St. Vincent

Daddy’s Home

Caroline/Universal (VÖ: 14.5.)

Ein nostalgisches Soul-Funk-Artpop-Album über das Armaber-sexy-Original: das New York der 70er-Jahre.

Was an St. Vincents Auftritt bei „Saturday Night Live“ vor wenigen Wochen irritierte: Am Ende der beiden Songs gab es Applaus. Zwar trugen die Menschen Masken, aber sie saßen dicht an dicht – und ihr Klatschen wirkte wie eine warme Dusche. Ehre wem Ehre gebührt: Die Performance von St. Vincent hatte die Ovationen verdient. Die ewig Unberechenbare verpasste ihrer Begleitband ein 70s-Outfit, sie selbst gab die Diva mit blonder Perücke, räkelte sich müde auf einem Sofa – und gab damit das zentrale Thema ihres neuen Albums vor: DADDY’S HOME erzählt von der Sorte Glamour, die übrig bleibt, wenn man nach einer langen Nacht in High Heels in der morgendlichen Bahn nach Hause sitzt.

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Der Titel verweist zudem auf eine zweite Ebene: 2010 wurde Annie Clarks Vater wegen krummer Aktiengeschäfte zu einer zwölf Jahre langen Haftstrafe verurteilt, 2019 kam er vorzeitig frei, Clark brachte Daddy heim, das Titelstück erzählt davon, wie aus Inmate 402 wieder ein freier Mann wurde. Bei den Tochter-Vater-Gesprächen ergab sich schließlich das Szenario des Albums, aus Daddys nostalgischen Berichten entwickelte St. Vincent das Bild von New York Anfang der 70er-Jahre.  Die Stadt hatte Funk, hatte Soul, war gleichzeitig kaputt und bankrott. Arm, aber sexy – das Original.

Wie durch einen perfekt justierten Vintage-Filter gejagt

DADDY’S HOME klingt, wie sich die Menschen damals gefühlt haben mögen. „So sorry, missed the party / Hello on the dark side of the moon“, lauten die Eingangszeilen von „The Melting Of The Sun“. Das großartige Stück ist eine Hommage an Musikerinnen und Künstlanlerinnen, die St. Vincent bewundert, weil sie ehrlich waren: Joni Mitchell, Tori Amos, Nina Simone. „But me, I never cried / To tell the truth, I lied“, gibt sie zu.

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Wie viele andere Stücke auf DADDY’S HOME klingt der Song wie durch einen perfekt justierten Vintage-Filter gejagt: analoger, warmer, schleichender Soul. Abenteuerlustig zwar, aber mit deutlich weniger Kanten als auf den Platten zuvor. Bei „Live In The Dream“ klingt St. Vincent wie Pink Floyd in ihrer MEDDLE-Phase, „My Baby Wants A Baby“ führt ABBA (die Melodie!) und George Harrison (die Sitar, die Gitarre!) zusammen. Dad ist wieder zu Hause – diese Platte wird ihn happy machen. Und nicht nur ihn.

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