Weltniveau im Untergrund :: Der Klang der Familie – Berlin, Techno und die Wende
von Felix Denk und Sven von Thülen
Erinnerungen an die Ursprünge der „ravenden Gesellschaft“
Berlin, Anfang der Neunziger. Techno vereint Ost und West, Schwule und Hooligans, Jung-Hippies und EBM-Veteranen auf gemeinsamen Underground-Partys. Dokumentationen aus dieser Zeit gibt es diverse, doch noch nie wurde diese Geschichte so lebendig und ausführlich erzählt. Felix Denk und Sven von Thülen waren nicht dabei, wie sie im Vorwort bekennen, sie kamen erst Mitte der Neunziger nach Berlin; also griffen sie zum Mittel der Originalton-Collage, wie man sie auch als „Oral History“ („Please Kill Me“ über Punk in New York) oder „Doku-Roman“ („Verschwende Deine Jugend“ über Punk in Deutschland) kennt. Ein eingeführtes Format also, das zu Längen und Selbstverliebtheiten führen kann, doch „Der Klang der Familie“ zeigt auch, wozu diese Methode fähig ist. Die Magazinredakteure Denk („Zitty“) und von Thülen („De-Bug“) haben Stars wie Westbam, Dr. Motte oder Paul van Dyk ebenso interviewt wie Türsteher, Clubdesigner und längst vergessene DJs. Es geht vom Stillstand in Westberlin und der „Radioflucht“ im Osten bis zu Marushas „Somewhere Over The Rainbow“, das 1994 den Einstieg von Techno in den Pop-Mainstream markiert; für viele Protagonisten zugleich das Ende der Unschuld. Doch vorher mussten feuchte Kellerlöcher wie das Ufo erobert werden. Im Tresor haben sie es mit der Nebelmaschine übertrieben und die Feuerwehr musste anrücken, weil die Leipziger Straße voller Qualm stand. Der Plattenladen Hard Wax baute mit Direktimporten aus Detroit die Brücke zu Underground Resistance. Nach den Partys im Planet gab es Kuschelrunden auf Ecstasy und die Umlandbewohner mit den dreistelligen Nummernschildern feierten ihre eigenen Parkplatz-Raves und und und. Man gönnt jeder Szene der Welt eine solche Dokumentation, aber nicht jede ist derart aufregend zu lesen. Felix Bayer
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