Wolf Alice
Blue Weekend
Dirty Hit/Caroline/Universal (VÖ: 4.6.)
Dieser Gitarrenrock ist weder kuschelig noch kratzbürstig, aber dafür mit der Stimme von Ellie Rowsell gesegnet.
Im weiterhin in die Charts verliebten Großbritannien fragt man sich, ob es Wolf Alice mit ihrem dritten Album gelingen wird, nach zwei zweiten Plätzen endlich den Nummer-eins-Spot zu erreichen. Diese Band vereint kommerziellen Erfolg und Kritikerlob, die zweite Platte VISIONS OF A LIFE gewann 2018 den Mercury Prize, den Award also, der wirklich etwas zählt.
AmazonGar nicht so einfach zu beantworten ist die Frage, warum Wolf Alice eigentlich so sehr abräumen. Weder ist der Gitarrenrock besonders kuschelig noch besonders kratzbürstig. Er ist aber auch nicht langweilig – das ist ein wichtiger Punkt, wenn man sich überlegt, wie viele erfolgreiche Alternative-Rock-Acts nach ihren ersten Alben in die komplette Beiläufigkeit abrutschen.
Der entscheidende Schlüssel ist Sängerin und Gitarristin Ellie Rowsell, die sehr viele Sachen beherrscht. Sie ist eine Storytellerin, die nah am Ohr die Geschichte „Delicious Things“ erzählt, einen Bericht von Sucht und Versuchung in Los Angeles. Rowsell erinnert in diesen Momenten an englische Pop-Könnerinnen wie Sarah Nixey von Black Box Recorder oder Sarah Cracknell von Saint Etienne. Ein Song später fliegt ihre Stimme bei „Lipstick On The Glass“ in die Register, in denen es Liz Fraser von den Cocteau Twins zur Beschreibung „Stimme Gottes“ gebracht hat.
Wieder nur ein Lied später bietet Rowsell im bratzig-bitterbösen „Smile“ zunächst trotzigen Sprechgesang, um im Refrain die Indie-Pop-Engel ins Jubeln zu bringen: So einen Song würden Garbage auch gerne mal wieder schreiben! Auch Folk-Sensibilität („Safe From Heartbreak“), Modern-Pop-Emphase („How Can I Make It Ok?“) und Punk-Rotzigkeit („Play The Greatest Hits“) hat Ellie Rowsell drauf. Es kann nicht viel schiefgehen mit einer solchen Sängerin, wobei die Band an ihrer Seite genau das Richtige macht: nämlich nichts kaputt.