Platte der Woche

Wandl

It’s All Good Tho

Affine Records

Auf seinem Debütalbum entwirft Lukas Wandl einen ureigenen Mix aus Trap, Soul, Electronica und R’n’B mit internationalem Appeal.

Was hat es eigentlich damit auf sich, dass Alben, auf denen ein Kind auf dem Cover zu sehen ist, oft zu Genreklassikern avancieren? Ob READY TO DIE von The Notorious B.I.G., NEVERMIND von Nirvana oder THA CARTER III von Lil’ Wayne – bei allen wird prominent ein kleiner Junge im Artwork gezeigt. Genauso tut es Wandls Erstlingswerk IT’S ALL GOOD THO. Wer jetzt denkt, es sei anmaßend, einen Newcomer aus Österreich in einem Satz mit solchen Größen zu nennen, der wird die Antwort durch die Musik erhalten.

Auf dem Cover ist – im Gegensatz zu den anderen Beispielen – sogar tatsächlich der Protagonist selbst in jungen Jahren zu sehen. Der echte Lukas Wandl sitzt am Klavier im heimischen Elternhaus im niederösterreichischen St. Pölten, wo er auch noch andere Instrumente erlernte. Von dort nach Wien gezogen, wurde Wandl bereits im Alter von 19 Jahren zum Hype: Begriffe wie der „österreichische James Blake“ und das unausweichliche „Wunderkind“ fielen. ­Heute ist Wandl 22 Jahre alt und schon ein gemachter Mann in der heimischen Electronic- und Trap-Szene. Nach drei EPs, vielen Remixes, mehreren Producer-Arbeiten (unter anderem für Yung Hurns KROCHA TAPE) und einer Kollabo-Platte namens GELD LEBEN mit Crack Ignaz, folgt nun also das erste Soloalbum.

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Vorausgeschickt wurde die Single „Cola“, ein sommerliches Trap-Meisterstück, bei dem sich bereits abzeichnete, dass Wandl nun die Zurückhaltung fallen lässt. Das Debütalbum zeigt den Solo-Wandl, der bereit ist, sich nach außen zu tragen, zusätzlich zu seinen Soundtüftlertätigkeiten auch seine Stimme klingen zu lassen. Auch wenn diese in der Post-Production stark entfremdet und gepitcht wurde, klingt sie doch sehr greifbar – mäandernd zwischen souligem Herzschmerz und trappiger Coolness. In den Texten verarbeitet der Österreicher oft innere Selbstzweifel und lässt auch mal seinem Herzschmerz freien Lauf („Beatles (How I Want U)“), bedient sich aber auch altbekannter R’n’B-Themen wie Liebe („Sweet Love“) oder Drogenerfahrungen („Blowin’ Smoke“).

Wandl erinnert an Flying Lotus – und hat einen Sound im Weltformat kreiert

Auch wenn es einzelne Songs gibt, die herausstechen – allen voran das herzzerreißende „Window Color“ – wirkt IT’S ALL GOOD THO vor allem im Kollektiv: Der Songzyklus ist in sich geschlossen, das Klangbild einheitlich – mit einer prägenden Stimmung, die eine gewisse Schlafzimmeratmosphäre verbreitet. Grund für die Kohärenz dürfte die direkt umgesetzte, künstlerische Vision Wandls sein, der auch die Drums selbst einspielte, die Samples selbst auswählte und auch die Produktion größtenteils in Eigenregie leitete. Das Album, das in den Wiener Studios von Dorian Concept und The Clonious sowie teilweise in Hamburg konzipiert und aufgenommen wurde, wirkt trotzdem vertrackt, beinahe zerstückelt. Das aber hält es in seinem Fluss nicht auf: Man fühlt sich stellenweise sehr stark an die Produktionen des Klangkünstlers Flying Lotus erinnert, der – ähnlich wie Wandl – oft sehr kurze Songfetzen, Skizzen und hingeworfene Ideen zu einem größeren Zusammenhang verbindet. Hier wie dort entstehen postmoderne Klangkonstruktionen.

IT’S ALL GOOD THO ist einerseits ein Album zum nebenbei genießen – und das soll ein Kompliment sein. Andererseits aber ist es in seiner Eigenartigkeit derart dringlich, dass es vom Hörer enorm viel Aufmerksamkeit einfordert: Eine eklektizistische Nummernrevue, oszillierend zwischen Einflüssen aus Trap, Electronica und ganz viel Soul. So etwas hat man in der deutschsprachigen Musiklandschaft selten bis gar nicht vernommen: Ein St. Pöltener hat hier einen Sound kreiert, der absolutes Weltformat hat. Ob Wandls Musik jedoch über die Zugänglichkeit verfügt, um ein breites Publikum zu erreichen wie viele seiner Trap-Kollegen, wird man abwarten müssen. Aber wenn IT’S ALL GOOD THO nicht in die oberen Ränge der Charts gelangt, dann doch sicherlich in die Jahresbestenlisten.