Smells Like Gurken Spirit: Darum sollten wir mal wieder nach Gemüse riechen
Die Masken fallen, die Gerüche kehren zurück. Gut, wer nach Gemüse duftet. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves über Olfaktorisches im Pop.
Was riechst Du, werte Leserin, werter Leser, in diesem Moment? Atme ein, atme aus. In der langen Coronazeit, die ja noch nicht ganz vorbei ist, rochen viele von uns – mehr als zugeben wollen – den eigenen Mundgeruch unter der Maske, oje. Aber jetzt, wo die Maske auch mal wieder runter darf, strömen opulenteste Bouquets aus leckeren, verlockenden, ätherischen, blumigen Alltagsdüften zurück in die Nase. Das kann uns an dieser Stelle – wir sind ja in einem Popmagazin – daran erinnern, dass auch im Pop immer wieder gerne mit Düften gearbeitet wurde und wird, wenn nämlich olfaktorische Tricks die Message verstärken sollen.
Madonna ließ die erste Pressung ihres LIKE A PRAYER-Albums so stark parfümieren, dass sie penetrant nach aphrodisierendem Patschuli stank. Karen Elson ließ ihre LP THE GHOST WHO WALKS nach Pfirsich duften, Katy Perry ihr Album TEENAGE DREAM nach Zuckerwatte. Eine Jubiläumsedition des „Ghostbusters“-Songs roch nach Marshmallows, und so weiter. Einatmen, ausatmen.
„The Case for Smelling Like a Sexy Vegetable“
Dazu passt, dass die in Sachen Lifestyle und Trends sehr verlässliche Plattform Highsnobiety kürzlich unter der Überschrift „The Case for Smelling Like a Sexy Vegetable“ meldete, dass die Frühjahr/Sommer-Saison 2022 eine gute Zeit sei, endlich mal wieder nach Gemüse zu riechen, also: Düfte zu nutzen, die nicht fruchtig- zuckrig oder schwer puffig riechen, sondern nach vegetarischer Hauptspeise. Im Sinne von eggplant emoji? Nein, grüne Paprika, Blumenkohl, Rote Bete, Karottensamen.
In den Neunzigerjahren gab es schon mal so einen Trend, damals stand ich drauf, wie eine frisch aufgeschnittene Gurke zu riechen. Welcher Duft war das noch mal? Auf keinen Fall „Cool Water“ von Davidoff , auch nicht „Le Male“ von Gaultier oder „CK One“. Ich bin mir fast sicher, dass es „Paco“ von Paco Rabanne war. Ein Spritz aus dieser Flasche brachte eine herrliche Salatfrische in den Mief meines Lebens. Andere fanden, es rieche nach Melone. Die Geruchssinne sind so unterschiedlich wie die Menschen!
Gerne würde ich mal eine Studie dazu lesen, wie die Pandemie die Geruchs- bzw. Gestanksempfindlichkeit beeinflusst. Im Sinne von: Wer bewusst wahrnimmt, dass er gerade die Parfümierung einer anderen Person einatmet, könnte zugleich ja denken: Atme ich jetzt auch die Viren dieser Person ein? Das könnte als sehr unangenehm empfunden werden. Vielleicht müssen Parfüms nach der Pandemie also viel dezenter, viel unbewusster wirken? Wer nach Gemüse riecht, riecht jedenfalls sehr gesund, und gesund wollen doch alle sein.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 07/2022.