Rock & Klassik


Ein Himmel voller Geigen — die Vermählung von Rock und Klassik ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Popkultur. Jüngstes Beispiel: Elvis Costello, der sein aktuelles Album „Juliet Letters“ mit dem klassischen Streich-Ensemble „The Brodsky Quartet“ vertonte.

9 Den sirupdicken Startschußjeuerte i960 der smarte Soul-Schnulzier Jackie Wilson ab: Sein Hit „A tone AI Last“ bediente sich eifrig bei Tschaikowskys „Pianokonzert Nr. 1“.

9 Der britische Punk-Paganini macht ernst: Nigel Kennedy (u.), Enfant terrible der auf Sitte und Anstand bedachten Klassik-Szene, will demnächst ein Album mit Jimi Hendrix-Songs einspielen.

Geigenfreund seit „Yesterday“: 190.1 veröffentlichte Paul McCarlney sein von der Kritik verschmähtes „Liverpool Oratorio“. Die ebenso notwendigen wie lästigen Partituren lieferte der Dirigent und Komponist Carl Davis.

9 Mit Puccinis „Madame Butterfly“ konnte Malcolm McLaren 1984 einen Hit landen, seine 89er Richard Strauss-Kompilation „Waltz Darling“ blieb erfolglos: völlig vergeigt. Orffs“Carmina Burana“ verirrte sich dank Fernseh- und Kinowerbung in die europäischen Bestenlisten. Anders die „Symphonie Nr. j“ des polnischen Komponisten Henryk Görecki: Anfang des Jahres kletterte das Werk ohne Reklame-Kampagne auf Rang 6 der britischen Pop-Charts.

Das Crossover funktioniert in beiden Richtungen. Gruppen wie das „Greene String“-, „Kronos“- oder „Balanescu-Quartet“ vergehen sich ernsthaft fidelnd an Guns N‘ Roses, Jimi Hendrix oder Kraftwerk. Leichtere Muse hingegen bieten zahllose Classic-Rock-Sampler — Muzak von den Beatles bis zu Queen.

Ende der Sechziger ist „Baroaue-Rock“ en vogue: Rockbands wie The Nice oder Deep Purple wollen sich mit klassischen Klängen ah seriöse Musiker profilieren, erstmals komplettieren Geifer und Cellisten eine Rockband:Jeff Lynnes Electric Lioju Orchestra.

9 Procul Harum verwursteten 1967 Bach’sche Barock-Klänge zum Megahit „A Whiter Shade Of Pale“. Synthie-Pionier Wendy Carlos jagte den Klassiker durch ihren Moog — „Switched On Bach“ (r.) ließ die Kassen klingeln.

9 Klassischer Overkill in den joern: Die holländische Band „Ekseption „sowie „Emerson, Lake& Palmer“ intonieren bombastische Klassik-Remakes.

9 Gordonski Sumnerikov: Komponist Sergej Prokoview lieh Stings Anti-Kriegs-Song „Russians“ das passende Sowjet-Aroma.

Kein Herzjür Pseudo-Klassik beweist Fra n k Zappa:“Die Lücke zwischen Pop undKlassik mußgeschlossen werden. Aber nicht mit lächerlichen Geigen, die denHinlergrundfür zweitklassigen Rock ’n‘ Roll abgeben.“ Seinen avantgardistischen Gegenschlag „Yellow Shark“ führt er iqo.2 in Frankfurt auf.

m Freddie Mercury schmachtete mit der spanischen Schwergewichtsdiva Montserrat Caballe den Olympia-Song .Barcelona*. Ansonsten liebten es Queen italienisch: Bei ihrer .Bohemian Rhapsody‘ standen Puccini und Rossini Pate.

¿ Den richtigen Umgang mit welBperückten Klassikern formulierte Chuck Berry bereits 1956: .Roll Over Beethoven“.

¿ Hat-Trick mit Frederic: Mit der Chopin-Adaption .Could It Be Magic* konnten Donna Summer (1976), Barry Manllow (1978) und Take That (1992) eincharten.

¿ Holly Johnson ist selbst Sakrales nicht heilig: „Hollylujah“ jubilierte er 1990 auf einer Single-B-Seite frei nach Händeis „Messias“.

¿ Einst erklärten The Who Ihr Doppelalbum .Tommy“ zur Rockoper, demnächst erlebt das Stück am Broadway seinen zweiten Frühling.

Pop-Musicals wie „Hoir* und .Jesus Christ Superstar* brachten E-Gitarren bereits Anfang der 70er in die ehrwürdigen Musentempel.

¿ Was haben Brian Eno und The Farm gemeinsam? Beide coverten Pachelbels .Kanon in D* – Eno 1975, The Farm genau 15 Jahre später.

¿ Im Gefolge der Pop-Komm soll 1994 die erste Messe für klassische Musik veranstaltet werden. Titel: Klassic Komm.

¿ Die Grenzen zwischen E- und U-Musik sind fließend, was Jazzrock-Gitarrist John McLaughlin bereits 1973 erkannte: .Dieses dogmatische Schubladendenken ist falsch. Es gibt lediglich gute und schlechte Musik.“