Rock am Ring: Das Grande Finale
Unser Autor und Fotograf Ben Foitzik berichtet vom letzten Tag des diesjährigen Rock am Ring-Festivals, an dem sich unter anderem die Beatsteaks und System Of A Down die Ehre gaben.
Auf zum letzten Gefecht: Ein schon jetzt an Höhepunkten reiches Festivalwochenende geht unaufhaltsam seinem großen Finale entgegen und wird mit dem Gig der extraterrestrischen, wiederbelebten System Of A Down einen mehr als würdigen Höhepunkt erleben – soviel kann man wohl ruhigen Gewissens vorwegnehmen (und weniger hätte ohnehin niemand erwartet). Doch bevor sich die vielleicht wichtigste Metal-Band der vergangenen Dekade die Ehre gibt, buhlen andere Combos um die Ohrengunst des Publikums: Auf der Centerstage versuchen sich die US-Überflieger Avenged Sevenfold in (zu?) großen Rockposen, auf der Alternastage feuern deren (nicht minder testosterongeladene) Landsmänner Alter Bridge saftige Rocksalven in die Menge, und die dänischen Rock-am-Ring-Dauergäste Volbeat, die sich vor ein paar Jahren noch mit einem Nachmittagsslot begnügen mussten, stellen am frühen Abend einmal mehr unter Beweis, dass sie ihr Publikum auch auf großen Bühnen im Handumdrehen in ihren Bann ziehen können. Auch der wie prophezeit eintretende Hagelschauer hält die sympathischen Dänen und ihre vielen, vielen Fans nicht davon ab, gemeinsam ein rauschendes Musikfest zu feiern.
Danach heißt es: Beatsteaks oder BossHoss? Eine Frage, auf die das Rock-am-Ring-Publikum eine klare Antwort hat: Während nämlich die skurrilen deutschen Western-Rocker vor verhältnismäßig kleinem Publikum ihre lässige Country-Show abziehen, fahren die Beatsteaks auf der Centerstage die Spaßkanonen vor und machen das, wofür man sie einfach nur gern haben muss: gute Musik, gute Show und gute Laune! Vom Entertainment-Faktor sind die fünf Berliner schlicht und ergreifend eine überwältigende Macht, wie ihre mit sämtlichen Hits gespickte, das Publikum in fröhliche Raserei treibende Performance einmal mehr verdeutlicht. Die Tradition hält: Jedes Festival mit den Beatsteaks ist ein gutes Festival.
Wirft man anschließend einen Blick gen Himmel, meint man, ein Déjà-vu vom Vortog zu erleben: Eine pechschwarze Wolkenfront schiebt sich langsam aber sicher über den klaren Abendhimmel und erobert unerbittlich das Firmament. Kurz nach dem aufwühlenden Gig von Dredg und pünktlich zum Auftritt der US-Rocker 3 Doors Down ist es dann so weit: Der Himmel öffnet seine Schleusen und macht das, was er auch gestern zur gleichen Zeit getan hat – den Nürburgring (und seine Headliner) verschlingen. Doch wie schon am Tag zuvor erweist sich die zähe Ring-Gemeinde als unglaublich standfest und versammelt sich schließlich um 22:30 Uhr zum kollektiven „Chop Suey!“-Schlachtfest vor der Haupttribüne.
Dort entfachen die Herren Serj Tankian, Daron Malakian, Shavo Odadjian und John Dolmayan ein von vorne bis hinten absolut perfekt arrangiertes Konzert und lassen bei vielen SOAD-Fans die letzten Dämme brechen. Mehrere Circle Pits bilden sich selbst in den hintersten Regionen der gewaltigen Menschenmasse, die den prasselnden Regen ignoriert und bei Hymnen wie „Psycho“, „Chop Suey!“ oder „Toxicity“ zum explodierenden Mob mutiert. So laut wie heute hat man hier wohl selten eine in absoluter Verzückung schwelgende Menschenmasse schreien gehört. System Of A Down sind am Leben, und Rock am Ring hat es am eigenen Leibe erfahren – groß!
Als der finale Akkord verklungen ist, stürmen die wieder einmal komplett durchnässten Horden Richtung Ausgang und lassen dabei die faszinierenden …And You will Know Us By The Trail Of Dead links liegen, die vor ca. 50 Zuschauen performen und davon sichtlich genervt sind. Auf der Alternastage beenden schließlich die Mittelalter-Rocker In Extremo das diesjährige Rock am Ring Festival, das offiziell gut 84.000 Zuschauer angezogen hat und den meisten davon in bester Erinnerung bleiben dürfte. Und nach einer siebenstündigen Fahrt durch die Nacht sitzt man plötzlich wieder am Schreibtisch und merkt mehr als deutlich, was einem jetzt noch zum Glücklichsein fehlt: Schlaf.en werden! Wenn das mal kein Grund zur (längerfristigen) Vorfreude ist…