The Beatles

1964 US ALBUMS IN MONO

Capitol/Universal (VÖ: 22.11.)

Sie sind gelandet! Oder: Wie eine invasive Pop-Art die neue Welt überrennt.

New York, 7. Februar 1964. Um 13:20 Uhr setzt Pan-Am-Flug Nr. 101 aus London auf. Zwei Tage später treten The Beatles im Fernsehen auf, Amerika dreht komplett durch und in der Popmusik ist nichts mehr so, wie es einmal war. The Beatles, bislang ein europäisches Phänomen, erobern den größten Musikmarkt der Welt – was Capitol ­Records, EMIs Partner in den USA, vor ein kleines Problem stellt. Dass sie zuvor vier Beatles-Singles abgelehnt hatten, ist ein wenig peinlich, da waren die Hit-Näschen der Verantwortlichen wohl gerade verstopft. Dass stattdessen diverse Klein-Labels Beatles-Platten veröffentlichen dürfen: ärgerlich.

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Im Mutterland des modernen Kapitalismus reagiert man jedoch schnell und beherzt. Allein im Kalenderjahr 1964 erscheinen bei Capitol Records fünf Alben der fabulösen Vier. Die Songs der 8-LP-Box 1964 US ALBUMS IN MONO sind zweifellos der Urknall für Amerikas popkulturelle Umwälzungen der Sechzigerjahre. Allen voran „I Want To Hold Your Hand“, ihre erste Nummer 1 im gelobten Pop-Land. Doch Amerikas Jugend hat generellen Nachholbedarf.

Wird es jetzt kompliziert? Ein wenig. Ist alles logisch nachvollziehbar? Nicht immer.

Wird es jetzt kompliziert? Ein wenig. Ist alles logisch nachvollziehbar? Nicht immer. Beginnen wir mit der einzigen Platte der aktuellen Box, die bei ­Capitol erst 1965 erscheinen wird: THE EARLY BEATLES (5,5 Sterne). Die wird am 10. Januar 1964, kurz vor Pan-Am-Flug 101, ganz legal unter dem Titel ­INTRODUCING… THE BEATLES bei der Plattenfirma Vee-Jay veröffentlicht und orientiert sich grob am britischen Debüt PLEASE PLEASE ME von 1963. Capitol will jetzt aber den ganzen Kuchen und zieht vor Gericht. Vee-Jay verliert.

Dass die Beatles mit „I Want To Hold Your Hand“ einen wahren Goldrausch auslösen, zeigt sich auch daran, dass Capitol am 20. Januar 1964, also noch immer vor Pan-Am-Flug 101, MEET THE BEATLES! (5,5 Sterne) veröffentlicht. Das Hit-Näschen atmet wieder frei, und nach dem Auftritt der Band in der landesweit ausgestrahlten „Ed Sullivan Show“ mit 73 Millionen Zuschauern klingeln die Kassen. Das Album orientiert sich grob an der britischen Veröffentlichung WITH THE BEATLES – mit zwei signifikanten Unterschieden: US-Alben umfassen grundsätzlich zwölf Songs, die britischen Pendants gerne 13 oder 14. Wichtiger noch: Das US-Publikum erwartet auf Alben die aktuelle Hit-Single, weshalb sich im Hause Capitol zunehmend unveröffentlichte LP-Tracks ansammeln.

Eine Wertung ist schwierig, denn Musik spielt hier nur eine Nebenrolle

Darüber, dass THE BEATLES’ SECOND ALBUM (5,5 Sterne) de facto ihr drittes für den US-Markt ist, darf man sich wundern. Aber: geschenkt. Immerhin läuft im April 1964 noch der Rechtsstreit mit Vee-Jay. Dass sich das Werk ebenfalls an WITH THE BEATLES orientiert, ist die Konsequenz, wenn man aus einem Album derer zwei destilliert. Natürlich mit der Single „She Loves You“, in Europa der Spätsommerhit des Jahres 1963.

Warum die Produktionsfirma United Artists den britischen Soundtrack A HARD DAY’S NIGHT (5 Sterne) nicht einfach übernimmt und dafür instrumentale Exzerpte der Filmmusik (Etwa: Ringo geht am Fluss spazieren …) platziert, will sich auch nach über 60 Jahren nicht recht erschließen. Aber diesmal ist Capitol aus der Verantwortung. Zehn Tage später kommen sie dafür mit SOMETHING NEW (4,5 Sterne), das acht Songs der britischen Pressung von A HARD DAY’S NIGHT enthält und sich auch mit der US-Version überschneidet. Muss man nicht verstehen.

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Kaum zu glauben, aber zwischen dem 20. August und dem 23. November 1964 veröffentlicht Capitol tatsächlich kein weiteres Album der Goldjungs, dafür erscheint an diesem Tag die Doppel-LP THE BEATLES’ STORY, ebenfalls Teil der aktuellen Box. Eine Wertung ist schwierig, denn Musik spielt hier nur eine Nebenrolle. Dafür werden die vier Individuen plus Manager Brian Epstein und Produzent George Martin vorgestellt, ergänzt um Interview-Sequenzen, Aufnahmen aus Pressekonferenzen und kurze Musikschnipsel. Fan-Futter fürs Weihnachtsgeschäft! Wurde sicher gerne zusammen mit der original Beatles-Pausenbrotdose und der fancy Fab-Four-Bettwäsche verschenkt.

Ein weiteres As im Ärmel: BEATLES ’65 (5 Sterne), das im Dezember erscheint, kurioserweise nur 11 Songs enthält und an das britische Werk BEATLES FOR SALE angelehnt ist. Letzteres ist aber die bessere Wahl, allein schon wegen „Eight Days A Week“ und „I Don’t Want To Spoil The Party“.Sämtliche LPs sind remastert, erscheinen einzeln auf 180-Gramm-Vinyl mit neuen Liner Notes sowie als Box-Set. Alles in druckvollem Mono, also schwer authentisch, denn genau so waren diese Werke geplant und wurden auch entsprechend abgemischt. Wer unbedingt mitsingen will, sollte lieber zu den frühen, unfreiwillig Karaoke-tauglichen Stereo-Mixen greifen, bei denen man den Gesang via Balance-Regler einfach ausblenden kann. Aber wer will das schon?

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