Die da oben

Wie Ayliva durch eine angebliche Drohung ihres Exfreundes bekannt wurde


Mittelbeeindruckend, aber Mut machend: Ayliva ist (vielleicht) unsere Ariana Grande.

In Zeiten, in denen selbst Superstars wie Taylor Swift oder Lizzo ihren Fans weismachen, keine Halbgöttinnen zu sein, sondern Dienstleisterinnen für eine verschworene Gemeinschaft von Gleichen; in Zeiten großer Verschwesterungsgesten im Pop braucht man Chuzpe dafür, ganz schnöde arschig zu sein, ein richtig dreistes Biest, ein mean girl alter Schule. Ariana Grande besaß diesen Mumm, als sie sang: „Break up with your girlfriend, I’m bored.“ Buuuuuuh! So was gibt Abzug in der feministischen B-Note, aber immerhin gute Chartsplatzierungen.

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Ein ähnliches Durchtriebenheitslevel erreicht die Sängerin Ayliva aus Recklinghausen, die sich einigermaßen schamlos als deutsche Ariana Grande inszeniert, mit Pferdeschwanz und Schleifchen im Haar. Ihren Song „Hässlich“, gerade auf Platz eins der Singlecharts, widmet sie einem Exfreund, an dem das Schönste offenbar Ayliva selbst gewesen ist: „Hab’ dich so geliebt, aber ich find’, ohne mich siehst du einfach so hässlich aus“, singt sie ihrer verlorenen Liebe und deren neuer Freundin hinterher, frei von Angst vor Lookismus-Vorwürfen.

Nach solch gewichtigen Themen scheint man Ayliva einen arschigen Rachesong von Herzen zu gönnen

Um zu verstehen, warum mittelbeeindruckende Stimmakrobatik zu gezupfter Gitarre und Beats aus dem Setzbaukasten so viele Menschen interessiert, muss man sich in Erinnerung rufen, wie Ayliva bekannt wurde: mit einer angeblichen Drohung ihres Exfreundes. Das Musikvideo zu ihrer Debüt-Single „Deine Schuld“, einer Abrechnung mit einer toxischen Beziehung, begann mit einer Sprachnachricht eines Ex, in der er die Sängerin bedrohte und ihr die Veröffentlichung des Stücks untersagte.

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Ob die Voicemail authentisch war – die Stimme wurde nachgesprochen, der Inhalt der Nachricht ist laut Ayliva jedoch echt – oder ein Marketing-Stunt, um einer industry plant den Start zu erleichtern: Man weiß es nicht. Das Ganze führte immerhin dazu, dass viele Frauen auf Tik-Tok von ihren Gewalterfahrungen berichteten. Nach solch gewichtigen Themen scheint man Ayliva einen arschigen Rachesong von Herzen zu gönnen – auch wenn er nur halb so aufregend klingt, wie sich kleine Bosheiten anfühlten.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 12/2023.