Swamp Dogg
Love, Loss, and Auto-Tune
Joyful Noise/Cargo (VÖ: 07.09.18)
Erstaunlicher Knalltüten-Digi’n’B aus der Entfremdungsküche von Justin Vernon.
Wer mit dem 76-jährigen Swamp Dogg Kontakt aufnehmen möchte, muss sich zunächst einmal durch einen dichten Dschungel an Ex-Managern schlagen, von denen längst keiner mehr zuständig ist. Klar, diesen Kerl zu managen, ist generell die Höchststrafe. Gut möglich, dass Jerry Williams Jr. diese Irrwege aber ganz bewusst legt, denn die Dekonstruktion ist seit 1970 sein Ansatz als wunderliche, parodistische Kunstfigur Swamp Dogg.
Nichts ist ihm heilig, weder der göttliche Soul noch die Kunstform des Cover-Artworks. Und jetzt legt sich der Kerl auch noch mit der großen Pop-Instanz der 10er-Jahre an: dem Auto-Tune. Wer könnte ihm dabei besser helfen als Justin Vernon? Zusammen mit Produzent Ryan Olson von Poliça und Gayngs hat Vernon einen neuen Swamp-Dogg-Sound entwickelt, der durch das Cover-Artwork sehr schön widergespiegelt wird: Da sitzt der Typ mit viel zu kurzem gelbem Bademantel am verdreckten leeren Pool, trinkt einsam aus einer Tasse und fleht „Answer Me, My Love!“. Der Song ist großes Balladenbesteck, jedoch benehmen sich die Bläser wie ein Elefant im Porzellanladen und zeigen die Stimmeneffekte, dass hier irgendwas nicht stimmen kann. „I’ll Pretend“ ist dann nah dran an den letzten Werken von Bon Iver, Swamp Dogg ist zweifellos ein Verbündeter von Justin Vernon, der ebenfalls seine Absichten nicht preisgibt und seinen Willen zur Schönheit mit der Dekonstruktion seiner Identität verbindet.
Was Bon Iver für den Folk sind, ist Swamp Dogg für den Soul und R’n’B: ein Großmeister des Versteckspiels. Und wenn bei einem Stück wie „I’m Coming With Lovin’ On My Mind“ der alte Soul und der neue Digi’n’Beat zusammen in den Groove kommen, dann gibt’s kaum Besseres.