South By Southwest Festival


Beim jährlichen Band-Massenauftrieb auf der Bushland-Oase deutet sich eine neue British Invasion an.

Fünf Tage und fünf Nächte im März. 1567 Künstler und Bands. 9.000 Musikbranchen-Gschaftlhuber und zehntausende Fans, 59 offizielle und eine Schar inoffizieller Venues auf gut zwei Quadratkilometern. Das ist South By Southwest (kurz: SxSW) in Austin, Texas. Wer da befürchtet, den Überblick zu verlieren, hat völlig recht. Aber egal. Man stolpert von einem Konzert zum nächsten und findet sich bald damit ab, daß man nicht alle Bands sehen wird, die man sich vorgemerkt hat.

Austin? Das ist zwar die Hauptstadt des Bush-States Texas, aber gleichzeitig auch der liberalste Ort im Zentrum der neokonservativen Hochburg der USA, der einzige Wahlkreis im Lone Star State, der mehrheitlich für Kerry gestimmt hat. Das beschreibt die optimalen Voraussetzungen, die hier für das Festival der Superlative herrschen. Austin atmet Musik,vom frühen verkaterten Morgen an. Die Achse des Guten ist dabei die 6th Street, wo sich Bar an Kneipe an Spelunke reiht. Aus jedem Loch tönt es mal verlockend, mal abstoßend. Selbst beim Nudeljapaner steht jemand mit Klampfe. Viele der Bands treten gleich mehrfach auf: Neben dem offiziellen Konzert gibt es meist noch einen Sonder-Gig im Plattenladen oder in der Hotellobby. Da darf man sich als Cafe-Gast nicht wundern, wenn bereits mittags vielversprechende Bands wie The Blue Van und Ambulance Ltd. spielen. Sehr wundern muß man sich hingegen, wenn alles hier seit Tagen vom Billy-ldol-Comeback schwärmt. Auf der Bühne des Stubb’s BBQ muss die britische Kurzhaarblondine mit Wohnsitz in Kalifornien dann aber erst Kamellen á la „Rebel Yell“ und „White Wedding“ bemühen, bis der Funke überspringt. Zeit zu gehen.

Andere britische Bands haben es hier viel leichter. Der Abend im La Zona Rosa, an dem u.a. The Futureheads, Kaiser Chiefs, Hot Hot Heat und Doves auftreten, darf als der heißestbegehrte in diesem Jahr gelten. In den drei Schlangen vor dem 2.000er-Club warteten Fans bis zu zwei Stunden auf Einlaß. Allen Vorschußlorbeeren zum Trotz ist keine dieser Bands „Franz Ferdinand für 2005“: Gut so, die sind nämlich jede für sich genommen gut genug für eine eigene Fanbase. Den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen dabei die Kaiser Chiefs. Die unbekümmerte, selbstironische Arroganz, mit der die fünf Lads aus Leeds ans Werk gehen, ist schlicht erfrischend. Sänger Rick Wilsons angesoffener, grinsender Dandyism erobert das Publikum im Sturm, bereits beim Opener „Na Na Na Na Nae“ geht die Post ab. Die Chiefs spielen in ihrem 40-Minuten-Set (Standard bei SxSW) vor allem die schnellen Nummern vom Album employment, das hier höchstens der aus Leeds angereiste Fan mit dem Leeds-United-Trikot kennt. Der Mitgröl-Effekt stellt sich umgehend ein und beim Hit „I Predict A Riot“ springt Wilson samt Mikro von der Bühne, um seinen Landsmann zu umarmen. Wer den Tumult vorhersagt, darf ihn auch auslösen.

Derart in gute Laune versetzt, hat das Publikum danach keine Mühe, die Stakkato-Gitarrensalven der Fu-1 ureheads zu verdauen. Die vier aus Sunderland spielen und singen so schnell, man meint fast, zwei Songs gleichzeitig zu hören. Keine Band packt derzeit mehr Hooklines in 40 Minuten. Gut, daßs es Hot Hot Heat da ein wenig gemächlicher, aber nie fad angehen lassen.

Im Stubb’s versuchen Tags darauf Bloc Party der durch die Medien geschürten Erwartungshakung gerecht zu werden. Der Hype, der in Europa um das Londoner Quartett gemacht wird, blieb auch den Amerikanern nicht verborgen: Das eingezäunte Areal ist brechend voll. Kele Okereke und Kollegen spielen sich durch ihre rockigen Neo-New-Wave-Songs, deren Vielschichtigkeit manchem Hörer alles abverlangt. Dennoch reißt der rote Groove-Faden nie ab und erreicht mit „Banquet“ am Schluß des Sets den Höhepunkt. Dieses Highlight können einem danach nicht einmal Kasabian verderben, die definitiv zu viel Oasis gesehen haben. Aber irgendwie paßte selbst das in diese Woche. Fazit: Jederzeit wieder.

http://2005.sxsw.com/music