Sepultura


Let’s destroy this fucking place!“ Mit diesem Schrei eröffnet Sepultura-Frontman Max Cavalera. aus lila Nebelschwaden auftauchend, das wüste Thrash-Getümmel. Und schon feuern die brachialen Brasilianer, die mit ARISE den europäischen Metal-Kontinent endgültig eroberten, ihre Titelsong-Attacke aus den Lautsprecherboxen. Die schiere Wucht des hämmernden Schlagzeugs, der gnadenlose Speed der hetzenden Gitarren-Riffs raubt einem fast den Atem. Wahre Druckwellen schlagen den Zuschauern entgegen, die sich in diesem unterirdischen, aus allen Nähten platzenden Schwitzkasten versammelt haben. Wie in einer Schlangengrube reiben sich die Thrash-Jünger aneinander. Von der Seite hechten Stagediver kopfüber in die schweißtriefende Masse und werden von ihr auf hocherhobenen Händen Richtung Bühne geschoben. Dort hocken grimmig dreinschauende, tätowierte Muskelmänner, die die zappelnden Eindringlinge mit aller Macht in die Grube zurückstoßen. Schließlich schlängeln sie sich nach hinten, wo sie irgendwann wieder auf die Füße fallen. Auf der Bühne gröhlt derweil Max. in einem „Terror Über Alles“ T-Shirt, mit heiserer Stimme den Weltuntergang ins Mikro. Seine Texte handeln von einer Welt, die nur aus Schrecken, Gewalt und Tod besteht — Erfahrungen, die die Botschafter des anderen Brasilien in den Ghettos und Favelas ihrer Heimat gemacht haben.

Treibende Kraft des ultra-harten Sepultura-Sounds ist Igor Cavalera an den Drums, der in den letzten Jahren riesige Fortschritte gemacht hat. Immer häufiger, wie etwa in „Altered State“, integriert er auch indianische Rhythmen in sein Spiel.

Nicht minder rigoros steuert Paolo Jr., der zurückhaltende Baßmann, seinen Anteil zum unbarmherzigen rhythmischen Gemetzel bei. Gleichzeitig aber enthalten ihre Songs mehr Tempi-Wechsel und Breaks — eine willkommene Gelegenheit für Solo-Gitarrist Andreas Kisser, sein technisches Talent aufblitzen zu lassen. Synchron schütteln die Akteure ihre beeindruckenden Mähnen — und es ist schon erstaunlich, wie es zumindest drei der Sepulturas schaffen, auf derart kräftezehrenden Tourneen ihr leichtes Übergewicht zu halten.

Unumschränkter Mittelpunkt ist jedoch Max Cavalera, der an dem rohen Geschiebe vor der Bühne sichtlich Vergnügen findet. Er hat keine Angst, sich von Fans begrapschen zu lassen — selbst wenn er dabei einen halben Vorderzahn einbüßt, wie er hinterher im Backstage-Bereich ungerührt feststellt. Was soll’s, der Zahn war ohnehin künstlich. Mit den Worten „My stage is your stage, cause l’m the samefucking shit as you“, bittet er vor der Zugabe die Menge auf die Bühne — zum Entsetzen der Sicherheitsleute. Zehn, zwölf Mosher nehmen sein Angebot an und verwandeln die Szene in einen kochenden Hexenkessel.

Im Rahmen kleiner Clubs wird die Band, die jeden Gig mit der Entschlossenheit des letzten Gefechts angeht, wohl nicht wieder zu erleben sein. Dem Untergrund entwachsen, sehen Sepultura jetzt größeren Tagen entgegen.