, es kam Grunge und in Julianas Leben für einige Zeit das totale Chaos, einerseits mit ihrem zeitweiligen Kreativ- und Lebenspartner Evan Dando (Sänger der Lemonheads, bei denen Juliana Bass spielte und mitsang), zum anderen in Form eines unvermittelt einsetzenden Aufmerksamkeitssturms, gegen den das zarte Persönchen nicht gewappnet war. Zumal sie eine Rolle spielen sollte, in der sie sich ohnehin nicht wohl fühlte: das Quoten-Grunge-Babe. „Dabei habe ich bloß meine Lieder zur Gitarre gesungen und’warnoch nicht mal besonders gut dabei.“ „Spin The Bottle“ hieß ihr größter Erfolg; der Song kam im Slacker-Film „Reality Bites“ zum Einsatz, es folgten Alben wie HEY babe und become what you are, ein fetter Vertrag bei einer fetten Firma – und die Sinnkrise. „Meine größte Stärke ist, mich selbst nieder zumachen“, sagt Juliana. „Wenn man so will, habe ich meine ganze Karriere auf Nörgelei aufgebaut.“ Das wurde dann schwierig, weil niemand mehr Nörgelrock hören wollte. Neun Jahre ist Hatfield nicht mehr in Deutschland aufgetreten; auch ihre Platten wollte hieizulande niemand hören und veröffentlichen. Das soll nun alles anders werden. IN exile deo heißt Julianas neues Werk, darauf macht sie im Prinzip den mal ruppigen, mal melodiösen, mal grüblerischen Gitarrenpoprock, den sie immer gemacht hat, bloß, und das ist ihr wichtig, „bin ich nicht mehr ganz so schlechtgelaunt dabei. „Ganz so gut gelaunt aber auch nicht. „Tourist“ ist ein sonniges Liedchen, wie es auch von Sheryl Crow stammen könnte, aber am wohlsten fühlt sich Hatfield immer noch, wenn sie über „hässliches, emotionales Zeug“ schreibt. „Wenn ich jemanden einen fröhlichen, ausgelassenen Song singen höre, möchte ich dieser Person spontan auf die Schnauze hauen. Glückliche Menschen sind exotische Kreaturen für mich, mit denen kann ich nicht viel anfangen.“ Immerhin glaubt sie wieder an die gute alte Freund-Freundin-Sache; seit kurzem ist Juliana frisch liiert, auch wenn „Get In Line“ in all seiner Verzweiflung noch inspiriert sei von der Szene in „Last Exit Brooklyn“, „in der sich eine Prostituierte komplett aufgibt, auf eine Matratze mitten auf der Straße legt und allen Typen, die vorbeikommen, zuruft: „Fick mich, wenn du magst! ‚.“An sich, sagt sie mit leiser Stimme, sei das Leben ja doch nicht so übel, speziell ihres. Immerhin kann sie vom Musik machen leidlich leben und schließt nicht mehr aus, vielleicht doch mal Nachwuchs zu bekommen: „Immer häufiger denke ich, ich habe mein Leben damit vergeudet, mich schlecht zu fühlen. Inzwischen fühle ich mich nicht mehr schlecht, wenn ich mich gut fühle.“