Soundgarden: Sonnenuntergang


Das Ende von Soundgarden beschließt die Alternative-Ära

Die schwarze Sonne (aus einem ihrer Songs) hat aufgehört zu scheinen: „Nach zwölf Jahren sind die Mitglieder von Soundgarden freundschaftlich und gemeinsam übereingekommen, die Gruppe aufzulösen, um andere Interessen zu verfolgen. Gegenwärtig sind die Zukunftspläne der einzelnen Mitglieder unbekannt.“ Mit dieser Verlautbarung, knapp und ohne überflüssige Schnörkel, hat die vielleicht beste Rockband der 90er Jahre ihr Wirken eingestellt. Im Soundgarden werden keine Songblüten mehr erstrahlen. Traurig zwar, aber kein Grund zur Panik. Das Leben geht auch ohne Soundgarden weiter, auch wenn mit dieser Gruppe die Lieblingsbands vieler Rockfans dahinscheidet.

„Down On The Upside“ hieß das letzte Album. Eine Platte, auf der sich Chris Cornell textlich erneut auf Sinnsuche begab: „Da muß es noch etwas anderes geben, da muß es noch etwas Gutes geben, weit weg“. Viele Gerüchte gab es zu hören über interne Spannungen in der Band, die Musiker seien bei der letzten Tour bereits jeweils alleine zu den Konzerten gereist. Der wirkliche Grund für die Trennung jedoch ist vergleichweise simpel. Soundgarden wissen, wozu sie in der Lage sind, und wozu nicht. Wer sich auf diese Weise selbst einschätzen kann, der weiß auch, wann der Zenit einer Karriere überschritten ist. Anstatt aus der Band den letzten Dollar herauszuholen, entschlossen sich Cornell und Co, den Stecker zu einem vernünftigen Zeitpunkt aus der Dose zu ziehen. Mit „Down On The Upside“ hatte sich der Kreis ohnehin geschlossen. Stilistisch war man wieder bei dem arabesk-verkanteten Psychedelic-Stakkato des ersten Longplayers „Ultramega O.K.“ angekommen. Klar, die Songs waren ausgefeilter, filigraner, Ergebnisse eines Jahrzehnts ständiger gemeinsamer Arbeit eben. Aber die klaustrophobe Stimmung entsprach der Haltung der frühen Tage.

Der Abschied von Soundgarden schmerzt, weil viele die letzte Band verloren glauben, der sie zugetraut hätten, den Alternative Rock aus seinem gegenwärtigen Formtief zu führen. Nun könnte das Cornellsche Farewell der letzte Nagel für den Alternative-Sarg sein. Obwohl – eigentlich war schon alles aus, als Kurt Cobain sein Hirn gleichmäßig auf die Wand seines Hobbyzimmers verteilte. Wenig hilfreich ist auch, daß Pearl Jam von einer Identitätskrise in die nächste schlittern und Layne Staley lieber suchend seine Venen betrachtet, als sich um Alice in Chains zu kümmern. Es bleibt also dabei: Das abrupte Ableben von Soundgarden steht stellvertretend für eine Krise, in der sich mit dem Alternative Rock eine komplette Musikgattung befindet. Seiner wicntigsten Köpfe beraubt, schlingert die Musik nur noch als inhaltsleeres Marketinglabel vor sich hin. Derweil dürften die Plattenfirmen ins Grübeln geraten. Weil manche Company in der Vergangenheit nur damit beschäftigt schien, den Rockboom der frühen Neunziger gewinnbringend zu nutzen, verpaßte man es auf der anderen Seite, etlichen Bands eine solide Fanbasis zu geben. Im gleichen Maße, wie die immergleichen Erfolgsformeln von immer gleichförmigeren Gruppen wiedergekäut wurden, blieben die Plattenverkäufe hinter den Erwartungen der Industrie zurück. Selbst etablierte Acts wie die Red Hot Chili Peppers oder R.E.M. konnten trotz guter Platten nicht an die Erfolge der frühen neunziger Jahre anknüpfen. Von den neueren Bands hat kaum eine die Substanz oder Originalität, neue Impulse zu geben oder gar ein ganzes Album über Klasse zu zeigen. Ergo: Zwischen dem neuen Establishment (Smashing Pumpkins, Beck, Trent Reznor) und den letzten Frontkämpfern im Dienst des gepflegt-renitenten Rocklärms (Jon Spencer Blues Explosion, Girls Against Boys, Soul Coughing) klafft ein riesiges schwarzes Loch. Eine Lücke, die Soundgarden mit ihrer Auflösung nicht unbedingt größer, dafür aber wesentlich sichtbarer gemacht haben – nichts ist öder als die x-te Kopie von Nirvanas Laut-Leise-Dynamik. Wenn die einst als Trittbrettfahrer verpönten Stone Temple Pilots mittlerweile als Innovatoren gefeiert werden, dann weiß man, daß es um den Alternative Rock schlecht bestellt sein muß. Die Zukunft jedenfalls liegt erst einmal in den Händen der Chemical Brothers, von Prodigy und anderen Guerillakämpfern an der Elektrofront und nicht in den Powerchords aus einem Marshaü-Verstärker. Soundgarden wird man trotzdem nicht so schnell vergessen. Wenn Nirvana Seele und Herz der letzten großen Rockrevolution waren, dann wird man sich an Chris Cornell als ihren kühlen Kopf erinnern. Soundgardens größtes Verdienst war es, eine Rockmusik zu entwickeln, in der die Energie des Punk und die musikalische Dichte des Stadionrock in aufregender Weise koexistieren konnten. Daß sie als eine Art Black Sabbath mit Hirn auch das Metal-Genre aufwerteten, darf nicht verschwiegen werden. Nun aber ist der einst so fruchtbare Garten abgeerntet.